Vor mittlerweile zwei Jahren habe ich mit dem Bassisten Camilo Goitia ein Musikprojekt gestartet. Wir hatten uns zuvor viel über Recordingssoftware, Produktionsflow, Mixstrategien und auch musikalische Inhalte ausgetauscht und wollten ein lang angelegtes Experiment unter speziellen Bedingungen wagen. Wir würden als gleichberechtigtes Produktionsteam, ohne eigentliche Band, Gastmusiker und auch ohne Budget arbeiten, Aufnahmen macht jeder bei sich daheim mit dem vorhandenen Equipment und Instrumentarium, neben Gitarre und Kontrabass würden vorzugsweise einfache Instrumente wie Ukulele, Glockenspiel, Xylophon und Melodika eingesetzt werden. Eigene Lieder hätten zu viele Möglichkeiten geboten, darum wollten wir uns auf eine in sich geschlossene Stilistik beschränken und sie neu interpretieren. Als Sänger und Songschreiber war mir persönlich wichtig, dass ich dabei über meinen Schatten springe, nicht auf meine etablierten Routinen zurückfalle, sondern auch bzgl. Inhalt und Material ein Risiko eingehe. So entschieden wir uns für Lieder der Neuen Deutschen Welle, eine Stilistik mit der ich als Musiker bisher keine oder nur sehr punktuelle Berührungspunkte hatte. Trotzdem gehören sowohl Camilo als auch ich zu einem Geburtsjahrgang, die diese außergewöhnlich kreative Phase der deutschen Popmusikgeschichte als Kinder hautnah miterleben durften.
Wir starteten mit „Das Modell“ von Kraftwerk und „Eisbär“ von Grauzone um herauszufinden, ob das Konzept tragfähig war und siehe da: Es funktionierte. Jeder arbeitete für sich, die Files und Arrangements wurden per Internet und USB-Stick hin und her geschickt und wir kamen relativ schnell zu einem präsentablen Ergebnis. Danach wagten wir uns auch an so komplexe Nummern wie „Rock me Amadeus“ von Falco oder „Da Da Da“ von Trio (gar nicht so minimalistisch wie immer angenommen). Den Prozess und unser Fortkommen haben wir immer wieder besprochen und reflektiert und dabei einen guten Workflow entwickelt. Weil unsere Kinder in denselben Kindergarten gehen, haben wir auch immer wieder vor der Tür des Kindergartens, in der Umkleide oder auf dem nahegelegenen Spielplatz gefachsimpelt. Es wurde ein kreativer und sehr konstruktiver Austausch und wir machten uns gegenseitig Mut die teilweise recht komplexen Vorlagen extrem zu reduzieren und dabei viel auszuprobieren und zu experimentieren.
In diesem Frühjahr hatten wir dann achteinhalb Nummern zusammen und haben entschieden sie als Album zusammenzufassen und als Download und Streams anzubieten. Das Album „NDW – Neue Deutsche Welle Wiederbesucht Folge 1“ des Produktionsteams Du & Ich erscheint voraussichtlich am 28. Juli 2015. Parallel zum Album wird auch ein Musikvideo zur Neuinterpretation des NDW-Klassikers „Da Da Da“ veröffentlicht. Der Ex-Mainfranke und Wahl-Cottbuser Ralf Schuster hat in mühevoller Kleinstarbeit einen echten Zeichentrickfilm in schwarz/weiß erstellt, der ebenfalls Ende Juli ins Netz gestellt wird. Es ist ein ungewöhnliches und sehr kunstvolles Musikvideo geworden, so viel kann ich jetzt schon verraten.
Abschließen lässt sich sagen, dass das Experiment auf ganzer Linie geglückt ist. Camilo Goitia konnte sein Talent für Beats, Percussion und Basslinien herausarbeiten, ich habe gelernt mehr zuzulassen, Dinge kommen zu lassen und ausgetretene instrumental-musikalische Pfade zu verlassen. Der Freundes- und Sympathisantenkreis hat im Laufe der Zeit auch Wind von der Sache bekommen und es sind bereits mehrere Produktionsaufträge für Demos, Einzelsongs und Minialben eingegangen, die bereits in Arbeit sind. Fazit: Öfter mal was Neues wagen!
sounds interesting.
cannot wait to see/listen to the results!
what i do not get:
in wie fern bist du denn mit dem material musikalisch oder inhaltlich ein risiko eingegangen?
NDW… bewegt sich doch auf wirklich sicherem terrain…
@MariUS-A: Risiko deswegen, weil NDW deutschsprachig ist (für mich als Sänger ungewohnt) und unter Musikern die Stilistik tendenziell als unterkomplex, unvirtuos, ja fast schon dilettantisch verstanden wird. Arrangements, Instrumentierung und Performance gelten als einfach, kindisch, kommerziell. Ich muss sagen, dass ich bis vor kurzem ähnliche Ansichten hatte. Das hat sich aber spätestens mit Start der Produktion gedreht. Wir wollten uns ja nicht über die NDW lustig machen oder sie parodieren. Wir wollten NDW als Musikstil ernst nehmen, erfassen und mit einfachen Mitteln kreativ neuinterpretieren. Ich hoffe, das ist uns gelungen. Wie ich soeben von meinem Onlinelabel erfahre steht das Album vermutlich schon im Verlauf dieser Woche, also früher als gedacht, im iTunesshop, es kann sich also jeder selbst ein Meinung bilden.
… „unter Musikern die Stilistik tendenziell als unterkomplex, unvirtuos, ja fast schon dilettantisch verstanden wird.“
… boy… das sind dann aber keine wirklichen
musicians/music-appreciators/music-lovers
sondern verbohrte, narrow-minded studied klassiker/jazzer…
makes me mad but @ the same time i feel sorry for them.
they sure missed out on a lotta fun.
well- and on an entire form of musical expression or more generally:
art.
@MariUS-A: Naja, Handwerker beurteilen eben nach handwerklichen Maßstäben und da knarzt und knurrt es bei der NDW natürlich schon im Gebälk: unausgebildete Singstimmen, kaum natürliche Instrumente, unkonventionelles Songwriting, sperrige, oftmals naive Texte, technisch einfache Instrumentalparts, so gut wie keine Soli, so was eben.
Dass das nicht nur kommerzielle Ware ist, sondern auch künstlerische Qualität hat, wurde – wie so oft – erst später und dann auch nicht allen klar. In den Lehrplänen von Schulen, Hochschulen oder Universitäten ist es jedenfalls bis jetzt nicht zu finden.
MariUS-A, come on, don’t talk about narrowmindedness in music. Everyone has his own taste…and surely you don’t miss a thing when you prefer certain types of music.
And when you have some preference about music that doesn’t mean necessarily that you don’t like the other types of music. It’s just like that: You stopped at a certain point of the road and where you are then, that’s your place. After a while you move on, maybe you’ll meet the old songs again, done in a different manner.
wie immer:
alles true was du „statest“!
😉
this:
leider fehlen in den curricula von allen genannten lehranstalten viele, viele currently important topics entweder ganz… oder müssten zeitgemäß aufgearbeitet werden…
oh- i just heard this in an interview w/ an excellent (metal) guitar player:
„every form of music deserves respect as long as they (he was referring to the musicians and i’d guess producers as well) put time in their craft and love what they do“.
always has been my motto.
got it!
1st buyer, bitches!
🙂