Buch: „Couchsurfing im Iran“ von Stephan Orth

CouchsurfingStephan Orth wurde 1979 geboren und studierte Anglistik, Wirtschaftswissenschaften und Psychologie in Deutschland, im Anschluss machte er einen Master of Journalism in Australien. Seit 2008 arbeitet er bei Spiel Online im Reise-Ressort. In seinem Buch „Couchsurfing im Iran“ berichtet er von einer achtwöchigen Reise kreuz und quer durch den Iran, die 2014 stattgefunden hat. Die Besonderheit dabei: Orth übernachtete fast ausschließlich bei Einheimischen, die einen einfachen Schlafplatz über die Online-Plattform „Couchsurfing“ angeboten haben. Außerdem erhob er zum Prinzip alles mitzumachen, was ihm von seinen Gastgebern angeboten würde und gab somit bewusst viel Gestaltungsspielraum aus der Hand bzw. überließ viel davon dem Zufall.

Die Reise beginnt irgendwann in Teheran, führt zur Küste nach Süden von da aus nach Osten, dann über Yazd an die westliche Landesgrenze, weiter nach Norden, über Isfahan in den Nordosten, westlich zum Kaptischen Meer und von da aus zurück nach Teheran zum Heimflug. Was ihn genau zu dieser etwas wirren Route bewegt, erfährt der Leser nicht. Auch über persönliche Motive, die Orth eine Reise in dieses Land antreten lassen, werden keine Angaben macht. Er äußert sich insgesamt sehr zurückhaltend über eigene Gefühle, gerne würde man erfahren was Land und Leute in ihm auslösen, ob sich etwas an seiner Sichtweise verändert. Stattdessen beschreibt Orth sachlich und ausführlich die Banalitäten und Routinen seiner speziellen Art der Unterkunft: Kontaktaufnahme, Smartphone-Kommunikation (teilweise in Sprechblasen dargestellt), erstes Treffen, Fahrt zum Quartier, Inaugenscheinnahme des Schlafplatzes, Kennenlernen von Freunden und Familie, gemeinsames Essen, Ausflüge und Lamentieren über politische und gesellschaftliche Umstände, Abschied, Repeat. Schon beim zweiten oder dritten Treffen mit einem Couchanbieter ist das ziemlich öde und wird im Verlauf nicht interessanter. Es kommt unweigerlich dazu, dass die Gastgeber und Gesprächspartner sich alle ziemlich ähneln. Es sind junge, studentische, internetaffine und westlich orientierte Menschen aus der aufgeschlossenen Bildungsschicht. Was im Verlauf der Lektüre immer mehr befremdet ist wie sich Orth als neutraler Chronist inszeniert. Das mag am Anfang der Reise noch okay gehen, gerade bei Reiseberichten ist aber ja der individuelle Blickwinkel der Clou. Welche Erlebnisse macht der Reisende, wie verändert sich seine Perspektive, welche Schlüsse zieht er aus seinen Erfahrungen, was lernt er über das Land, die Leute und was lernt er über sich selbst und sein Heimatland. Hier bleibt der Autor erschreckend farb- und meinungslos, pflegt einen berichtenden Reportageduktus und greift fast nicht in das Geschehen ein, fast wie ein Ethnologe, der landestypische Verhaltensweisen dokumentieren, aber nicht manipulieren will und sich deswegen weitgehend passiv, neutral und im Hintergrund (ver-) hält. Das ist auf die Dauer eines Buches dann doch etwas wenig und ermüdend und sein Schreibstil wirkt dem leider nicht entgegen. Orth erzählt tranig, wenig eloquent, ja fast pennälerhaft. Die Witze sind müde, komische Situation haben schwache Pointen, seine Vergleiche hinken und es finden sich Fehler („Tagesthemen“ laufen bei ihm im ZDF). Wenn so etwas von einem 16-jährigen Austauschschüler kommt, wäre es okay. Von einem Journalisten mit abgeschlossenem Fachstudium darf man eigentlich mehr erwarten. Oder hat er seinen Stil absichtlich dem SMS-, Twitter-, Facebook-Sprech seiner Generation angepasst? Dem Untertitel „Meine Reise hinter verschlossene Türen“ wird Orth rein faktisch gerecht, im übertragenen Sinne werden aber leider keine Durchgänge von ihm geöffnet.

Das Buch hat in der Mitte viele, farbige und zum Teil sehr stimmungsvolle Fotos. Im vorderen Umschlag ist es mit einer kompakten Karte ausgestattet, die einen die Routen auch kartographisch mitverfolgen lassen. Einen Blog oder weiterführende Informationen im Internet gibt es anscheinend nicht.

Das Buch erscheint bei Malik, hat 240 Seiten und kostet 14,99€.

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