Als ich das neue Album „Retriever“ der schwedischen Band Vita Bergen in meinen CD-Player legte, auf Start drückte und die ersten Klänge aus den Boxen schallten, hatte ich für mehrere Sekunden den Eindruck hier hätte sich ein Familienmitglied einen kleinen Scherz mit mir erlaubt. Billige Synthieklänge und ein blecherner, programmierter Drumbeat. Ich dachte, gleich setzt Helene Fischer mit dem Gesang ein, aber nein doch, deren Produktionen klingen eigentlich viel besser, so viel Fairness muss bei aller Abneigung sein.
Weichgespült waren die Gesänge dann aber doch allemal und versetzt mit einem furchtbaren Schlagerhall. Hilflos ließ ich die Musik erstmal weiterlaufen, vielleicht ist das alles postmodern-ironisch gemeint und gleich kommt die große Auflösung, haha, das konnte eigentlich nur ein Witz sein. Aber es ging immer so weiter, auch in weiteren Songs wird eine lange, vollkommen zu Recht vergessene DX7 meets Alesis-Quadraverb-Klangästhetik gefahren. Und das soll das nächste große Indie-Ding aus Schweden sein, dem Mutterland geschmackvoller Alternativen? Das behauptet zumindest das verantwortliche, deutsche Label Glitterhouse, aber irgendwie scheinen sie bei all dem Promostress vergessen zu haben mal kritisch in das Werk reinzuhören. Es ist nun wirklich gar nicht, was man von dem überwiegend für feine und besondere Produktionen bekannten Label erwartet hätte. Rolling Stone Magazin: „…zu drucklos-ungefähr, es fehlt das melodiöse High-End.“
Vielleicht war man beim Label auch etwas weniger wählerisch als sonst, wer wäre nicht gern dabei, wenn die „most talked about band“ und das „next big thing“ (Quelle: Glitterhouse) Fahrt aufnimmt. Nur kann man sich bei dem Album kaum einen Hörer vorstellen, der so was gerne kaufen und laufen lassen will. Selbst Freunden des deutschen Schlagers wäre das vermutlich musikalischen zu flach. Dann lieber gleich „Hunting High and Low“ (1985) von A-ha, das ist ehrlicher, tanzbarer und macht deutlich mehr Spaß.
Sorry Leute, aber das war ein Schuss in den Ofen. Hier noch das Video zum Song „J“ damit sich jeder selbst überzeugen kann. Wenn man den Ton abstellt, ist es einigermaßen erträglich.
Das Album (8 Tracks, gut 50 Min. Laufzeit) erscheint als Download oder als 180 gr. Vinyl bei Glitterhouse. Die Tour fand bereits im Januar 2017 statt, es besteht also keine Gefahr mehr.