Musikproduktionstechnische Neuaufstellung (2018)

Vor ziemlich genau einem Jahr, Anfang 2017, befand ich mich in einer musikproduktionstechnischen Orientierungsphase und habe dem auch in einem Blogartikel Ausdruck verliehen. Ich hatte das Gefühl meine musikproduktionstechnischen Mittel ausgereizt zu haben, arbeitete mit veraltetem Gerät, fühlte mich limitiert. Als ich das erkannt und mir eingestanden hatte, ergriff ich einige Maßnahmen um eine Neuaufstellung einzuleiten. Ich sprach mit Kollegen, las Fachzeitungen und surfte durch Netzplattformen, besorgte mir Fachbücher und sah Tutorialvideos an. Es ging aber noch weiter: Ich nahm Kontakt auf zu regionalen Produzenten und Studios, vereinbarte Gesprächstermine, oft erzählten mir meine Ansprechpartner sehr offenherzig von ihren Arbeitsmethoden, später besuchte sich einen DJ-Kurs, bastelte Beats am Rechner und arbeitete an einem eigenwilligen Remixalbum (Doro T). Die gesammelten Impulse führten zu neuen Einsichten. Besonders wichtig: Als Musiker und Produzent sollte ich meinen Wurzeln treu bleiben, meine besonderen Fähigkeiten einsetzen, aber gleichzeitig offen bleiben für neue technische und musikalische Entwicklungen.

Nach Beendigung diverser Projekte, die sich über die erste Hälfte des Jahres bis in den Spätsommer gezogen hatten, kaufte ich mir Ende November einen neuen iMac (27″, 3,8 GHz). Es dauerte allerdings noch bis ins neue Jahr bis er geliefert und von mir in Betrieb genommen wurde. Ich installierte Logic X inkl. der kompletten Soundbibliothek (> 45GB), dazu kam noch das neue Interface Presonus Studio 68 USB. Installationen waren ganz einfach, es gab dabei keine ernstzunehmenden Probleme, letztlich braucht es dann aber doch seine Zeit, wenn man Hard- und Software verlässlich als Arbeitsinstrumente einsetzen will.

Mein erstes großes Projekt ist Produktion und Aufnahme von 18 neuen Tracks für meine eigene Tanz- und Unterhaltungsband Musikstudenten, die in diesem Jahr seit 20 Jahren existiert (mit einigen Besetzungswechseln). Die ausgewählten Titel stammen größtenteils aus dem etablierten Repertoire und sind mir und beteiligten Musikern dadurch bestens bekannt. Vorab hatte ich festgelegt, dass diesmal die aktuelle Stammbesetzung ohne externe Overdubbs einspielt. Loops, Softewareinstrumente, Ampsimulationen etc. sollen nicht eingesetzt werden, stattdessen selbsteingespielte Perkussion, abgenommene Röhrenverstärker, echtes Klavier. Diesen „ehrlichen“ Ansatz hatte ich bei der vorangegangenen Produktion für Sandra Buchner („Zero Pop“) bereits angewandt und es hatte sich als äußerst musikalische und unmittelbare Arbeitsweise herausgestellt. Freilich sind Performance und Sounds im Nachhinein nicht mehr groß manipulierbar, andererseits ergab sich, auch durch kleine Unreinheiten, eine Realness, die manche meiner vorherigen Arbeiten im Detail vermissen lassen.

Für das aktuelle Projekt der Musikstudenten waren bereits am Tag nach 3K Kontrabass und Schlagzeug aufgenommen worden. Hierfür konnte ich die abgezockten Vollprofis Friedrich Betz und Dominik Raab gewinnen. An nur einem Studiotag nagelten sie sage und schreibe 16 komplette Rhythmustracks im Studio von Jan Hees in Bretten. Vorab hatten sie sich zu Originalvorlagen und Vorproduktion (Tempoklick, epiano, voc) gründlich vorbereitet. Trotzdem gab es auch noch während der Aufnahme interpretatorischen Spielraum und Platz für Variationen. Knapp zwei Wochen später lagen mir diese Spuren in leicht aufgearbeiteter Form vor und ich konnte mit meinem Teil der Arbeit beginnen und das heißt: Sichtung und Sortierung der Files im neuen Logic, Inbetriebnahme des neuen Interface, erste Aufnahmeversuche. Zu den 16 Tracks kamen noch zwei weitere, aktuelle Tracks hinzu, weil ich in der Wartezeit beschlossen hatte statt einem Album mit 16 Tracks, lieber ein Doppelalbum/zwei Alben mit jeweils 9 Tracks zu erstellen.

Ich startetet also mit der Preproduktion der zwei neuen Tracks und von Beginn an war ich überrascht über die leichte Bedienbarkeit und den phantastischen Grundsound des neuen Systems. Mikrofon (Neumann), Bitrate (24) und Abhöre sind unverändert, kann also eigentlich nur an Interface, Software und Rechner liegen. Meine externen Preamps hatte ich bis jetzt noch gar nicht im Einsatz, weil mir der Sound bereits so sehr gut gefällt.

Diese Woche ging’s dann richtig los. Um endlich mal Strecke zu machen und was auf den Tacho zu bekommen, nahm ich mir vor möglichst viele Gitarrentracks einzuspielen. Erst zickte der Röhrenamp (Fender Blues Junior), musste kurzzeitig auf einen lauteren (Fender Hot Rod) ausweichen, dann rückte ich die alten Röhren in ihren Fassungen zurecht und das störende Nebengeräusch war weg, konnte also wie gehabt mit dem Blues Junior weitermachen. Das Neumann steht etwas seitlich der Kalotte mit etwas Abstand (handbreit) damit auch etwas natürlicher Raumhall aufgenommen wird, Lautstärke/Gain je nach Bedarf, dazu fein dosierter, ampeigener Federhall nach Gutdünken. Lief alles wie am Schnürchen. Am Dienstag ganze sechs Tracks, am Mittwoch fünf, am Donnerstag zwei. Die absteigende Leistungskurve hat damit zu tun, dass die leichten Parts an den Anfang gesetzt wurden. Der Rest folgt Anfang kommender Woche. Dann kommen Gesang und Saxophone, darauf freue ich mich jetzt schon.

Ich muss feststellen, dass ich bei technischen Erneuerungen tendenziell zögere und beträchtliche Zeit und Muse brauche um mich innerlich auf Neuerungen einzulassen, bevor ich sie dann wirklich in die Tat umsetze, ab da läuft es eigentlich. Andere sind da viel schneller und konsequenter. Immerhin habe ich dadurch den Vorteil, dass ich aus den Erfahrungen anderer lerne und nicht jeden Fehler selbst machen muss, etliche produktionstechnische Hypes gehen so auch einfach an mir vorbei, kosten mich keine Nerven und kein Geld. Habe mich nun entgegen meiner eigenen Erwartung gar nicht so sehr in Richtung moderne Produktionstechniken entwickelt, sondern wende mich im Gegenteil mehr den eigen Stärken zu: Schreiben, Instrumentieren, Arrangieren, Vorproduzieren, Aufnehmen, Mix optimieren, Videos erstellen. Der Handlungsspielraum ist breiter und tiefer geworden. Ich bediene mehr Instrumente als früher, arbeite effektiver und mit mehr Weitblick. Im Grunde ist es traditionelles Produktionshandwerk im besten Sinn. Ich brauche immer noch eine gute Idee, einen guten Song, starke Performance und brauchbares technisches Equipment. Habe aber das Gefühl, dass ich meine Stärken besser rausarbeiten und meine Schwächen leichter akzeptieren kann.

Es stehen nun jede Menge Projekte an, bei denen ich meine neuen Erkenntnisse anwenden kann. Bin gespannt, was aus der aktuellen Musikstudenten-Produktion wird, ob sich die „realere“ Arbeitsweise im Mix niederschlägt. Ziemlich sicher werde ich in diesem Jahr mit der Produktion eines neuen Dennis Schütze-Albums starten. Die Songs sind geschrieben und es ist turnusmäßig, nach vier Jahren, wieder mal Zeit für eine musikalische Wortmeldung. Auch bei diesem Projekt wird mir der neue neo/traditionelle Ansatz wohl entgegenkommen. Und nebenher stehen ja immer noch interessante Kleinproduktionen mit regionalen Songschreibern und Sänger an und auch da kündigen sich einige neue Aufbrüche an. Technisch bin ich jetzt immerhin mal auf einem aktuellen Stand, das ist gerade ein gutes Gefühl. Es geht immer weiter, on and on!

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