Benefizkonzert des Polizeiorchesters Bayern: Mit Schwung ins blaue Jahr (2018)

Ich habe keine Ahnung wie es dazu kommen konnte. Irgendwann Anfang Dezember kam eine Mail vom Bayerischen Landtag mit der Frage, ob ich Interesse an Eintrittskarten für ein Konzert des Polizeiorchesters Bayern im CCW Würzburg hätte. Ich bin weder Mitglied der CSU, noch der bayerischen Polizei in besonderem Masse verbunden, aber weil ich nicht weit weg wohne und mein Sohn seit ein paar Jahren Trompete spielte, sagte ich einfach mal zu. Ich bekam zwar keine direkte Antwort, aber im Januar hatte ich vier Karten in meinem Briefkasten liegen und das war natürlich erstmal erfreulich.

Am Samstag war es dann soweit. Etwas feiner gekleidet als sonst ging ich mit meiner Frau und zwei meiner Kinder zum Konzertsaal. Auf dem Weg begegneten wir im Ringpark Oliver Jörg (CSU), der anscheinend auch auf dem Weg zum Konzert war. Kaum hatten wir das Foyer betreten trafen wir Hülya Düber, die Würzburger Sozialreferentin, die wir privat über einen unserer Söhne kennen. Auf dem Weg zum Saal sah man links und rechts noch weitere Lokalprominenz, selbstredend war auch Bürgermeister Adolf Bauer gekommen.

Nachdem wir unsere Plätze eingenommen hatten, startete das Orchester mit einer kurzen Fanfare und wechselte im direkten Anschluss auf der Bühne demonstrativ von grünen in die neuen blauen Polizeiuniformjacken und gab damit gestisch das Thema des Abends vor: Mit Schwung ins blaue Jahr. Es folgten Begrüßung und zwei kurze Reden, dann konnte das Benefizkonzert zu Gunsten des Vereins „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ und das „Malteser Kinderpalliativteam Unterfranken“ beginnen.

Die erste Konzerthälfte war stilistisch bestimmt von Wiener Operettenmelodien und Konzertwalzern u.a. von Johann & Eduard Strauß, Carl Zeller und Rudolf Sieczynski. Hier waren Orchester und Dirigent Johann Mösenbichler erkennbar in ihrem Element und spielten ihre Trümpfe souverän aus. Die Interpretation war äußerst präzise und dabei gleichzeitig dynamisch, tänzerisch und schwungvoll. Die i-Tüpfelchen setzten die sehr unterhaltsame Moderation des Orchestermusikers Peter Seufert zwischen den Stücken und die gekonnten Gesangseinlagen der Mezzosopranistin Kerstin Trunheim. Technisch brillant, spielerisch und humorvoll, viel besser geht’s wohl kaum. Sehr schön war es auch dem ganzkörperlichen Dirigat von Johann Mösenbichler zu folgen. Mit seinem leptosomen Körperbau, einer Art Mischung aus Karl Valentin und Clint Eastwood, seinen weitausholenden, langen Armen, dem Schwalbenschwanz-Frack und der leuchtendroten Schärpe war er ein imposanter Hingucker und hatte dabei jederzeit alles buchstäblich im Griff: Mit dem Krümmen von zwei Fingern ließ er das ganze Orchester am Ende eines Stückes aufspringen, sich verbeugen und sich wieder setzten. Man konnte sich während er als musikalischer Leiter agierte nicht sicher sein, ob er die Musik so hinreißend dirigierte oder sie ihn so dermaßen mitriss. So oder so ähnlich müssen jedenfalls die Auftritte der einschlägigen Impressarios der goldenen Walzerzeit in Wien gewesen sein. Schade, dass dazu nicht getanzt wurde, sonst hätte man von einer Opernballatmosphäre sprechen können.

Nach der Pause wechselte dann das Repertoire vom späten 19. ins frühe 20. Jahrhundert, vom Wiener Walzer zu US-amerikanischen Musicalmelodien. Das war dann technisch immer noch brillant, aber musikalisch war punktuell zu erkennen, dass die Orchestermusiker trotz klassischer Ausbildung und Erfahrungen in Marsch- und Tanzmusik mit Jazz und anderen modernen Stilen nicht besonders vertraut sind. Leonard Bernstein und Glenn Miller klangen da nach einem gut eingespieltem Tanzorchester und nicht so sehr nach einer rotzigen Big Band aus Kansas City. Es war ein wenig bedauerlich, dass das Repertoire stilistisch nicht über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinauskam und zusammen genommen arg rückwärts gerichtet wirkte. Dabei gäbe es unendlich viele interessante Kompositionen, die sich ideal für die Besetzung eignen würden: Popsongs von Abba, über Queen bis Coldplay oder Conchita Wurst, Filmmusik von „James Bond“ über „Star Wars“ bis „Harry Potter“ oder „Herr der Ringe“, ganz sicher hätten sich auch Melodien zu polizeiaffinen Themen finden lassen wie z.B. „Mission Impossible“, „Straßen von San Francisco“ oder gar „Ich hab Polizei“. Dbzgl. wäre noch wesentlich mehr drin gewesen und damit würde man vielleicht auch ein jüngeres Publikum erreichen. Denn auch das war auffällig: Meine Söhne waren die einzigen Kinder im kompletten Konzertsaal und auch ich Middleager dürfte den Altersdurchschnitt noch ordentlich gedrückt haben. Es war nicht ganz so dramatisch wie im Würzburger Stadttheater (70+), aber ich schätze, dass ein Durchschnitt von 60+ der Wahrheit relativ nahe kommt. Meine Söhne sind folgerichtig zur Pause nach Hause gegangen, sie haben von den Operettenmelodien der ersten Hälfte kein einziges Stück gekannt und fanden „Die Christel von der Post“ dann auch nur mäßig unterhaltsam („Seh ich dich wieder, pocht’s mir Mieder“). Ich denke, Aufgabe eines öffentlichen Orchesters ist es für alle, insbesondere für Kinder und Jugendliche zu spielen, nicht nur für Rentner und pensionierte Beamte. Ansonsten schaffen sie ihre Institution sehenden Auges selbst ab und das wäre dann doch ein beklagenswerter Verlust.

Ich selbst bin dagegen bis zum Schluss geblieben. Unnötigerweise wurden vor der Zugabe nochmal Reden gehalten und die finanziell gut versorgten politischen Repräsentanten mit Wein und Blumen für Dinge beschenkt, die sie im Auftrag der Bevölkerung verrichten müssen. Wiederholt wurde betont welche wichtige Aufgabe die Einrichtungen verrichten, die vom Benefizkonzert profitieren. Wenn das so ist, frage ich mich, warum sie nicht ausreichend mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Ist nicht schön auf Almosen angewiesen zu sein, wenn man essentielle Arbeit verrichtet. Da passt es dann umso weniger, wenn sich die Politiker gegenseitig für Selbstverständlichkeiten beschenken. Da wäre etwas öffentliche Zurückhaltung angebracht. Profilieren könnten sie sich stattdessen mit eigenen Spendenbeiträgen. Am diesem Abend kamen im gut gefüllten Frankoniasaal angeblich gerade mal 10.000 Euro zusammen, das entspricht ungefähr dem Monatsgehalt eines einzigen bayerischen Parlamentariers.

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