Noten: „Songs für alle“ – Manfred Rehm (Hg.)

Der Musiktherapeut Manfred Rehm hat eine Liedersammlung mit einfachem, großen Druckbild für Menschen mit jeglicher Beeinträchtigung zusammengestellt. Es beinhaltet 60 Songs und Lieder aus den Bereichen Liedermacher, Folk, Pop, Rock, Schlager, Chanson, Gospel und auch zwei deutsche Volkslieder. Es erscheint in zwei Ausgaben, einmal Text und Akkorde, einmal eine günstigere Fassung nur mit Text. Die Tonarten weichen von den Originalvorlagen ab und wurden zur Vereinfachung in singbare und (für Gitarre) spielbare Bereiche transponiert. Das Druckbild ist einfach und übersichtlich, Noten gibt es in beiden Ausgaben nicht, bei der Fassung mit Akkorden wurden einfache Akkordsymbole ohne Griffschemata über die entsprechende Textstelle gesetzt (z.B. C oder Am). Schriftgröße entspricht ca. 14 oder 16 Punt, Satz leider in schlecht lesbarer Helvetica ohne Serifen.

Lieder und Songsammlungen stehen und fallen mit der inhaltlichen Auswahl. Rehm hat sich für uralte Lieder und Songs entschieden, teilweise stammen sie aus dem 19. Jahrhundert, zum größten Teil immerhin aus den 1960er und 1970er Jahre. Man kann sie unter dem Schlagwort „Lagerfeuerklassiker der 70er & 80er“ zusammenfassen und das ist höchst bedauerlich. Es sind allesamt abgestandene Gassenhauer, bei denen das Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen ist. Menschen jünger als 50 Jahre werden vieles davon nicht einmal kennen.

Andererseits wurden wirklich naheliegende Lieder komplett übergangen. Anbieten würden sich zu dem im Vorwort formulierte Zweck selbstverständlich Kanons und Mantras, weil die Melodien eingängig sind, aus wenig oder gar keinem Text bestehen und damit trotz einfacher Mittel eine beeindruckende Klangfülle inkl. Gemeinschaftsgefühl entstehen kann. Dafür sind dann nicht einmal Begleitinstrumente erforderlich, weil die Harmonien von selbst durch die Verteilung der Stimmen entstehen. Es fehlen leider auch Lieder, die sich im Verlauf der Jahreszeiten oder Festtage einsetzen lassen: Frühlingslieder, Herbstlieder, St. Martin, Advent, Weihnachten, Geburtstag, Freude, Trauer, Reisen, Wander-, Ruhe- oder Einschlaflieder, nichts zu finden.

Unter Songwritern und Liedermachern versteht Rehm tatsächlich Bob Dylan, John Denver, Hannes Wader und Reinhard Mey, die in den 1960ern aktuell waren und heutzutage die 80 erreicht haben oder gar nicht mehr leben. Dazu die elenden Füllstücke (weil copyrightfrei) „Tell it to the Mountains“, „Michael row the boat“, “Nobody knows”, “Oh when the Saints”, da fehlt eigentlich nur noch “Tom Dooley”.

Warum sind nicht etwas aktuellere deutsche Liedermacher /Bands dabei? Von Nena bis Udo Lindenberg, von NDW (!) bis Wir sind Helden, Silbermond, Clueso, Tim Bendzko, Winzent Weiss oder wie sie alle heißen. Auch in den 1990ern, 00er oder 2010er Jahren wurden ja viele schöne Songs veröffentlicht und sind längst ins kollektive Gedächtnis eingedrungen. Oder richtet sich das Buch doch eher an Geriatriepatienten, dafür sind dann aber zu viele englische Songs und Dialektlieder dabei.

Fazit: Die Idee ist eigentlich gut, die musikalische Fach- und Repertoirekenntnis des Autors aber deutlich zu begrenzt. So ist die Songsammlung ein altmodisches 08/15-Songbook im simplifizierten Großformat. Und wer sagt eigentlich, dass Notation nicht auch Menschen nützt, die Notenhöhen nicht genauestens entziffern können? Viele altgewordene Laienchöre bestehen fast nur aus Sängern mit rudimentären Notenlesefähigkeiten und nutzen das Notenblatt trotzdem als Hilfestellung.

Das Heft erscheint in praktischer Ringbindung, jedes Lied ist auf ein oder zwei Buchseiten abgedruckt, ein Umblättern während des Musizierens ist deswegen nicht erforderlich.

„Songs für alle“ (Textbuch / Textbuch mit Akkorden) erscheint bei DUX und kostet 19,80/24,80€.

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