Karen Page und ihr Ehemann Andrew Dornenburg sind ein preisgekröntes Kochbuchautorenteam aus den USA. Sie treten im amerikanischen Radio und Fernsehen auf und sind offensichtlich auch erfolgreiche Selbstvermarkter. „The Flavor Bible“ erschien erstmals 2008 im englischen Original. 2012 erschien es in deutscher Übersetzung, 2014 erschien nun die zweite, unveränderte Auflage im Verlag. Der einleitende Teil ist von hochtrabenden Zitaten internationaler Köche und Gastronomen durchsetzt und startet mit einem Vorwort der Autoren. Es wird mehrfach betont wie intensiv sich die beiden mit der Kochkunst befasst haben, es wurden Gespräche mit den „innovativsten Köchen des Landes [USA] und anderen Experten“ geführt. Es folgt eine interessante Einführung in der fundamentale Tatsachen des menschlichen Schmeckens erklärt werden (Geschmacksknospen, Mundgefühl, Aroma, Duft, Schärfe, Optik, Gefühl, Verstand, Seele), im Anschluss daran ein grundsätzliches Kapitel über die „Sprache der Speisen“. Danach startet der eigentliche lexikalische Teil, ab hier gibt es weder Zitate, noch Fotos. Die Eintragungen sind streng alphabetisch sortiert, es werden Stichworte gelistet, alle paar Seiten gibt es mal eine knappe, weiterführende Bemerkung in ganzen Sätzen am Seitenrand. Das ist alles sehr sachlich und aufs Wesentliche reduziert, teilweise werden spaltenweise banale Selbstverständlichkeiten gelistet, ungewöhnliche Angaben werden nicht näher dargelegt oder erklärt. Das Buch wird zwar durchaus seinem Anspruch gerecht (Lexikon), wirkt aber zumindest gewöhnungsbedürftig. Weil Fotos und Rezepte komplett fehlen, hat es ungefähr den Charme einer ernährungswissenschaftlichen Formelsammlung, sehr sinnlich oder anregend ist es erstmal nicht. Hier ein Beispiel:
Sauerkraut
Geschmack: sauer
Gewicht: mittel
Intensität: stark
Tipp: Sauerkraut ist gehobelter Kohl, fermentiert mit Salz und Gewürzen.
Äpfel, Knoblauch, Kümmel (ganz), Lorbeerblatt, Pfeffer (schwarz), Speck, Wacholderbeeren, Wein, Würste, Zwiebeln.
Ja, stimmt schon prinzipiell, aber man merkt schon, dass er wahrscheinlich mehr Eindruck hinterlässt, wenn man mal ein Packung Sauerkraut kauft, kostet, ein paar traditionelle Standardzubereitungen in Rezeptform einholt und von da aus selbst weiter ausprobiert. Genau dazu will das Buch ja auch animieren, ob der lexikalische Teil da zum entscheidenden Impulsgeber wird, ist wohl Typsache. Wer sich unsicher ist, kein Risiko eingehen will und etablierte Konventionen nachschlagen will, liegt hier aber richtig. Experimentierfreudige Entdecker sollten vielleicht lieber den regionalen Gemüsemarkt oder den lokalen Metzger des Vertrauens aufsuchen um sich inspirieren zu lassen. Auch ein spontaner Einkauf am Bauernmarkt, im Hofladen, Gewürzbasar und Asialaden, ein Snack am Foodtruck oder eine altmodische Mitbringfete kann da einiges bewirken. Man könnte ausgefallene Restaurants in der eigenen oder anderen Städten besuchen und/oder Reisen in fremde Länder unternehmen um neue kulinarische Eindrücke zu gewinnen. Aber darauf muss man anscheinend auch erstmal kommen. Das Autorenduo war vermutlich zu sehr damit beschäftigt Spitzenköche zu interviewen, Listen anzulegen und das Buch zu vermarkten.
Aus dem Englischen anstandslos übersetzt wurde von Ingeborg Dorsch. Ist vermutlich eine ungewöhnliche Aufgabe für sie gewesen.
Fazit: Gutgemeintes Regelbuch ohne Rezepte für erfahrene, aber verklemmte Hobbyköche.
„Das Lexikon der Aromen- und Geschmackskombinationen“ erscheint bei AT Verlag und kostet 19,99 €.