Wie im Fieber: Country, Blues, Jazz, whatever

Am letzten Donnerstag war ein Konzert der Dennis Schütze Combo bei Vischers Blues Jam in Nürnberg angesetzt. So weit, so gut, schöne Aussichten könnte man meinen, hätte mich nicht zwei Tage vorher ein fieses, fränkisches Fieber niedergestreckt. Im Laufe des Dienstags dachte ich noch, komisch, geht alles ganz schön schwer heute, Kopf dröhnt, Hals schmerzt, liegt sicher am Klimawandel, am Feinstaub, am Ozon oder irgendwas. Abends brach dann das Fieber aus und es war klar, dass das jetzt in Sachen Rekonvaleszenz ziemlich knapp werden würde (48h). Von Di auf Mi plagten mich schlimmste Fieberschübe inkl. gruseliger, sich mit kleinsten Varianten immer wiederholende Albträume, aus denen ich schweißgebadet erwachte, um kurz danach wieder in einen komatösen Schlaf zu sinken. Mittwoch verbrachte ich fast komplett im Bett, in der Nacht auf Do das gleiche nochmal, 12h unruhiger Schlaf, langsam taten die Knochen weh. Leicht dehydriert und von Appetitlosigkeit geschwächt erwachte ich am Do, es ging mir längst noch nicht besser. Ich stand kurz davor den ersten Auftritt meines Lebens wegen Krankheit abzusagen, fiel dann aber – mit 39 °C Köpertemperatur – wieder zurück in einen bleiernen Tiefschlaf von dem ich erst am frühen Nachmittag erwachte. Telefonisch zögerte ich die Abfahrt zeitlich noch etwas hinaus und teilte meinen Mitmusikern mit, dass ich während der Hinfahrt vermutlich nicht ansprechbar sei. Ich duschte, packte meine Sachen und wurde am frühen Abend von meinem treuen Bassisten abgeholt. Im Regen/Schneematsch-Sturm kämpften wir uns über die Autobahn bis nach Nürnberg zum Vischers. Hatte vor der Abfahrt noch ein Ibuprofen eingeschmissen, irgendwie fühlte ich mich bei der Ankunft schon besser, vielleicht war es aber auch der sehr nette Empfang der Crew vor Ort inklusive Vischers Fritz und seinen wackeren Matrosen. Bühne und Technik war schon aufgebaut, ich packte die Gitarre aus, stöpselte ein, kurze Verschaufspause, das Publikum traf ein, nahm Platz, ich schmiss zur Sicherheit noch eine Pille ein und es ging los. Hatte mir vorgenommen im ersten Set sehr defensiv zu singen, bei den ersten beiden Songs klappte das auch noch, dann spürte ich wie ich einen Energieschub bekam, Zurückhaltung konnte ich nun getrost ablegen. Die Band, das Publikum, die Drogen, keine Ahnung was es genau war, aber auf einmal hörte ich jeden Ton wie in 3D, Atmung war frei, Stimme lief wie geölt und mit jedem Song besser. Jochen hatte einen geilen Sound, Camilo spielte lächelnd den Kontrabass und machte dazu seine typischen Tanzschrittchen auf kleinstem Raum. Zur Pause war ich total durchgeschwitzt, 15 Minuten ausruhen, ein frisches Getränk (und T-Shirt) und weiter ging’s.

Vischers2016Foto: Axel Scherm

Wir spielten mit enormer stilistischer Breite von Folk, Country, Blues, Westcoast- & Southern Rock bis zu Psycho- & Paranoiabilly. Große dynamische Spannbreite, Luft zum Atmen, ungefähr gleiche Anteile von vorbereiteten Arrangements und ausgedehnten, zum Teil sehr freien Improvisationen, poetische Klangtexturen, donnernde Verzerrungsorgien, you name it. Wir berauschten uns am eigenen Spiel, das Publikum war auf unserer Seite, so muss es sich anfühlen, wenn Musiker und Zuhörer zu einer Einheit verschmelzen. Vielleicht war es aber auch nur das mit chemischen Mitteln runter gedrückte Fieber und die Drogen, die zusammen genommen eine solch ungewohnte euphorische Ekstase in mir auslösten (Alkohol war nicht im Spiel).
Was auch immer wirklich geschehen sein mag an diesem Abend, nach dem Ende des zweiten Sets und einer Zugabe, gingen wir hochzufrieden und als gefeierte Gladiatoren von der Bühne des Clubs. Wir waren als Country Combo angekündigt gewesen und hatten in Vischers Blues Jam gespielt. Danach kam ein Vertreter eines renommierten Nürnberger Jazzclubs und fragte, ob wir 2017 bei ihnen spielen wollen, es hätte ihm so gut gefallen. Country, Blues, Jazz, whatever. Danke Nürnberg, wir stehen bereit.

PS: Heute geht’s mir schon wieder besser.

5 Gedanken zu „Wie im Fieber: Country, Blues, Jazz, whatever

  1. Klasse Dennis und ich war dabei.
    Der Tag, an dem eine Country Band gefragt wurde, ob sie in einem Jazz-Club spielen wolle. Schöner Titel für einen Roman.

    Übrigens, das ist nicht ein renommierter Nürnberger Jazzclub sondern DAS Nürnberger Jazz-Studio.

    Auszug aus der über 60jährigen Künstlerliste:
    – Max Greger
    – Hazy Osterwald
    – Joachim Ernst Berendt
    – Albert Nicholas
    – Albert Mangelsdorff
    – Count Basie
    – Chet Baker
    – Chico Freeman
    – Tomasz Stańk
    – Tim Berne
    – Marty Ehrlich

    Jahaaaaaaaa!

  2. Fever in Feber!
    „Was auch immer wirklich geschehen sein mag an diesem Abend“..da merkt man halt die Routine eines jungen alten Hasen. Gratulation!

  3. Lieber Dennis,
    wie gut beschrieben …Die Steigerung formidable in Szene gesetzt bis zum „musikalischen Rausch“…
    Ich hoffe, dass Du vollständig genesen bist…
    Herzlich
    Nannette

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