Noten: „Europa in Noten“ – K. Weber & J. Hartl (Hg.)

Jörg Hartl & Korbinian Weber sind seit 2013 Trompeter in der Blasmusikkapelle La BrassBanda. Mit dieser populären Formation, aber auch privat haben die beiden ganz Europa bereist und dabei viele landestypische und regionale Musikkulturen kennengelernt. Nun haben sie in einem Ringbuch Hymnen, Volkslieder & Kompositionen aus ganz Europa zusammengestellt, jeweils 5-7 Stücke, zweistimmig arrangiert für zwei Bläser in Bb.

Die Kapitel sind nach Ländern und von Nordwesten nach Südosten angeordnet. Jedes Kapitel beginnt mit einer kleinen Zusammenfassung allgemeiner Basisdaten (Hauptstadt, Landesprache etc.), erstes Werk ist immer die Nationalhymne, inkl. Text, zusätzlichen Strophen, Akkorde werden interessanterweise klingend (nicht transponierend) dargestellt, so dass alle Musiker (Bb-Stimmen & Begleitung in C) aus einem Notenblatt spielen könnten. Weitere Stücke der Kapitel sind meist sehr traditionelle Folklore und abschließend ein Ausschnitt aus einem klassischen Werk eines landestypischen Komponisten. Für Deutschland sind es: „Das Lied der Deutschen“, „Das Wandern ist des Müllers Lust“, „Hamborger Veermaster“, „Unser oide Kath“, „Gaudeamus igitur“, „Air on the G String“. Für Österreich z.B. „Österreichische Bundeshymne“, „In da Molltalleiten“, „Flascherl Wein“, „Tiroler san lustig“, „Mozart Klarinettenkonzert“, „Wien bleibt Wien“, „G’schichten aus dem Wienerwald“.

Anhand dieser Beispiele wird wohl klar um was es geht: Zum allergrößten Teil sehr alte, sehr traditionelle Volksmusik, sogar schon so alt, dass viele Landesbewohner das Musikmaterial gar nicht mehr als eigene Musiktradition erkennen dürften. Oder welche Deutsche kennt bitte „Veermaster“ oder „Oide Kath“. Und auch wenn man die eigene Nationalhymne kennt oder auch „Müller’s Lust“, wer will das bitte freiwillig singen oder mehrstimmig spielen? Und da sind wir beim Problem dieser Sammlung: Eigentlich eine nette, völkerverbindende Idee, aber man kann die Musikkultur eines Landes eben nicht auf ein paar Lieder reduzieren und schon gleich gar nicht auf die Nationalhymne und jahrhundertealte Folklore. Irgendwas halbwegs zeitgenössisches pro Land wäre da hilfreich gewesen und wenn’s auch nur irgendein oller Beitrag vom ESC gewesen wäre. Aber BRD ohne Udo Lindenberg, Österreich ohne STS, Britannien ohne Beatles, Schweden ohne ABBA, Frankreich ohne einen einzigen Chanson? Kommt dazu, dass man von den meisten Ländern die Texte nicht sprechen/singen kann und auch nicht versteht. Irgendwie unbefriedigend.

Fazit: Eigentlich eine gute Idee, aber in der Umsetzung ein ziemlich akademisches Projekt ohne besonderen praktischen Wert. Eher was für’s Goethe-Institut, eine internationale Schule oder die städtische Bücherei. Echte Praktiker mit Freude an fremdländischer, europäischer Musik sollten sich lieber selbst auf die Reise/Suche machen. Das ist erfreulicher und es kommt vermutlich mehr dabei raus, denn die Kultur Europas zeichnet sich durch lebendige, regionale Vielfalt aus und nicht durch die Reduktion auf eine kleine Auswahl veralteter, nationalstaatlicher Beispiele, mögen sie noch so gut arrangiert sein. Gebt das Feuer weiter, nicht die Asche!

„Europa in Noten erscheint bei DUX, hat 278 Seiten und kostet 35 €.

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