Karl-Georg Rötter über „Still Here“ (2020)

von Karl-Georg Rötter

Für sein neues Album hat sich Dennis Schütze ganz schön Zeit gelassen. Zwei Jahre hat er daran gearbeitet, zwischenzeitlich sind die Konzept-Alben „James Bond 007“ (2020) und „One Man Band“ (2019) entstanden. Nun meldet er sich mit eigenständigem Material zurück. „Still Here“ heißt das neue Werk und um es gleich mal vorweg zu nehmen: Das Warten hat sich gelohnt. Elf neue Songs sind auf „Still Here“ zu hören, allesamt eigene Kompositionen. Im Grunde ist das neue Werk auch eine Art Solo-Album, denn eine feste Band hat Dennis Schütze im Moment nicht mehr, nachdem die Vorgänger-Combo, der Alben wie „Unsong Songs“ (2014) oder „Electric Country Soul“ (2013) zu verdanken waren, nicht mehr existiert. Fast alle Instrumente hat Dennis selbst aufgenommen, als da wären: elektrische und akustische Gitarre, Piano, Orgel, Bass und Mundharmonika. Besonders zu erwähnen ist die Resonator-Gitarre, die hier prominent und ausführlich eingesetzt wird. Unterstützt haben ihn Jan Hees am Schlagzeug und die junge Dresdner Cellistin Nina Clarissa Frenzel. Vier Songs wurden im Trio, sieben in Duo-Besetzung aufgenommen.

„Discovery“ eröffnet das Album mit einem knackigen Rockriff, um die Songstruktur nach kurzer Zeit mit einem überraschenden freien Improteil zu brechen. Nach dem kurzen unerwarteten Intermezzo geht‘s dann aber rockig weiter. In Country-Gefilde führt „Hungry & Foolish“, in dem erstmals die Resonator-Gitarre zum Tragen kommt. Und Dennis streut ein feines Solo ein. Wer genau hinhört, wird sich an einen Song von Jackson Browne erinnert fühlen. „I‘m Still Here“ lässt‘s dann wieder dezent rocken. Es ist im Übrigen der erste von mehreren selbstreferentiellen Songs auf der Platte. So wie auch „Living is the Slowest Way to Die“, eine getragene, nachdenkliche Ballade. Aber niemand muss sich Angst um Dennis machen, schreibt er in den Liner Notes. Ihm geht es gut und das ist auch gut so. Der merkwürdige Songtitel „E7#9“ ist die funkbetonte Hommage an einen Gitarrenakkord, der von Bluesrockern ob seines dissonanten Klangs gerne verwendet wird. Auch Jimi Hendrix hat ihn gerne benutzt, was man Dennis‘ Referenz natürlich anhört. Dennis steuert bei dem Instrumental ein hörenswertes E-Gitarrensolo bei.

„My Granddad“ erzählt die Geschichte von Dennis‘ Opa, den er nur aus Erzählungen kennt. Hier lohnt es sich ganz besonders dem Text zuzuhören. Denn man lernt nicht nur einen „echten Typen“ kennen, sondern erfährt auch ein Stück Zeitgeschichte vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Echte Folksong-Tradition eben. Und nochmal wird‘s familiär (warum das auf diesem Album so ist, kann man an anderer Stelle in diesem Blog nachlesen). Diesmal geht es um die Urgroßeltern, die nach Kriegsende aus ihrer polnischen Heimat vertrieben wurden und als Flüchtlinge nach Berlin kamen. „Everybody Ought to Treat a Stranger Right“ hat außer dem Titel übrigens nichts mit dem gleichnamigen Ry-Cooder-Song von dessen Album „Prodigal Son“ zu tun. Das schwermütige bluesrockige Feeling untermalt die Thematik folgerichtig.

In „Count Myself Lucky“ wird‘s schließlich leicht rock‘n rollig mit einem gehörigen Schuss Countryfeeling. Es geht um‘s Abschiednehmen, aber mit einem optimistischen Blick in die Zukunft. In „Mississippi Queen“ frönt Dennis ganz staubtrocken dem Southern Rock, und in „Walkin‘ Talkin‘“ wird‘s dann Old-School-bluesig mit einer Gospel-Atmosphäre. John Lee Hooker und die Riege der Altmeister lassen grüßen. Der Blues hat seine Finger auch beim abschließenden Instrumental „Silver Mood“ im Spiel, das man sich auch gut als Musik zu einem Film vorstellen könnte.

Aus meiner Sicht ist „Still Here“ vielleicht das musikalisch vielseitigste Album, das Dennis Schütze bisher veröffentlicht hat. Auf jeden Fall ist das persönlichste, was sich besonders in den Texten niederschlägt, auf die man beim Zuhören achten sollte. Wer ein Faible für handgemachte Musik hat, sollte hier jedenfalls zugreifen.

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