Dirk Bleyer ist Fotojournalist und Reiseerzähler. Soeben wurde ein prächtiger Fotoband von ihm bei National Geographic veröffentlicht, der sich mit dem polnischen Landstrich Masuren beschäftigt. Die darin enthaltenen Fotos stammen von Bleyer und seiner Frau Anete Szydlak-Bleyer (die allerdings nur Impressum erwähnt wird), die durchaus ansprechenden Texte stammen von der Autorin Mia Raben.
Das Buch startet, ohne viele Worte zu verlieren, mit einigen sehr stimmungsvollen Fotos, es folgen Inhalt, Vorwort und Einleitung. Die übergeordneten Kapitelüberschriften lauten: Ermland, Masuren Westen, Im Herzen Masurens, Masurens Norden und Osten. So nüchtern diese auf den ersten Blick erscheinen, so eindrucksvoll sind die darin enthaltenen Fotos und Texte. Allerdings kommt zuerst ein knappes Vorwort der deutschen Schauspielerin und Künstlerin Veruschka von Lehndorff, Jahrgang 1939. Sie verbrachte ihre frühe Kindheit in den Masuren und teilt einige nostalgische Erinnerungen mit dem Leser. In der Einleitung von Mia Raben, die auch mit Fotos bestückt ist, wird unter anderem die wechselhafte Geschichte der Region umrissen. Allerdings wird hier, ebenso wie in den begeleitenden Fotos, ein fast schon verklärendes Bild gezeichnet. Die grausamen Zeiten nationalsozialistischer und sowjet-russischer Oppression werden gerade mal in 2-3 Sätzen abgehandelt. Stattdessen wird – wie schon im Vorwort – eine romantisierende, fast schon schönfärberische Perspektive in Bild und Text gepflegt.
Herauskommt eine eindrucksvolle, wohl komponierte und harmonische Zusammenstellung von weich gezeichneten Fotographien mit anmutiger textlicher Begleitung. So sehr man es den Bewohnern der Masuren gönnt, dass ihr Alltag tatsächlich so ausgewogen und balanciert sein möge, so kann man sich als Betrachter und Leser des Eindrucks nicht erwehren, dass bei der Auswahl so gut wie alle unschönen, unfeinen und unansehnlichen Motive bewusst und vorsätzlich ausgeblendet wurden. Man spürt bereits nach einigen Seiten die Absenz von Dreck, Hässlichkeit, Dunkelheit, Abgründigkeit und Tristesse. Ohne diese düsteren Gegenüber wirken dann auch die farbsatten, perfekten Bilder irgendwann etwas eindimensional und banal, ja, sie sind in ihrer Summe einfach zu schön um wahr zu sein, auch wenn jedes einzelne für sich durchaus seinen Reiz hat und handwerklich anstandslos gearbeitet wurde. Es fehlt ein Element, das Kunst erst groß und herausragend macht: Ambivalenz.
Das ist allerdings ein Jammern auf hohem Niveau. Grundsätzlich kann der Band jedem empfohlen werden, der an Landschaftsfotographie insbesondere im osteuropäischen Raum interessiert ist. Ein etwas nostalgischer Fotoband für Vertriebene der zweiten und dritten Generation.
Der gebundene Prachtband erscheint bei National Geographic, hat 220 Seiten und kostet 39,99 Euro.
Eine Kunstposition könnte ja gerade sein, überperfekte Fotos zu machen und zu präsentieren. So perfekt, daß sie schon wieder irritieren und man sich fragt, was man da eigentlich sieht.
@Gerhard: So ist das beim vorliegenden Band aber ziemlich sicher nicht gemeint. Hier wird eine heile Welt vorgegaukelt.