Reise: Goodbye Helsinki, hello Tallinn!

Frueh aufgewacht wegen eines Schnarchers im Zimmer, aber egal, wollte eh bald raus, weil die Bezahlung der Ticketbuchung fuer die Faehre nicht geklappt hat. Meine Bank hat wegen irgendwelcher Sicherheitsbestimmung verhindert, dass ich 16 Euro ueberweise, nach drei Fehlversuchen gab ich nachts entnervt auf. Aber erstmal Fruehstueck ausser haus, traurig aber war: McDonalds war das beste, was fuer einen annehmbaren Preis zu finden war. Durch stroemenden Regen zurueck zum Hostel, Blogbericht schreiben, packen, Checkout und ab dafuer. Runter zum Kaufhaus Stockmann, wieder durch den Regen, diesmal mit Gepaeck, in die Tram 4 zur Anlegestelle der Vicking Lines. Die Riesenschiffe, die ich bei meinem Spaziergang am ersten Tag noch fuer gigantisch ueberdimensionierte Weltmeereskreuzer gehalten hatte, waren eigentlich die Faehren, Luxuskreuzer sind anscheinend noch groesser. Dann eine skurrile Szene am Schalter. Hin- und Rueckfahrt im Rahmen einer Tagestour zu buchen ist deutlich billiger (20) als eine einfache, regulaere Fahrt (40-60), fragt mich bitte nicht warum, ist so. Ich wurde vorab von einer freundlichen Mitarbeiterin des Hostels darauf hingewiesen und es stimmte tatsaechlich. Nur wusste das die Frau am Schalter auch, wollte mir aber ein teurere, einfache Fahrt aufleiern. Mit vollem Marschgepaeck wirkte ich naturlich nicht wie der klassische Ausflugstourist, tat aber so. Ich musste glaubhaft versichern, dass ich abends auch wieder brav zurueck die Faehre nach Helsinki besteige, war ganz freundlich und dachte mit dabei, aber vielleicht auch nicht, ist wohl alleine meine Entscheidung. Was hinter dieser Prozedur fuer ein Sinn stecken soll, muss mir mal jemand erklaeren, muss irgendeine osteuropaeische, jedenfalls keine kapitalistische Logik sein.

Danach noch etwas warten, dann Boarding, es fuhren wahnsinnig viele Leute mit, ich schaetze ueber 1000. Ging aber alles routiniert und flott, kurz nach halb 12 liefen wir aus dem Helsinkier Hafen aus. Es regnete immer noch und es blies ein kalter Wind, von wegen Sonnendeck, nix da. Bin einmal aussenrum gelaufen, war eiskalt und hatte gleich nasse Schuhe und Fuesse. Auf dem Schiff Klassenausflugstimmung, die Damen ein Piccolo, die Herren Bier oder haertere Sachen. Dazwischen warmes Essen oder Kuchen, je nach Vorliebe, irgendwie muss man sich die Zeit waehrend der 150 Min Ueberfahrt unter Deck ja vertreiben. Ich hatte mir die Durchquerung des finnischen Meeresbusen (heisst wirklich so) etwas spektakulaerer vorgestellt. Stattdessen: 50 Shades of Grey vom Meer bis zum Zenit des Himmels.

Irgendwann Ankunft in Tallinn, die Passiere werden schon frueh unruhig, sichern sich die besten Plaetze fuer ein zuegiges Offboarding. Der Passagierhafen Tallinn empfaengt mich mit Dauerregen, waehrend die anderen in Busse und Taxis steigen, laufe ich die 1500m in die Altstadt. Hostel hatte ich bereits von Helsinki aus gebucht und finde es auch gleich, von aussen etwas verwohnt, innen aber durchaus okay und vor allem freundlich. Achterzimmer, ich sattle ab und verspuehre Hunger, 15.00 und seit dem Fruehstueck nichts mehr gegessen. Ich checke die umliegenden Restaurants: vegan, vegetarisch, italienisch, besetzt, reserviert. Und ploetzlich habe ich Lust mir in der Hostelkueche Pasta zu kochen, quasi eine Art kulinarische Selbstermaechtigung. Ich kaufe schnell die Zutaten in einem Tante Emmaladen umme Ecke, zurueck ins Hostel, zu dieser Tageszeit sind alle ausgeflogen, die Kueche ist frei, ich lege los, dazu gesellt sich der junge, italienische Hostelmitarbeiter Francesco, als ich ihm erzaehle, dass ich Paste koche, erwacht er zu neuem Leben und zaubert aus einem Geheimversteck ein Stueckchen guten Parmesan und Olivenoel (natuerlich feinstes) hervor. Ich hatte vorab in der ersten Baeckerei seit Frankfurt noch Pane und Dolci gekauft, gute Idee, sieht nach einem ordentlichem Essen in angenehmer Gesellschaft aus. Waehrend ich vor mich hinkoche, unterhalten wir uns, als ich ihm erzaehle, wie alt ich bin und dass ich Vater von vier Kindern bin, wird er immer gespraechiger und stellt mir viele Fragen. Ich finde mich voll und ganz in die Rolle des lebenserfahrenen Familienvaters und wir haben eine gute Zeit. Er erinnert mich extrem an den jungen Jim Croce, kommt auch wie er aus Sueditalien, fehlt eigentlich nur der Schnurrbart, aber dafuer ist er evtl. noch zu jung. Als wir satt sind, ist immer noch was uebrig, da kommt eine junge Frau zur Tuer rein, Julia aus Deutschland, die kommt gerade vom Sport, ist ausgehungert und wir bieten ihr grosszuegig und selbstlos die restliche Pasta an. Wieder wird gequatscht. Ich merke wie sehr mir so ein einfacher Austausch in den letzten Tagen gefehlt hat. Wir laufen durch die Altstadt, gehen kurz zu einem Orgelkonzert, von dem ich in der Touristinfo erfahren hatte. In Mederi Saal, einem Hinterzimmer von Gustav Adolfi (Kirche?, Kloster? Schule?) findet ein Orgelfestival vor nicht einmal 10 Zuhoerern statt. Wir kommen gerade noch rechtzeitig, weil es nicht so leicht zu finden war. Bach, Maegi, MacMaster, schoenes, knackiges Programm, gespielt von Kristel Aer. Was fuer ein passender Nachname fuer eine Organistin. Die Orgel stammt aus England, wurde als gebrauchter Import erst 2014 im Saa aufgestellt und klingt noch etwa verstimmt und krumm. Das gibt den Interpretationen einen sehr sympathischen Grundklang, besonders gut passt das bei den Sphaerenklaengen von Maegi. Nach dem Konzert ist das Publikum schnell wortlos entschwunden, ich gehe noch zur Organistin und stelle ein paar Fragen, tut mir leid wie wenige gekommen sind, da will ich zum Ausdruck bringen, dass es mir gut gefallen hat und das es etwas ausgeloest hat. Ich habe den Eindruck, die freundliche Dame freut sich ueber unser kurzes Gespaech.Danach noch ein Spaziergang durch Unter- und Oberstadt, der immer weitere Boegen spannt. Julia ist seit einigen Woche auf Weltreise und hat schon einiges zu erzaehlen. Ich bin dankbar fuer den Austausch, hoere zu und erzaehle auch selbst einiges. Oft geht es dabei auch hier wieder ueber Lebensentwuerfe und nicht zuletzt auch Familie und Kinder. Dazu sage ich gerne ein paar Worte und stelle fest, dass sich meine Gespraechspartner in einer ganz anderen Lebensphase befinden. Man spuert, dass sie sich selbst und die Welt noch Erforschen muessen, es ist ruehrend, ich werde fast etwas sentimental und denke wehmuetig an meine Familie daheim.

Als wir wieder am Hostel sind, ist es zwar noch nicht dunkel, aber schon wieder kuehl geworden. Ab ins Bett, morgen soll die Sonne scheinen.

7 Gedanken zu „Reise: Goodbye Helsinki, hello Tallinn!

  1. Glaube mich zu erinnern das die finnen solche tagestouren unternehmen, um alk in grosse einkaufswägen zu packen und schnell wieder heimzufahren, möglicherweise können die das von der steuer absetzen 🙂
    Interessante kulturnachrichten aus dem Norden, willst du eigentlich auch aufs Land oder nur städte anschaun old wise man?

    • @Bernhard: Gerade sieht es so aus, dass ich hier in Tallinn noch bis morgen bleibe, dann weiter mit dem Bus nach Pärnu für eine Nacht, von da aus nach Riga, ab da geht zwei Tage später der Flieger zurück. Etwas kürzer als sonst, aber passt diesmal. Steht ja in diesem Jahr noch ein weiterer Ausflug als Blogger an 😉

  2. Wow, sie dass wohl ist einige Wochen schon auf Weltreise zu sein. Macht mich grad auch sentimental, dieser Gedanke. Ja, wie das wohl wäre……..

    • @Sandra: Für ein paar Wochen vielleicht ganz nett und interessant. Andererseits hängen in den Hostels auch immer ein paar ausgemachte Backpacker Zombies rum, die eindeutig schon zu lange unterwegs sind. Mit Minibudget um die Welt, jede unnötige Ausgabe einsparen und irgendwann ist alles gleich und sie hangeln sich mit ihren Smartphones nur noch von einem zum nächsten freien WLAN, zwischendurch mal eine Selfie als Beweis, dass alles voll supi ist.

      • Ok, da ist nicht wirklich was romantisches dran.Hoffentlich gibt´s bei den Esten was besseres zu essen? Warte übrigens immer noch auf ein Selfie von dir 🙂 Deine Familie sicher auch. Ja was red ich, die ganze Leserschaft halt!

        • @Sandra: Weiß nicht, ob das mit dem Selfie so eine gute Idee ist. Habe auf der Fähre, während der Fahrt über den Merresbusen (schönes Wort), dir zuliebe mehre Versuch unternommen, aber ich sah echt total behämmert aus. Entweder mies gelaunt oder mit brachial gezwungenem Grinsen. Vielleicht erwisch ich nochmal einen besseren Augenblick als bei 8C, Gegenwing und leichter Schlagseite.

          Essen in Essland, sorry Estland, ist besser, aber ich kriege es einfach nicht hin mich alleine in ein Restaurant zu setzen und einsam auf die Bestellung zu warten. Bräuchte jemanden der täglich eine Mahlzeit mit mir einnimmt und vorm Schlafengehen als Gesprächspartner zur Verfügung steht, das fände ich besser. Aber deine Blogkommentare sind auch schon ganz gut und gehen definitiv in die richtige Richtung. Guts Nächtle!

          • Aber Dennis, sei nicht so selbstkritisch! Selfies müssen nicht schön sein, behämmert ist voll ok! Das denke ich jedenfalls immer, wenn ich mir manche Selfies ansehe. Da ist echt nix mit Anspruch und Ausleuchten. Als alter Eremit empfehle ich bei akutem Gesprächsbedarf einen kleinen Handspiegel. Hört immer zu, bekanntes Gesicht und sehr geduldig so ein Spiegel. Öffentlichkeitstauglich, also so als Gegenüber während des Essens, ist das allerdings nicht. Könnte seltsam rüberkommen, selbst für hartgesottene Esten/Estländer, Russen, Amis, Franzosen und andere Weltreisende. Wobei….

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert