Der US-amerikanischer Sachbuchautor James L. Dickerson hat seit Mitte der 1990er Jahre mehr als 30 Sachbücher und Biographien zu Musik aus den Südstaaten veröffentlicht darunter herausragende Titel über z.B. Scotty Moore, Lil Hardin Armstrong, Dixie Chicks, aber auch regional-kulturelle Themen wie „Memphis Going Down“ (2013), „Mojo Triangle“ (2005) und „Goin‘ Back to Memphis“ (1996). Nun hat er sich mit dem Musikmanager Colonel Tom Parker befasst, dem lebenslangen und karrierebestimmenden Manager Elvis Presleys, der mit seiner zwielichtigen und rücksichtslosen Agenda eine berüchtigte Figur der kommerziellen Verwertung populärer Musikkultur wurde. „Colonel Tom Parker: The Curious Life of Elvis Presley’s Eccentric Manager“ erschien 2018 im amerikanischen Original und im Frühjahr 2022 in deutscher Übersetzung.
Andreas Cornelis Dries van Kuijk war Ende der 1920er Jahre illegal aus den Niederlanden in die USA eingereist und hatte sich dort zu Tom Parker umbenannt. Er sollte im weiteren Verlauf seines Lebens nie eine legale Aufenthaltserlaubnis besitzen. Den Titel „Colonel“ erhielt er nach der erfolgreichen Wahlkampagne für den späteren Gouverneur von Louisiana Jimmie Davis. Parker stammte aus dem beruflichen Umfeld reisender Schausteller, hatte vielfältige Erfahrung und Kontakte, engagierte sich ab 1938 zum Konzertpromoter und schließlich zum persönlichen Manager von Musikern und vertrat Künstler wie Eddy Arnold, Tommy Sands und Hank Snow. 1955 stieß er auf den damals nur regional durch wenige Singles bekannten, blutjungen, nicht mal ganz volljährigen Rockabilly Sänger Elvis Presley, erkannte dessen Talent und wurde innerhalb weniger Wochen und Monate sein Manager mit allen erforderlichen Befugnissen.
Parker fädelte den Wechsel von SUN-Records zu RCA und die damit verbundene, hohe Ablöse ein, stellte Verbindungen zur Filmindustrie in Hollywood her, er organisierte Konzerttermine, Pressekonferenzen, TV-Auftritte, im weiteren Verlauf war er sogar mitverantwortlich für die Auswahl von Promo-Fotos, Merchandise, Filmstoffen und Songs. Er hatte sich vertraglich ungewöhnlich hohe Anteile gesichert und agierte skrupellos zu seinem eigenen, wirtschaftlichen Vorteil. Weil sich seine Beteiligungen an Filmen besonders lukrativ waren und noch dazu mit wenig Arbeit verbunden waren, wurde Presleys Konzerttätigkeit zuerst deutlich reduziert und im Verlaufe der 1960er Jahre nahezu komplett eingestellt. Auch höchstpersönliche Entscheidungen wie Militärdienst, etwaige Konzertreihen im Ausland oder gar Übersee, sowie die Hochzeit mit Priscilla wurden seitens Parkers massiv im eigenen Interesse gesteuert.
James L. Dickerson legt eine ausführliche Biographie und Dokumentation der Ereignisse vor. Die ersten 30 Jahre bis Anfang der 1950er Jahre sind allerdings schnell erzählt, weil sie größtenteils unbelegt im Dunkeln liegen. Im weiteren Verlauf ist die Geschichte eng mit der von Presley verbunden, auch wenn sich die beiden Figuren persönlich nicht sehr nahestanden. Immer wieder begegnen sie sich jahrelang nicht, so z.B. bereits am Anfang ihrer Zusammenarbeit während Presley Zeit als Soldat in Deutschland. Die große Frage ist immer wieder: Wie wäre wohl Presleys Karriere und auch sein Leben verlaufen, wenn sie nicht so stark von Parker gesteuert worden wäre? Hätte er es ohne Parkers Einsatz überhaupt geschafft eine anhaltende nationale Berühmtheit zu werden? Noch interessanter aber: Hätte er sich in anspruchsvolleren Stoffen besser als Schauspieler entwickeln können? Wie wären die künstlerisch verlorenen 1960er Jahre verlaufen? Hätte er mit der ursprünglichen Besetzung seiner Band ebedeutendere musikalische Impulse setzen können? Was hätte aus der vielversprechenden Phase Ende der 1960er („Comeback Special“, „Back in Memphis“) erwachsen können? Was hätte sich ohne die unendlichen, repetitiven Konzertreihen in Las Vegas in den 1970ern entwickeln können? Hätte Parker Elvis‘ körperlichen Verfall erkennen und aufhalten müssen/können? Das alles sind Fragen, die man sich als Leser stellt, die aber wohl leider unbeantwortet bleiben müssen.
Dickerson liefert sehr viele interne Daten über Vereinbarungen und Vertragsinhalte, die aber zum Teil schwer in ihrer Konsequenz zu ermessen sind. Klar wird jedoch über die ganze Länge des Buches hinweg, dass sich Parker unethisch verhalten und maßlos bereichert hat, was später ja auch von Gutachtern und einem Gerichtsurteil bestätigt wurde. Zugute kam ihm dabei, dass Elvis und seiner Vater Vernon anscheinend vollkommen naiv und ahnungslos waren, nichts in Frage gestellt haben, nie jemals einen Anwalt zur Überprüfung der Verträge einschalteten, sondern alle ihnen vorgelegten Dokumente teilnahmslos unterzeichneten. Immer wieder wird im Text auch über Verflechtungen oder Verpflichtungen zwischen Parker, Elvis und der Glücksspielmafia spekuliert. Auch Attentatsandrohung, FBI-Ermittlungen und Klagen vor Gericht spielen eine Rolle, verlaufen aber fast ausnahmslos im Sande.
Erst nach dem Tod von Elvis im Jahr 1976 übernimmt Priscilla die Geschäfte und bringt in einem Jahrelangen Prozess etwas Licht ins Dunkel. Sie trennt sich von Parker, der danach noch fast 20 Jahre weiterlebt und im Jahr 1997 einsam stirbt.
Fazit: Ausführliche, etwas langatmige Lektüre. Empfehlung nur für Die-Hard-Elvis-Fans. Gibt es die eigentlich noch?
Das Taschenbuch erscheint bei hannibal, hat 320 Seiten und kostet 25 Euro.