Thomas Brussig ist ostdeutscher Schriftsteller und Drehbuchautor. Seinen Durchbruch erlebte er mit „Helden wie wir“ (1995), es folgten „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ (1999) und „Wie es leuchtet“ (2004). Seine Romane wurden in 30 Sprachen übersetzt, einige auch erfolgreich verfilmt. Brussig erzählt individuelle Geschichten zu Zeiten der späten DDR und wie sich Mauerfall und Wendezeit auf Lebensläufe auswirkte. Nach „Das gibt’s in keinem Russenfilm“ (2016) legt Brussig mit „Beste Absichten“ im Frühjahr 2017 einen schlanken, lebendigen Roman vor, der sich wiederum mit seinem Lieblingsthema beschäftigt.
Erzählt wird diesmal die Geschichte der ostedeutschen Indieband „Die Seuche“ und dem Bandmanager Äppstiehn unmittelbar vor dem Mauerfall und kurz danach. Die Band probt in einem herrenlosen Kellerraum, als der Ich-Erzähler sie zufällig hört und ganz spontan zum Manager ernannt wird. In der Folge organisiert er, um den Erfahrungshorizont der begabten Newcomer zu erweitern, regelmäßige Konzerte bei Betriebsfeiern und Geburtstagen im sog. Fresswürfel, einem lokalen Veranstaltungsraum. Die Band wird immer routinierter, schreibt gute Songs, verfeinert das musikalische Programm. Besseres Equipment muss organisiert und bezahlt werden. Dabei ergeben sich skurrile Begegnungen, Liebschaften, Auseinandersetzungen, erwartungsgemäß spielen auch Flucht, Mauerfall und Wendezeit eine entscheidende Rolle. Auch die individuellen Einzelschicksale nach dem Auseinanderbrechen der verschworenen Gemeinschaft werden weitergezeichnet und finden schließlich ein versöhnliches Ende.
Brussig schreibt in seinem etablierten, einfühlsamen und unterhaltenden Stil. Die Geschichte ist spannend und stringent. Bedenkt man, dass das Buch nicht einmal 200 Seiten hat, so ist ihm ein weiteres Mal ein sehr lesenswertes Zeitportrait gelungen. Das Besondere daran ist der Blickwinkel aus Sicht einer ambitionierten Indieband in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs. Der Autor rechtfertigt seine ausführliche Darstellung mit drei unglaublichen, aber historisch belegten Begebenheiten, die absurder kaum sein könnten und die den drei übergeordneten Kapiteln jeweils episodenhaft vorangestellt sind.
Als musikalisch interessierter Leser nimmt man ihm die Milieuerzählung einwandfrei ab. Bei den musikalischen Ausführungen, spürt man, dass Brussig weiß wovon er redet und in jungen Jahren anscheinend eine ausgedehnte Lehrzeit in ranzigen Proberäumen absolviert haben muss. Glaubwürdige, peppige Dialoge, interessante Wendungen, spannende Entwicklungen, alles dabei. Aber vermutlich etwas zu kurz um daraus einen neuen Film zu machen.
Die Geschichte schließt mit den Worten: „Die Seuche ist am Wetter und der Weltpolitik zugrunde gegangen – zwei Mächte, gegen die jede Band machtlos ist.“ Vielleicht ist das ein kleiner Trost für andere Musiker, deren Träume trotz großer Anstrengungen nicht wahr werden. Aber diese Art von unvorhergesehener Entwicklung ist ja nicht nur für engagierte Indiebands der ehemalige DDR reserviert, deswegen könnten sich auch Nicht-Musiker und Westdeutsche davon angesprochen fühlen.
Das Buch erscheint bei S.Fischer, hat 190 Seiten und kostet glatte 18 €.