Das Album „Still Here“ erscheint weltweit am Freitag, den 20.11.2020 auf allen gängigen Streamingportalen. Hier einige Anmerkungen zur Entstehung.
Der lange Weg zu „Still Here“
Ja, es stimmt. Ich habe inkl. ein paar Unterbrechungen mehr als zwei Jahre an der Albumproduktion „Still Here“ gearbeitet. Im Frühjahr 2018 habe ich die Songs, die sich bis dahin angesammelt hatten, zusammengesucht, ausgewählt, Tonarten und Tempi festgelegt und dann Vorproduktionen mit E-Piano und Gesang zum Klick aufgenommen. Sie dienen als Basis für die Schlagzeugspuren, die mein langjähriger Produktionspartner Jan Hees einspielt, und die wiederum sind dann der Anfang der eigentlichen Produktion. Die Schlagzeugspuren zu den Songs trudelten nacheinander im Verlauf einiger Wochen bei mir ein, aber irgendwie kam ich nicht in die Gänge und ständig kam etwas dazwischen. Teilweise musste ich mich noch an meine eigenen Songs gewöhnen, weil sie mir noch so neu und fremd waren. So verging der Sommer, dann kam der Herbst und danach der Winter. Bis auf ein paar einfache Akustikgitarren und programmierte Basslinien hatte sich nicht viel getan.
Anfang 2019 fiel dann meine Band auseinander. Das machte die Arbeit an der Produktion nicht gerade einfacher, hatte ich doch einige Songs riffiger als früher angelegt und dem Solisten auf den Leib geschrieben. Der war nun gar nicht mehr dabei und ich musste mir noch mal klar darüber werden, wohin ich bei den Arrangements und Aufnahmen eigentlich wollte. Mich selbst habe ich nie als besonderen Instrumentalisten oder gar Solisten verstanden. Bisher hatte ich, gerade für die Konzerte, bei fast jedem Song Platz für ein Solo von jemand anderem gelassen, jetzt ging ich den umgekehrten Schritt und strich die Solos aus den Arrangements heraus oder funktionierte sie um zu auskomponierten Instrumentalparts, zum Teil unisono, so wie ich es auf den Einspielungen meiner aktuellen Lieblingsmusiker und -bands selbst gerne hörte.
Im Frühjahr 2019 ging ich mit vier E-Gitarren, zwei Röhren-Verstärkern und vielen Bodeneffekten in ein Studio und schloss mich da drei volle Tage ein um am Stück alle Parts für alle Songs einzuspielen. Ich gab mir wirklich Mühe und es lief auch alles wie geplant, aber als ich mir das Ergebnis in den folgenden Wochen durchhörte, kickte mich das irgendwie gar nicht, es klang nach sauberem Handwerk, aber leider nicht inspiriert oder besonders. Ich legte die Produktion wieder zur Seite. Der-Afrika-Film und die Reise nach Tansania stand an und beides beschäftigte mich bis in den Herbst.
Inzwischen war klar, dass ich keine Band und keine Konzerte mehr hatte. Ich machte aus der Not eine Tugend und produziert nach meiner Rückkehr aus Afrika in nur wenigen Wochen das Album „One Man Band“ (2019). Die Songs waren schnell zusammengestellt, alles Sachen, die ich schon lange kannte und gerne spielte und in Solo-Besetzung funktionierten. Spaßfaktor war also garantiert. Herausforderung war es, die Songs in Eigenregie in meinem Wohnzimmer einzuspielen und einzusingen, inkl. der Harmoniestimmen und Perkussion. Hat geklappt.
Ende Dezember 2019 dann die große Langweile, aber immer noch keine Lust auf das brachliegende Album, das immer mehr zum Ballast wurde. Nach „Music from Star Wars“ (2015) mit den Musikstudenten hatte ich schon seit längerem eine Albumkollektion mit Bondsongs im Sinn. Zufällig erfuhr ich, dass der neue Bond „No Time To Die“ im April 2020 starten sollte. Also mal aus Interesse die Notenbücher mit Songs aus den alten Filmen bestellt, direkt nach Weihnachten wurden sie mir geliefert, an Heilige-Drei-Könige hatte ich die Vorproduktionen für neun Bondsongs aufgenommen und an den Schlagzeuger geschickt. Wieder kamen in den folgenden Tagen nacheinander die fertigen Drumspuren bei mir eingetrudelt.
Für die Aufnahme hatte ich mir vorgenommen ausschließlich eine billige, alte Resonatorgitarre zu verwenden, die seit einiger Zeit bei mir rumstand (hatte ich notgedrungen in Zahlung genommen). Ich wollte ja weg von den bombastischen Big Band / Orchester-Arrangements der Originaleinspielungen, hin zu einem reduzierten Vintage-Sound, da kam mir die nasale Blechkanne gerade recht. Aber es kam noch etwas anderes dazu.
Mitte Januar lernte ich bei einem Vortrag an der Musikhochschule die junge Cellistin Nina Clarissa Frenzel kennen. Wir unterhielten uns und vereinbarten eine erste Zusammenarbeit. Ich würde ihr mein Studio zeigen und sie bei der Gelegenheit etwas für mich einspielen. In den Tagen bis zu unserem Treffen schrieb ich Cello-Arrangements für die Bondsongs „Another Way to Die“, „Golden Eye“ und „Live and Let Die“ und siehe da, es funktionierte prima, wäre ich vorher nicht darauf gekommen. Mein Album „James Bond 007“ erschien pünktlich zur Absage des Films „No Time to Die“ im April 2020.
In den nächsten Monaten arbeiteten Nina und ich wie im Fieber an fünf Alben und etlichen Singles, insgesamt etwa 50 Tracks, darunter „Vom Ursprünglichen“, „Living in the Shadows“, „Miniaturen für Cello & Stimme“, „Pepito“. Ich lernte dabei immer besser das Klangspektrum und die Möglichkeiten des Cellos kennen. Mit Multilayering kann man damit komplette Streicherarrangements aufbauen.
Der Sound der Bond-Produktion brachte mich wieder zurück zu meinem eigenen Album, das nun ziemlich genau zwei Jahre in der Schublade bzw. auf der Festplatte lag. Zuerst löschte ich alle E-Gitarren und Sample-Bässe und startete von vorne mit den Schlagzeugspuren. Ab da ging es Schlag auf Schlag: Resonator-Gitarre im Splitting-Verfahren (Mikro/Pick Up), Cello von Nina, Piano mit neu angeschafften, sehr authentischen Sample-Sounds (NI), Orgel, Fender-E-Bass. Dann Leadgesänge und Harmoniestimmen, all das nahm vielleicht 6-8 Wochen mit jeweils 2-3 Rec-Sessions in Anspruch. Ab August wurde nur noch gemischt und gemastert, das dauerte zwar auch noch eine Weile, weil wir einen frischen Vintage-Sound fahren wollten und viel diskutiert und angepasst wurde, war aber in der Endphase von vorn bis hinten ein konstruktiver und kreativer Prozess.
Seit Beginn des Jahres 2020 haben mehrere Ausnahmesituationen mein Leben bestimmt: Corona, Lockdown, Absage aller Konzerte, Einbruch der Einnahmen, Homeschooling, mein Vater erkrankte schwer, wurde zum Pflegefall, meine Schwiegermutter verstarb, kurz darauf auch mein Vater, heftige Ereignisse für die gesamte Familie, die Nerven lagen blank, harte Zeiten. Musik und die Arbeit an Produktionen waren mein einziger Rückzugsraum. Kopfhörer auf und wenigsten für ein paar Stunden woanders. Das war in diesem Jahr meine Rettung, sonst wäre ich verrückt geworden und das ist kein Spruch.
Es waren letztendlich nur drei Personen an der kompletten Produktion beteiligt. Außer Nina am Cello und Jan am Schlagzeug, habe ich alle Stimmen selbst eingesungen und alle Instrumente selbst gespielt. Als alles im Kasten war, ist mir aufgefallen, dass kein einziges Liebeslied dabei ist, ein Thema über das ich sonst gerne schreibe und singe. Stattdessen geht es auf diesem Album um fundamentale Dinge des Lebens, zum Teil um die nackte Existenz, das ist für mich persönlich nicht sehr weit weg von meiner Realität.
Die Arbeit an diesem Album war langwierig und anstrengend und hat mir wieder einmal alles abverlangt. Als Hörer bekommt ihr alles, was ich zu geben hatte, mehr ging nicht. Ich musste das machen, ich musste das loswerden. Jetzt, da ich das Album fertig gestellt und losgelassen habe, ist es still hier, aber ich bin noch da. Immer noch.
Man Dennis das war ja ein richtiger Marathon.
So ein Projekt in diesem seltsamen Jahr abzuschließen ist vielleicht die beste Art dem allen was du und wir durchmachen mit den ganzen Einschränkungen und Tiefschlägen, Verlusten und Abschiednehmen von lieben Menschen (selbst erlebt) fertig zu werden.
Ich freue mich auf dein Album und werde die Werbetrommel fleißig rühren.
@Robbie: Danke für dein Interesse und deine Unterstützung. Ja, war ganz schön was los in 2020. Musik ist für mich die beste Eigentherapie. Hatte aber auch eine starkes Umfeld von Familie, Freunden, Unterstützern, das hat es überhaupt erst ermöglicht.
Gut das du es losgeworden bist!!
@Sandra: Auf zu neuen Ufern!
In einem Boot? Bin dabei!
Du ruderst und ich führe das Steuer!