Fazit zum Reise/Foto/Blog/Film/Projekt: Tansania, Ostafrika (2019)

Hinter uns liegen drei Wochen mit intensiven Erlebnissen. Das Reise/Foto/Blog/Film/Projekt im Auftrag der deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. (DAHW, GLRA) führte uns (Christof Balling & Dennis Schütze) einmal quer durch Nordtansania. Am 20. August 2019 flogen wir ein in Mwanza am Viktoriasee, dem größten Süßwassersees Afrikas. Von dort ging es mit dem Land Cruiser über Land zur nördlichen Kleinstadt Shirati. Von hier aus besuchten wir das örtliche Krankenhaus und mehrmals eine in der Nähe gelegene Primary School. Im Rahmen des Schulbesuchs und mehreren Hausbesuchen wurden Kennenlernspiele, Gespräche, Interviews, Musikaufnahmen und Videoaufnahmen durchgeführt. Nach einer Woche wechselten wir den Standort in das etwas südlicher gelegene Musoma. Von hier aus besuchten wir eine weitere Primary School. Auch dort fanden Haus- und Schulbesuche statt, es wurden Interviews geführt und Musik- und Videoaufnahmen gemacht. Wichtig und sehr eindrücklich waren neben den geplanten Besuchsterminen aber auch zufällige Begegnungen und Ereignisse mit den Menschen vor Ort. Grace Mwasuka, unsere Reiseleiterin, eine kluge und selbstbewusste afrikanische Frau, war uns eine wertvolle Hilfe und Unterstützung auf ganzer Linie und löste geduldig alle schwierigen Situationen, die sich hin und wieder ergaben. Auch unser Fahrer Juma ließ sich in den Wochen nicht ein einziges Mal aus der Ruhe bringen und hat uns die über 2000km Wegstrecke unter schweren bis schwierigsten Bedingungen sicher und unfallfrei zu unseren Zielen befördert. Für Pförtner, Sicherheitsleute, Polizisten und Militärs hatte er dabei immer ein freundliches Wort oder einen netten Gruß auf Lager.

Als erstmalige Afrikareisende wurden wir insbesondere in der ersten Woche unserer Reise von den Beobachtungen stark berührt. Eigentlich hatten wir versucht uns während der Reisevorbereitung auch auf die Verhältnisse vor Ort einzustellen. Was wir dort erzählt und zu sehen bekamen (manchmal unvorbereitet und ganz nebenbei), sowohl die ganz normalen Lebensbedingungen, aber auch tragische Familientragödien, das raubte uns dann doch den Atem, machte abwechselnd, ratlos, traurig, wütend, usw. Während den Fahrten führten wir in unterschiedlichen Konstellationen lange Gespräche um unsere persönlichen Eindrücke einordnen und verarbeiten zu können. Dazu muss gesagt werden, dass wir natürlich nicht ein sauberes Touristenprogramm durchlebten, sondern den Alltag in abgelegenen, ärmlichen Gegenden im Hinterland. Und es ging, gemäß unseres Arbeitsauftrags, um Einzelschicksale von Kindern mit gesundheitlicher Beeinträchtigung. Andererseits wurde aber auch bald klar, dass der weit überwiegende Teil der Bevölkerung Tansanias in vergleichbaren Verhältnissen lebt und nahezu identische Erfahrungen macht. Abgesehen von der Beeinträchtigung, waren sämtliche anderen denkbaren Parameter aus unsere Sicht besorgniserregend: Hunger, einseitige Ernährung, schmutziges Wasser, primitivste Wohnverhältnisse, kein Strom, kein Wasser, miserabelste Unterrichtsverhältnisse, schlechte/keine Materialien, schlagende Lehrer, Missbrauch von Kindern und Frauen innerhalb und außerhalb der Familie, Kinderehen, Ehen innerhalb der Verwandtschaft, Polygamie, Geldsorgen, Alkoholismus, Perspektivlosigkeit, schlechte medizinischen Versorgung, tödliche Krankheiten, hohe Geburtenrate, Kindersterblichkeit, you name it. Derartige Informationen in Form von Tabellen und Statistiken zu lesen ist das eine, sie direkt vor Augen zu haben das andere.

Die Arbeiten, die wir uns vorgenommen hatten, liefen dagegen wie am Schnürchen, wir kamen schnell voran und hatte gute, verwertbare Ergebnisse. Fotos und Videoclips wurden jeweils am Folgetag gesichtet und Interviews mit den Kindern übersetzt und protokoliert. Alle 2-3 Tage wurde ein ausführlicher Blogbericht mit Fotos veröffentlicht, diese wurden von vielen Menschen gelesen und auch kommentiert. Es sind berührende Audioaufnahmen von singenden und tanzenden Kindern entstanden, teilweise inkl. Video. Zusätzlich wurde noch ein kurzes Filmportrait von Grace Mwasuka erstellt, in dem sie ihre Projektarbeit für den DAHW bzw. GLRA beschreibt und erläutert. Vermutlich eine aufschlussreiche Zusatzinformation für Interessierte.

Von Musoma mussten wir nach Ende der zweiten Woche zurück zur Küstenstadt Dar es Salaam. Die kürzeste und landschaftlich reizendste Verbindung war die Route durch die Regionen Serengeti, Olduvai Gore und Ngorongoru. Wir trugen die zusätzlichen Kosten für die Passage auf eigene Rechnung und fuhren die über 1200 km lange Strecke (20h Fahrzeit, größtenteils Piste) innerhalb von drei Tagen mit Stationen in Bunda und Moshi. Nach mehr als zwei Wochen auf einer Reis-Bohnen-Diät, außerdem keine Zeitung, Fernsehen, Kino, auch keine Konzerte, Theater und den Gottesdienst am Sonntag als einziges kulturelles Highlight waren wir ausgehungert nach Stadtleben und Anregung jeglicher Art und freuten uns auf Dar es Salaam. Unsere Erwartungen wurden jedoch herb enttäuscht. Die Riesenmetropole am indischen Ozean (über 4 Mill. Einwohner) entpuppte sich als Flächenstadt mit einer verdichteten Form der ländlichen Verhältnisse. Viele Menschen, viel Verkehr, Staus, Abgase, Staub und Schmutz. Noch mehr Kleinhändler, die an jeder Ecke denselben Kram verhökern wollen. Weite Strecken, unübersichtlicher Aufbau, kein ÖPNV, kaum Läden, wieder nur Stände und wackelige Buden, die Gegensätze noch krasser, runtergekommene, sozialistischer Plattenbauten der 1960er, Bettler, Hausierer, daneben teure Hotels für ausländische Besucher. Als Weißer ist man für jeden fliegenden Händler Freiwild, ein potentieller finanzkräftiger Käufer, man wird ständig und überall von der Seite angelabert, (“Karibu, my friend!”), kann sich das Gesindel kaum vom Hals halten. Die Hitze, der Dreck, der Lärm, die Enge, die Abgase, alles ist furchtbar anstrengend. Wieder war es schwer anständiges Essen oder Orte der Abgeschiedenheit, der Stille oder des Rückzugs zu finden.

Am Ende unserer Reise setzten wir mit der Fähre über auf die Gewürzinsel Sansibar und verbrachten dort noch 2-3 Tage, allerdings getrennt, das hatten wir so vereinbart, weil wir beide das Bedürfnis nach Alleinsein hatten. Die Insel war dann ein kleiner Lichtblick. Geprägt von afrikanischen, arabischen und indischen Einflüssen, ist es ein inspirierender Ort. Das Essen, die Musik, die Menschen, die gesamte Stimmung ist etwas heller und anregender als auf dem Festland. Ich geriet zufällig in eine Musikakademie in der Nähe des Hafens und hatte erstmals Kontakt mit Kulturschaffenden, besuchte Konzerte, führte Gespräche, besuchte eine Gewürzfarm, konnte die Erlebnisse Revue passieren lassen, etwas Abstand gewinnen und mich etwas entspannen.

Rückblickend wirken die drei Wochen wie eine Reise durch die menschliche Zivilisationsgeschichte. Von der Wiege der Menschheit (Olduvai Gore), Nomadentum (Massai), primitiven Ackerbau, Plantagenbau (Sansibar) über Industrialisierung, Kolonialzeit (portugiesisch, deutsch, britisch), internationalem Handel (Kaffee & Kakao) bis in die digitale Moderne (Bongo Flava) war alles dabei. Wir begegneten Naturvölkern, Moslems, Freichristen und Hindus. Wunderten uns, dass im Land im großen Stil Kaffeebohnen angebaut werden, aber ausschließlich Instantkaffee getrunken wird. Dass man überall Rinder und Ziegenherden sieht, aber nirgends Milch, Käse oder Joghurt angeboten wird, dass Sansibar eine Gewürzinsel ist und in Tansania das Essen ohne Gewürze, teilweise ohne Salz und Pfeffer zubereitet wird. Etwas enttäuschend war, dass wir so wenig Kultur, Kunst und Musik finden konnten, stattdessen Unmengen von kommerzialisierter Folklore und billiger chinesischer Massenware. Irritierend auch wie wenig die fraglichen gesellschaftlichen Zustände von der Bevölkerung selbst als Problem wahrgenommen werden. Deswegen ist auch die Art und Weise der externen Hilfeleistung ein dauerndes Problem, hier wurden im Laufe der Jahrzehnte die Ansätze verändert. Man wechselte graduell von Wohltätigkeit (Charity) zur Hilfe-zur-Selbsthilfe (Self-Empowerment), aber auch hier ergeben sich aus westlicher Sicht erstaunliche Phänomene. Von den Freiwilligen nicht-staatlicher Organisationen (NGO) haben wir seltsame und teilweise vollkommen irrwitzige Geschichten gehört (z.B. die, dass aus den USA 40 ipads an eine Schule auf dem Land gestiftet wurden, an der es weder Steckdosen, noch ein funktionierendes WLAN gab).

Der Hauptteil des Reise/Foto/Blog/Film/Projekts ist mit unserer Rückkehr nun abgeschlossen. Es folgt die Postproduktion, Texte werden redigiert, Fotos sortiert, Audioaufnahmen nachbearbeitet und Videoclips gesichtet. Bis Ende des Jahres wird ein ca. 20-minütiger Dokumentarfilm geschnitten und produziert. Als Packet werden diese Materialien Lehrern, Eltern und Schülern in Deutschland und Tansania, eventuell auch darüber hinaus, zur Verfügung gestellt.

Zum vorläufigen Abschluss des Projekts wollen wir, Christof Balling und Dennis Schütze, uns bei allen Menschen bedanken, die es ermöglicht haben, uns zur Seite standen und unterstützten. Danke an:

DAHW (Deutschland): Maria Hisch, Michael Röhm, Harald Mayer-Porzky, Manuel Koch, Georg Weißenberger, Tobias Willmroth.

GLRA (Tansania): Grace Mwasuka, Juma (Fahrer), Niwaely Sandy, Tumaini Shorusaeli.

Unterstützer: Bernhard Kauler, Knud Dobberke, Ralf Schuster, Sandra Buchner, Bernd Balling.

Familie: Allergrößter Dank an unsere tapferen Frauen & braven Kinder

Weitere Informationen über die Arbeit des DAHW unter www.dahw.de

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