Mitte der Woche sind wir früh morgens aufgebrochen und über ein paar Zwischenstationen mit dem Zug Richtung Süden gefahren. In München wurden die Kinder am Bahnsteig an die Großmutter übergeben, dann ging’s direkt weiter über Kufstein in die Tiroler Landeshauptstadt und alpine Kulturmetropole Innsbruck. Ich war bereits Anfang August aus beruflichen Gründen (Hochzeit) für einen Tag dort gewesen und wollte danach unbedingt wieder kommen. Etlichen Würzburger Freunden und Bekannten hatten wir von unseren Plänen erzählt und die hatten uns mit allerhand, hochwillkommenen Tipps und Ratschlägen ausgestattet, noch dazu hatten wir Webseiten und einen aktuellen Reiseführer (Marco Polo: Tirol) konsultiert.Vorab hatten wir daher nebst Zugkarten auch schon die Übernachtung im pittoresken Hostel Nepomuks über dem traditionsreichen Cafe Munding gebucht und das war auch unsere erste Anlaufstation. Einchecken, frisch machen, umziehen und gleich wieder los, Innenstadt erkunden. Kleine Runde vor zum Inn, zum Goldenen Dachl, Hofgasse und rein zum Tiroler Volkskunstmuseum. Wir hatten bei unserem kurzen Abstecher ins Tourismusbüro einen aufwändig gestaltetes Prospektheft des „Musik Museums“ in die Hände bekommen, konnten es im Reiseführer jedoch nicht finden und wollten mal nachfragen. Die Angestellten des Volkskunstmuseum hatten noch nie davon gehört, obwohl auch bei ihnen das Prospekt auslag. Nach einigen Telefonaten wurde klar, dass es zwar ein Prospekt, aber kein entsprechendes Museum gibt. Das Prospekt basiert eher auf einer virtuellen Idee eines „Museums“, einer Zusammenstellung von Konzertterminen und einer käufliche zu erwerbenden CD-Albumreihe mit Aufnahmen von Musikern, die historisches auf historischen Instrumenten spielen. Aber wenn wir doch so sehr an Instrumenten etc. interessiert wären, so die Museumsangestellten, dann sollten wir doch zum Landesmuseum Ferdinandeum gehen, das umfasse nach Angaben der antelefonierten Kollegin auch altes Spielgerät aus regionaler Produktion, wäre auch nicht weit weg, rechts-links-rechts und dann direkt gegenüber der „Apothäckä“, so die in sprachlicher Hinsicht gar nicht so tirolerisch anmutende Angestellte im etwas ruppigem osteuropäischen Sprachduktus. Wir also hin, war wirklich nicht weit und dort wurden wir dann auch schon erwartet, offensichtlich war unser Besuch schon angekündigt worden. Ob wir den Betreuer des Musik Museums Dr. Franz Gratl sprechen wollten, ich hatte den Eindruck, dass ich als willkommener ausländischer Musikforscher mit konkretem Anliegen empfangen wurde. Äh, nicht sofort, meinte ich, erst würden wir gerne noch einen Blick auf die Sammlung werfen, schließlich wussten wir ja nicht mal im Ansatz worum es sich dabei eigentlich genau handelte. Die Dame war freundlich genug uns einen Blick auf die Sammlung im Obergeschoss werfen zu lassen, bevor ich vorstellig werden sollte. Wir also durch die anderen Sammlungen gehuscht, meiner Begleitung war etwas komisch zumute, wo war sie hier nur wieder mit mir reingeraten, ich dafür ganz in meinem Element als kritischer Klangkunstforscher in sakrosankter Mission. Die Sammlung fanden wir nachdem wir durch einen Ausstellungsbereich geirrt waren, der absichtlich wie ein Kunstdepot aufgebaut war, aber keines gewesen ist („Raus mir der Kunst“). Danach erwarteten uns zwei Reihen Streichinstrumente hinter blau-grauem, wahrscheinlich schalldichtem Panzerglas. Ja gut, äh, das war schnell besichtigt, anfassen, hören, riechen, nähere Inaugenscheinnahme fiel ja offensichtlich aus unter diesen Umständen.
Wir also wieder runter, vielen Dank auch für die Möglichkeit, CD-Reihe angesehen, pro Stück 18 Euro, öh nö, warum ein Landesmuseum das nicht kostenlos ins Netz stellt, keine Ahnung. Danach noch eine längere Runde gedreht, essen gegangen (Ludwig in der Mueumstraße (nette Lokation, freundliches Personal, Essen nicht so doll, Preise gepfeffert), dann umziehen und abends um 18.00 saßen wir in einer der hinteren Reihen im Allerseelen Konzert im Dom St. Jakob. Gegeben wurde Mozarts Requiem von Domchor und Domorchester unter der Leitung von Christoph Klemm. Hat mit gut gefallen, musikalisches Werk (düster), Raumklang (düster u. üppig) und Optik (üppiger, Gold überall) passten gut zusammen.
Am zweiten Tag nach Frühstück und Minishopping sind wir raus zur Glockengießerei und angeschlossenem Privatmuseum Grassmayr in der Leopoldstraße. Wurde im Reiseführer zwar erwähnt, aber nicht unbedingt empfohlen, stellte sich aber als absoluter Volltreffer heraus. Wir hatten das Glück, dass gerade eine Ministrantengruppe aus Südtirol eingetroffen war und sich zeigen und erklären lassen wollte, wie und wo die Glocken ihrer Kirchen hergestellt worden waren. So konnten wir uns in Absprache an eine Führung eines erfahrenen Glockengießers a.D. und Weltenerklärers (Hr. Grassmayr senior?) dranhängen. Alles wurde sehr lebendig dargestellt und man durfte dabei viel anfassen und immer wieder auch Glocken zum klingen bringen. Dabei kam viel aus Vor- Früh- und moderner Geschichte zu Sprache. Es ging um Materialien, Herstellungsprozesse, aber auch um Töne, Klangqualität und Stimmungen.
Nebenbei wurden auch aktuelle Projekte und Rekorde erwähnt, es wurden alte und neue Werkstätten bzw. -hallen besichtigt. Aktuell wird gerade eine 26 Tonnen schwere Glocke hergestellt, dafür werden rund 30 Tonnen Metall gebraucht. Hier der Blick in die historische Gießereiwerkstatt, die inzwischen nicht mehr benutzt wird.
Besonders interessant waren die unterschiedlichen Klänge von Eisen-, Aluminium-, zinnarmen und vollbronzenen Glocken und die Sichtbarmachung von Klangwellen auf der Oberfläche einer umgekehrten mit Wasser gefüllten Glocke.
Danach haben wir noch den unvermeidlichen Museumsladen durchlaufen, der in diesem besonderen Fall wirklich willkommen war. Neben aller Arten von Glocken gab’s auch noch diverse Gongs und viele verschiedene, sehr wohltönende Klangschalen von klein bis zur enormen Übergröße (Badewanne für 2-3 Personen), die sich in der Bauweise von Fernöstlichen hör- und sichtbar unterscheiden. Die Innsbrucker Ausgaben klingen warm, mittig und hell gleichzeitig, keine Ahnung wie das geht, aber so ist es. Übergrößen davon werden für medizinisch-therapeutische Zwecke eingesetzt.
Wir standen noch ein Weile und haben überlegt, ob wir eine besonders gelungenes Exemplar für 380 Euro kaufen sollten, es gab sich aber trotz längerem Bemühen keine Idee für einen praktischen Nutzen daheim und zum in die Ecke stellen war’s dann doch zu teuer und zu schwer. Vielleicht hätte ich doch zuschlagen sollen, muss ja nicht immer alles nützlich sein, sinnvoll reicht manchmal ja auch vollkommen aus.
und wieder ist die Welt etwas klarer geworden, schade eigentlich, wenn immer mehr Geheimnisse entschwinden…
@Bernhard: Das sind ja ganz neue Töne, hast du deine esoterische Seite entdeckt? Bist doch sonst immer so faktenverliebt.
surprise surprise
Schade, dass nicht gekauft wurde, nicht mal ne schnöde CD! Das muss morgen unbedingt anders werden!
@Gerhard: Ja, die Klangschale hat’s uns beiden schon gut gefallen, geht mir gerade nicht aus dem Kopf.
Bei den Tonträgern fiels schon bedeutend leichter. Ist die typische Kategorie wo man einmal halb reinhört und sich sagt: Interessant, muss ich irgendwann mal wieder hören und dann landet’s im hintersten Eck und staubt ein.
Viel besser war’s da am Bach Museum in Eisenach. Da wurde mehrmals am Tag, ich glaube stündlich, eine kleine Runde durch die verschiedenen ausgestellten Tastenintstrumente gemacht und ein qualifizierter Mitarbeiter spielte Präludien, Inventionen und Fughetten. Das war lebendig und eindrücklich, man hatte den direkten Vergleich zwischen Instrumenten, ungetrübt vom Aufnahmeprozess, noch dazu am Originalschauplatz. Das ist mir sehr positiv in Erinnerung geblieben.
Glaub ich!