Hannes Fricke studierte Germanistik, Philosophie sowie Buchwissenschaft in Göttingen und München. Er hatte Lehraufträge an geisteswissenschaftlichen Fakultäten verschiedener Universitäten und arbeitet als Lektor im Philipp Reclam jun. Verlag. Das Buch „Mythos Gitarre“ erschien bereits Anfang 2013 bei Reclam. Das Buch startet mit einem kurzen, etwas wirren Intro in dem Fricke bereits den weiteren Erzählduktus vorlegt, danach folgen die Kapitel „Rock-Gitarre“, „Volksmusik und Folk“, „Jazz-Gitarre“, „Klassische Gitarre“ und endet mit dem sehr knappen und wiederum etwas wirren Schlusskapitel „Wie könnte es weitergehen?“. Im Anhang befinden sich eine subjektive Auswahl empfehlenswerter Literatur, CDs und DVDs, eine Zeittafel, ein Verweis auf Hörbeispiele (eingespielt vom Autor) und ein Personenregister.
Der Autor hat sich für dieses Büchlein eine Menge vorgenommen. Gemäß des Untertitels sollen „Geschichte, Interpreten, Sternstunden“ des populären Instruments stilübergreifend und über Jahrhunderte hinweg dargestellt werden, eine wahre Herkulesaufgabe. Fricke hat dafür eine ungewöhnliche Gliederung gewählt, operiert nicht historisch-chronologisch, sondern arbeitet sich quasi rückwärts in die Vergangenheit von der Rockgitarre, über Folkmusik und Jazz bis hin zur Klassik. Dabei vermischt er Betrachtungen von Gitarrenbauformen, Musikunterstilen, Spielweisen, Interpreten und zeitlichen Ebenen und wechselt im Schreibstil beständig zwischen überinformiertem Fanboy, oberflächlichem Fachjournalismus und populärwissenschaftlichem Privatforschertum. Das Narrativ ist extrem sprunghaft und assoziativ, sehr unlinear, fast ADHS-artig, gespickt von willkürlichen Gedankensprüngen und exzessivem Namedropping. Fast nie geht er gründlich an ein Thema heran, führt es näher aus oder setzt gesammelte Informationen, gewonnene Erkenntnisse und daraus resultierende Argumentation miteinander in Beziehung. Alles ist sehr anekdotenhaft, effekthascherisch, spitzfindig, kurzatmig. Ganz schlimm sind die Versuche einzelne, herausragende Albumeinspielungen oder Konzerterlebnisse musikkritisch zu erfassen, hier gerät Fricke deutlich an seine fachlichen Grenzen. Der Autor ist mit Leidenschaft und Fachkenntnis dabei, aber als Leser gewinnt man den Eindruck er verliert sich, hat keinen Blick für das große Ganze und stellt keine Zusammenhänge her, mäandert ziellos durch angesammeltes Halbwissen und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Eine zwar stellenweise anregende, oft aber auch ziellose und dadurch anstrengende Lektüre. Dem Thema „Mythos Gitarre“ kommt er auf diese Weise überhaupt nicht näher, vielmehr trägt er mit seiner unsortierten Sammlung von persönlichen Eindrücken selbst zur Verklärung und Mystifizierung des Instruments bei und das nicht zu irgendjemandes Vorteil. Man hat den Eindruck dem Autor, der selbst als Lektor tätig ist, hat bei seinem eigenen Buch ein kritischer Lektor gefehlt. Das ist sehr schade, denn ein persönliches Interesse am Thema Gitarre scheint tatsächlich die Antriebsfeder gewesen zu sein. Gerade bei einem promovierten Geisteswissenschaftler, der noch dazu im Verlagswesen tätig ist, hätte man aber durchaus erwarten können, dass er ein durchdachtes und gut konzipiertes Werk vorlegt, noch dazu bei einem so direkten Draht zum (renommierten) Verlag. So wie es ist, bleibt es ein zwar engagiertes, aber in seiner Aussage sehr limitiertes Schmökerbüchlein für Fans des Instruments, denen Anekdoten und Legenden wichtig, tiefere Zusammenhänge aber im Grunde egal sind.
Die im Buch enthaltenen Abbildungen sind s/w und kleinformatig. Die sieben Notenbeispiele sind korrekt, aber durchwegs sehr fragmentarisch (2-3 Takte, keine Spielanweisungen, TAB ohne Rhythmus), die im Anhang angegebenen Hörbeispiele wurden vom Autor selbst eingespielt, sind vermutlich gut gemeint, aber nicht annähernd ein ernstzunehmender Ersatz für die Originaleinspielungen. Es bleibt unklar, was der Autor damit bezwecken wollte.
Das Taschenbuch erscheint im Reclam, hat 239 Seiten und kostet 9,95 Euro.
Ganz schöner Verriss!
@Gerhard: Eine kritische Rezension vom Fachmann kann der Autor Hannes Fricke als promovierter Geisteswissenschafter und Verlagsmitarbeiter schon mal aushalten, da mache ich mir keine Sorgen. Vielleicht freut er sich sogar über die verspätete Reaktion und den kritischen Diskurs.
Das Büchlein ist zwar nicht fehlerhaft, aber weder aus musikgeschichtlicher noch kulturwissenschaftlicher Sicht stimmig oder ergiebig. Es genügt inhaltlich und strukturell nicht einmal populärwissenschaftlichen Kriterien. Und für eine lapidare Anekdotensammlung ist der Sprachduktus zu kompliziert und der Titel viel zu hoch gehängt. Am schlimmsten ist aber wirklich das ewige inhaltliche Rumgehoppse, es führt nirgendwohin und man wird beim Lesen ganz kirre.
adhs artig gefällt mit – schreibe ja selbst so hehe
@Bernhard: Ja, kann ich bestätigen. Ist bei dir aber unterhaltsamer, har har.
dennis, another GREAT write-up i thoroughly enjoyed.
time and again we have proof that it is NOT a given that highly studied folks automatically come forward w/ well thought through material.
bummer!
i mean… really, wtf?
i just wish books poorly compiled like these wouldn’t even see the light of day to begin with.