Buch: „Look Out Kid“ von Maik Brüggemeyer (Hrsg.)

Zum 80. Geburtstag der Musikerlegende Bob Dylan hat der deutsche Popmusikjournalist Maik Brüggemayer ein Kompilation von Kurzgeschichten und persönlichen Betrachtungen zusammengestellt, die auf unterschiedliche Weisen mit Leben und Werk des US-amerikanischen Songschreibers in Beziehung stehen. Sich selbst hat Brüggemayer mit einer klassisch aufgebauten, autobiographisch anmutenden Kurzgeschichte den letzten Platz in der Sammlung reserviert. Vor ihm kommen 19 andere Autoren mit Beiträgen unterschiedlichster Form und Länge zu Wort, darunter viele Personen, die den meisten Lesern unbekannt sein dürften, aber das ist ja nicht schlimm (nur Niedecken fehlt leider). Am ansprechendsten sind die Erzählungen, die eine persönliche Auseinandersetzung mit einem Song oder einer biographischen Begebenheit mit Dylan behandeln. Einige wenige sind nicht sehr gelungen, aber das kann bei solchen Zusammenstellungen eben passieren, man kann ja leicht drüber blättern und an einer anderen Stelle weiterlesen.

Insgesamt erstaunlich wie stark der Einfluss von Dylan und seinem Werk in gewissen musikalischen und literaturinteressierten Kreisen gewirkt hat und immer noch wirkt, obwohl er doch seit mehr als 20 Jahren kaum noch künstlerisch erwähnenswertes geschaffen hat. So richten sich die Bezüge meist auch auf sein Frühwerk, das in den 60er und 70er Jahren entstanden ist. Aber man muss schon sehr americo-phil veranlagt sein um die Aussagen und die den Songs innewohnende Symbolik unfallfrei auf das gutbürgerliche deutsche Mittelschichtsbürgertum der 10er und 20er Jahre übertragen zu können. Das sieht man insbesondere bei dem Übersetzungsversuch von Judith Holofernes, die damit grandios scheitert. Eric Pfeil, von dem man nach seinem Buchdebut „Komm, wir werfen ein Schlagzeug in den Schnee“ (2010) viel erwarten durfte, aber das Versprechen nie einlöste, interviewt seine gerade mal volljährige Tochter ausführlich zu ihrem Verhältnis zu Dylan, naja, so mäßig interessant. Zum Drüberblättern schlecht sind leider die fiktiven Geschichten, die versuchen den assoziativen Schreibstil ohne Reime, Musik oder Gesang direkt ins Deutsche zu übertragen. Experiment gescheitert will man zurufen. Da sind die persönlichen Erinnerungen an ersten Begegnungen mit Dylan-Songs in Umbruchsphasen des eigenen Lebens schon deutlich charmanter.

Leider wirkt die offenkundige Rückwärtsgewandtheit, die im Grunde allen Texten der Sammlung beiwohnt, auch traurig und typisch deutsch. Statt nach vorne zu blicken und kreativ zu gestalten, wird eine fiktive, noch dazu fremdländische Vergangenheit idealisiert. Kein einziges Wort in insgesamt 20 Texten zu den Entwicklungen der US-amerikanischen Gesellschaft der letzten 20 Jahre. So als lebten wir im Jahr 1966 und der Meister hätte gerade gestern „Blonde on Blonde“ veröffentlicht. Nichts zu Clinton, 9/11, Bush, Afghanistan, Guantanamo, Obama, Trump, Sturm auf das Kapitol, Biden, Corona. Es ist eine Dylan-Verklärte Nostalgiereise ins Nimmerland alternativer Vergangenheiten mit schwarzer Sonnenbrille und brauner Wildlederjacke. Kann man mal lesen, muss man aber nicht.

Das gebundene Buch erscheint bei Ullstein, hat 272 Seiten und kostet 18 Euro.

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