Buch: „Das Würzburger Käppele“ – Johannes Sander

Johannes Sander hat Geschichte und Kunstgeschichte studiert und ist Privatdozent an der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg. Seit vielen Jahren hält er Vorlesungen und veröffentlicht wissenschaftliche Fachbücher zur (Kirchen-) Baugeschichte Würzburgs, zuletzt zum „Würzburger Dom im Mittelalter“ (2021).

Das Würzburger Käppele auf dem Nikolausberg gehört zusammen mit der benachbarten Festung auf dem Marienberg zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten und Baudenkmälern der alten Bischofsstadt Würzburg am Main und kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Erste Anfänge lassen sich auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts datieren, rasch wurde gebaut und immer wieder erweitert, seit Jahrhunderten führen Wallfahrten aus umliegenden Gemeinden zu Stationsweg, Wallfahrtskirche und Gnadenkapelle.

Den Auftrag zur Erstellung einer umfangreichen Schrift zu Geschichte und Entwicklung des Würzburger Käppeles anhand vieler bekannter, aber auch neu erschlossener Quellen erhielt der Autor vom Würzburger Diözesangeschichtsverein anlässlich des 200. Jahrestags der Weihe am 21. September 1824. Der Untertitel fasst den Inhalt des Buches knapp zusammen: Wallfahrt – Architektur – Kunst. Die Schrift ist unterteilt in drei Großkapitel: A. Methodische Einführung, B. Geschichte des Käppele, C. Anhang (mit Quellenverzeichnis). Der Hauptteil zur Geschichte (B) umfasst zwölf Kapitel auf ca. 400 Buchseiten.

Wie zu erwarten ist der Hauptteil chronologisch geordnet, beginnt mit ersten Wundererscheinungen, Baulichkeiten, Vesperbild und dem ersten erhaltenen Altarbild. Auf Basis historischer Berichte erfahren wir von den Anfängen der Wallfahrten, der ersten Gnadenkappelle und dem Bau der neuen Wallfahrtskirche. Dazu kommen der Stationsweg und die Rolle der Kapuziner. Gezeichnet wird der weitere, bewegte Weg durch schwierige Zeiten: Säkularisation, erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit. Die Betrachtungen beruhen zum Teil auf bisherigen Veröffentlichungen, besonders da, wo Primärquellen fehlen oder verloren gegangen sind. Die Aussagen vorangegangener Forschungen werden nicht nur erwähnt, sondern auch kritisch bewertet und zusammen mit neuen Erkenntnissen immer wieder in Zusammenhang gebracht und geschichtlich eingeordnet. Ausgesprochen lobenswert und hervorzuheben ist die vermutlich mühsame, sehr umfängliche und dadurch äußerst aufschlussreiche Erschließung neuer Quellen, insbesondere die aus den Archiven der Kapuziner erhaltenen (Ab-) Rechnungen, die im Originaltext zwar sehr buchhalterisch wirken, aber von Sander klug dechiffriert, kontextualisiert und aus ihnen erhellende Tatsachen und Zusammenhänge abgeleitet werden.

Betrachtet werden neben den architektonischen Entwicklungen auch die Innenausstattung, d.h. Fresken, Gemälde, Plastiken, Stuckornamente u.v.m. Dazu gibt es viele, zum größten Teil farbliche Abbildungen: Fotografien, Gemälde und architektonische Pläne (sog. Risse), allerdings von z.T. sehr unterschiedlicher Qualität. Kurioserweise sind gerade die historischen Abbildungen fast immer deutlich aussagekräftiger als die zeitgenössischen Fotografien, die leider oft matt und unterbelichtet wirken.

Die umfangreiche Schrift ist eine Herausforderung für den interessierten Leser, man muss Würzburg und sein Käppele schon sehr schätzen um sich durch knapp 500 Seiten anspruchsvollen geschichtswissenschaftlichen Text zu arbeiten. Jedoch wird einem die Lektüre auch erleichtert, weil Sander neben dem bemerkenswerten Inhalt einen eloquenten, feinen und präzisen Schreibstil pflegt, der einem hin und wieder ein Schmunzeln auf die Lippen zaubert. Man kann sich ja vorstellen wie viel trockene Archivarbeit erforderlich ist, um ein solches Werk zu erstellen, da ist es schön zu sehen, dass der Autor mit so viel Herz, Energie und ehrlichem Interesse dabei ist. Es ist von Anfang an und auf jeder Buchseite deutlich zu spüren, wie sehr sich Sander auf das Projekt eingelassen hat, wie oft er die Anlage besucht und erkundet haben muss, wie genau er nicht nur die Quellen, sondern auch die Objekte selbst betrachtet hat. Diese offensichtliche Mühe, Genauigkeit und Liebe zum Detail lässt sich nur allzu deutlich in der tadellosen Niederschrift wiederfinden und macht die Lektüre so zu einer wahren Freude.

Fazit: Sander ist mit seinem Forschungsprojekt und der dazugehörigen Schrift ein wichtiger Beitrag zur Diözesen- und Stadtgeschichte Würzburgs gelungen und man kann sich nur wünschen, dass möglichst viele Geistliche, Historiker, Wallfahrer, Gästeführer und viele andere sein Buch kaufen, in die Hand nehmen und zumindest ausschnittsweise auch lesen. Ein wichtiger und hochseriöser Beitrag in der Buchreihe „Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg“.

Das gebundene Buch hat 552 Seiten, erscheint im Verlag echter und kostet 44 Euro. Das ist nicht günstig, aber in diesem Fall seinen Preis wert.

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