In den letzten Tagen und Wochen wurde ich von verschiedenen Seiten mehrfach gefragt, ob ich als regionaler Musiker mit meiner Band bei der Landesgartenschau spielen würde. Meine Antwort: Leider nicht. Warum? Darüber kann ich nur spekulieren.
Die Landesgartenschau kam ja nicht überraschend und so war bereits früh klar, dass bei der ca. sechsmonatigen Großveranstaltung auch ein kulturelles resp. musikalisches Angebot präsentiert werden soll. Bereits im Frühjahr wurden deswegen von der verantwortlichen GmbH „LGS Würzburg 2018“ Institutionen und Vereine kontaktiert mit der Bitte entsprechende Angebote zu unterbreiten. Als ich davon hörte nahm ich als regionaler Musiker und Kulturförderpreisträger Kontakt auf und wurde an Ingolf Stöcker verwiesen. In einem Telefonat zeigt er sich optimistisch, denn meine offenkundigen Bezüge zur amerikanischen Musikkultur würden ganz wunderbar zur Geschichte des Areals (Leighton-Barracks) passen: USA, Militärgelände, GIs, Kasernen, Trucks, Ford Mustang, Hamburger und so, da wäre R&B, C&W und Americana doch ideal. Das fand ich auch, hörte sich gut an. Entsprechende Veranstaltungen seien geplant und inhaltlich schon formuliert. Ich solle mal ein schriftliches Angebot machen, dann würde das seinen offiziellen Lauf nehmen.
Nun ist es schwierig bis unmöglich ein Angebot zu schreiben, wenn man keine Informationen darüber hat wann, wie lange, mit welcher Besetzung und unter welchen technischen Bedingungen man Musik machen soll. Andererseits befand man sich wohl noch in der Planungsphase, da will man als Musiker die Dinge nicht unnötig kompliziert machen. Also verfasste ich ein allgemeines Angebot zu moderaten Bedingungen, weil ich davon ausging, dass wir vermutlich an regulären Werktagen tagsüber (nicht am WE) spielen würden und es sich nicht um einen einzelnen Auftritt handeln würde, sondern um eine Serie von Terminen, irgendwie über die Monate verteilt. Ich stellte noch sicher, dass mein Angebot auch tatsächlich eingegangen war, dann wartete ich ab.
Und hörte bis zum Jahresende 2017 nichts mehr von Ingolf Stöcker. Weil es ab da nur noch wenige Monate bis zur Eröffnung waren meldete ich mich telefonisch, wurde aber freundlich abgewimmelt, man würde sich melden. Bis heute hat sich Hr. Stöcker nicht bei mir gemeldet. Mitte April 2018 wurde die LGS eröffnet und es spielen dort selbstverständlich Musikbands. Nach welchen Kriterien die ausgesucht wurden bleibt auf den ersten Blick unklar. Es sind Bands ohne thematische Bezüge zu Areal, Stadt oder Region darunter (Salsa, Latin), Bands aus weit entfernten Städten. Wenn tatsächlich mal Formationen aus der Region aufspielen, handelt es sich meist um Vereine, Initiativen oder Shows kommerzieller Anbieter. Und so wird auf den zweiten Blick doch wieder deutlich wie die Dinge in Würzburg nur allzu oft laufen: Nicht der/die passendste, interessanteste oder beste Musiker/In oder Band bekommt hier den Zuschlag, sondern prinzipiell das günstigste Angebot und das ist nach dieser Logik selbstverständlich das, was gar nichts kostet, bei dem die Beteiligten also bereit sind ohne Gage aufzutreten, für Ruhm und Ehre sozusagen. Nur: Ist das ein fairer Umgang mit regionalen Künstlern? Und was für ein Bild zeichnet es von der eigenen städtischen Kultur, wenn nur die billigsten und günstigsten Freibierkünstler auf die Bühne kommen?
Vorlagen für dieses absurde Auswahlkriterium gibt es in der Stadt genug. Umsonst & Draussen, Straßenmusikfest (Stramu), Würzburger Stadtfest pflegen zum Teil seit Jahrzehnten Umsonstkultur und systematische Künstlerausbeutung auf professionellem Niveau. Die Veranstalter schaffen es sogar noch nach außen hin so zu tun, als wenn dabei irgendein Beitrag zur Förderung von städtischer Kunst und Kultur geleistet wird und sind sich nicht zu schade dafür auch noch Fördergeld von Stadt, Bezirk und Land zu beantragen (und zu erhalten!). Dabei ist das Gegenteil Realität: Weil ständig öffentlich geförderte Musikfestivals bei freiem Eintritt stattfinden, gehen kleine Konzertveranstalter und mit ihnen Musiker, Bands, Künstler zu Grunde. Welcher Zuhörer geht noch zu einem zahlungspflichtigen Konzert, wenn in wenigen Wochen das nächste kostenlose Riesenevent stattfindet? Welcher freie Künstler kann gegen großspurig organisierte Großveranstaltungen bestehen? Sie haben lediglich die Wahl, ob sie für umme oder gar nicht spielen. Friss oder stirb! Spiele ohne Gage oder du findest nicht mehr statt! Du darfst selbst entscheiden! Am Ende sollen die Musiker noch dankbar sein, dass sie überhaupt spielen dürfen, während als Vereine getarnte Veranstalter und deren Subunternehmer gutes Geld verdienen, teilweise sechsstellige Umsätze fahren (z.B. U&D). Die knallharte Form der neo-liberalen Marktwirtschaft ist längst in der Regionalkultur angekommen und wird von offizieller Seite dankbar angenommen und erbarmungslos nutzbar gemacht.
Bisher dachte ich noch die politischen Verantwortlichen von Stadt, Bezirk und Land, hätten die Zusammenhänge einfach nicht begriffen und würden deswegen bedenkenlos die Falschen (kommerzielle Kulturvermarkter) fördern statt die Richtigen (Kulturschaffende und deren Infrastruktur) und damit das Gegenteil von dem bewirken, was ihr eigentlicher Auftrag ist (z.B. Förderung der Region, der Künste, der kulturellen Diversität, nicht die kostenlose Bespassung der Bevölkerung). Nach meiner Erfahrung mit dem alten (Hr. Engels) und der neuen Kulturmanagerin der Stadt (Fr. Linke), dem glücklosen, beratungsresistenten und kulturell beschränkten ehemaligen Kulturreferenten Hr. Al Ghusain und der aktuellen Episode LGS 2018 bin ich mir mittlerweile sicher: Die Verantwortlichen fühlen sich gar nicht verantwortlich. Verhandelt wird nur mit Institutionen. Lokale und regionale Ausprägungen von Kunst und Kultur sind denen vollkommen egal, es sei denn sie wirken bereits weit über die Region hinaus, sind zur Marke geworden, dann kann man sie für sich verwenden, nur: Die brauchen natürlich längst keine Förderung mehr. Den Verantwortlichen ist es zu anstrengend lokale und regionale Kultur zu sichten, zu bewerten, zu gewichten, zu fördern. Dafür müsste man mit den Menschen sprechen, zu Konzerten und Ausstellungen gehen, überwiegend auch über seinen Schatten springen und sich Kulturformen aussetzen, zu denen man vielleicht keinen persönlichen Bezug hat. Das wäre zwar ihre eigentliche Aufgabe, aber das ist furchtbar anstrengend: Menschen! Da menschelt es immer so sehr. Dann schon lieber ein Formular und wenn die Zahlen Stimmen wird durchgewunken, am besten ohne Publikumsverkehr und Emails beantwortet man auch nicht so gern. Wenn man dann aber mal Musiker und Bands besetzen muss, plant man mit geringem oder gleich gar keinem Etat, lässt Volksmusikgruppen, Tanzschulen und Musikvereine spielen, die freuen sich doch über eine Einladung! Unter Kultur (miss-)verstehen die Verantwortlichen nicht Kultur der eigenen Region, sondern irgendwas halt, im Notfall Yoga oder Kampfsportgruppen. Wirkliche Kultur ist bei denen grundsätzlich etwas von außen, aus Hamburg oder Berlin, besser noch aus dem benachbarten Ausland, am besten von Menschen die nicht unsere Sprache sprechen, anders aussehen und auf anderen Kontinenten leben. Da wird dann erstaunlicherweise gar nicht geknausert, sondern mit beiden Händen rausgehauen (siehe Mozartfest, Afrikafestival, Hafensommer). Die eigene kulturelle Vielfalt wird dagegen gern unter den Tisch gekehrt, verleugnet und nachhaltig verprellt.
Das ist für mich als engagierter Künstler, aber auch als Bürger dieser Stadt sehr bedauerlich und auf Dauer frustrierend. Als Kulturförderpreisträger habe ich für einen kurzen Moment geglaubt, dass meine „besonderen Verdienste für das kulturelle Leben in der Stadt Würzburg“ in irgendeiner Art und Weise zur Kenntnis genommen und befördert werden. In meinem Überschwang glaubte ich tatsächlich, dass Mitglieder des Stadtrats, der Kulturreferent oder andere Politiker mit mir reden und an meiner Meinung interessiert sein könnten. Die Aufmerksamkeit hat genau einen Tag angedauert (Abend der Preisverleihung), danach hat buchstäblich niemand mehr nach mir gefragt. Dabei habe ich einige Jahre wirklich versucht den Blick auf städtische Kultur zu verändern, habe mehr als 50 öffentliche Interviews vor Publikum geführt (www.myfavouritetracks.de). Aber gegen Stumpfsinn und Ignoranz kommt man mit der feinen Klinge nicht an. Ich habe den Kampf irgendwann genervt aufgegeben und mich zurückgezogen.
Werde ich die Landesgartenschau als Gast besuchen? Vermutlich nicht. Der Eintritt ist teuer, Essen und Getränke auch, dafür gibt’s dann Vorführungen von VHS, dem Boule-Club Würzburg und irgendwelchen halbkommerziellen Interessensgruppen. Danke auch, wenn ich berieselt werden will, schalt ich die Glotze an, da kann ich wenigstens das Programm wählen (tvm? mtv!) oder im Notfall abschalten.
Irgendwann muss mir mal jemand erklären, warum die Würzburger sich selbst und ihre eigene Kultur so sehr verachten. Am Ende haben sie noch jeden aus der Stadt gejagt oder ihn zum verstummen gebracht. Warum nur? Als Zugezogener werde ich das vermutlich nie begreifen, vielleicht erst als Weggezogener.
das solltest du in die main post setzen
Kann nur die Mainpost in die Mainpost setzen.
Darf aber (mit Autorenangabe) gerne geteilt werden, wer mag.
schon klar, aber hinschicken ist doch als Autor besser, oder ned?
Wie gesagt: Ich hab’s aufgegeben.
Die Regionalzeitung MP ist ja nicht gerade als Vorkämpfer für Berichterstattung über städtische oder regionale Kultur bekannt, eher im Gegenteil. Das interessiert die meiner Erfahrung nach nicht. Und deren Leser angeblich auch nicht. Aber vielleicht die Nicht- oder Nicht-mehr-Leser. Die müssen dann halt was anderes lesen oder darauf verzichten.
Schade Schade!
Aber das ist der Trend. Geiz ist geil auch wenn das Niveau sinkt!
Es wäre mal interessant, welche Erfahrungen in anderen Städten gemacht werden. Wie gehen die Kulturverwaltungen dort mit ihren regionalen Künstlern um? – Ich war auch erstaunt, wie lange Ingolf St.s Kommunikation brauchte und welche Missverständnisse angerichtet wurden, auch wenn praktisch überhaupt nichts geschah, außer eben dass Missverständisse aufkamen. Ein Mit-Grund hierfür bei der LGS liegt in der Doppelstruktur (Kulturprogramm insgesamt, daneben Programm des Stadt-Landkreis-Pavillons), die sich derzeit zu einer Vielfachparallelwelt ausweitet (nochmals eigenes Programm eines Zukunftsgartens, das der Landschaftsarchitekt dieses Gartens privat aufstell). Ich habe der Mainpost genau dieses LGS-Thema schon erfolglos vorgeschlagen.
Solche Mehrfachstrukturen treten vielleicht auch in kommunalen Kulturverwaltungen auf und sollten bereinigt werden.
Interessante Beobachtung von dir, dass die LGS lieber mit Institutionen als mit Menschen verhandelt. Ich hatte mir mehr von der Schau erwartet.
Ich kann ja den Ausführungen des Herrn D.Sch. nicht immer uneingeschränkt zustimmen, aber was dieses Thema betrifft, hat der Artikel absolut ins Schwarze getroffen. Auch wenn wieder Einige sagen werden, dass dies wieder einmal eine Meinung eines frustrierten, übergangenen Musikers wäre.