Heute morgen war ich um 8:00 wach und habe mich fertig gemacht. Wir hatten nachts noch lose vereinbart, dass ich am heutigen Sonntag mit meinen neuen Bekannten zum Nach-Geburtstags-Bruch in einem angesagten Cafe um die Ecke gehen wuerde, aber die lagen alle noch im Bett, als ich um 9.30 meine Arbeit am Rechner im Hostel erledigt hatte und ich hatte Hunger. Habe mich also von Joes Frau, die als einzige schon wach war, verabschiedet und bin los. Kleines Fruehstueck on the way und dann zu meinem ersten Ziel, dem „Indianapolis Motor Speedway“. Diese Rennbahn ist legendaer, seit 1911 findet hier jaehrlich das 500-Meilen-Rennen statt, zum letzten Mal erst am Sonntag vor einer Woche vor ca. 500.000 Zuschauern. Das Mega-Spektakel war Gott sein Dank vorbei als ich heute am spaeten So-Vormittag am Speedway ankam. Als erstes gab’s eine Busfahrt einmal komplett um die ovale, 2,5 Meilen lange Runde. Insgesamt ein Riesenteil mit etlichen Tribuenen und Pitstops (leider ohne Boxenluder, die hatten heute anscheinend frei). Es gibt sogar einen Golfplatz der ueber den Rennstreifen fuehrt (bei Rennen keine Spiele). Danach noch ein Filmchen in der Hall of Fame und eine Ausstellung von fast allen Siegerrennwagen seit 1911.

Ich bin danach weiter nach Downtown gefahren zum Eiteljorg Museum of American Indians and Western Art, einem ganz edlen und modernen, neuen Gebaeude. Zur Zeit kann man dort die Sonderausstellung „Guitars! Roundups to Rockers“ besichtigen. Ich hatte davon in einer Unterhaltung bei der Geburstagsfeier im Hostel erfahren und es klang ganz interessant.

Ich muss sagen, das war die beste Ausstellung, die ich je zu diesem Tema gesehen habe (z.B. ‚Guitar Heroes‘ 2011 im Metropolitan Museum in New York) und laesst die ‚Rock and Roll Hall of Fame‘ in Cleveland ziemlich alt aussehen. Es war chronologisch gegliedert (ab ca. 1840 bis zur Gegenwart), zu sehen gab es historisch Instrumente aus verschiedenen Sammlungen, es ging von Harfengitarren, ueber alte Gibsons und Martins, Nationals und Dobros, Larsons, Strombergs und Fenders bis zu modernen Instrumenten. Dabei wurde eine Bauart immer eng gekoppelt mit prominenten Spielern und der entsprechenden Stilistik. Zu sehen waren Original-Gitarren von Woody Guthrie, Charlie Christian, Johnny Cash, Buddy Holly, Keith Richards, Hendrix, Kurt Cobain, Vince Gill usw., es war phantastisch. Alles war sehr gut aufgebaut und mehr als ordentlich beschildert (angegeben waren alle verfuegbaren Daten inkl. Modell, Baujahr, aus welcher Sammlung). Am Ende gab es eine grosse Papierwand mit der Ueberschrift „Who is your Guitar Hero“ auf der man sich verewigen konnte („Clapton is God“ war mehrmals darunter, aber auch viel „Django“). Daneben stand – quasi als Einstiegsdroge – ein grosser Bildschirm mit Spielkonsole und „Guitar Hero“ (als ich da war, daddelten sie gerade zu „Iron Man“ von Ozzy Osborne). Als Gitarrenlehrer muss ich sagen, dass ich diese relativ aktuelle Querverbindung sehr passend finde. Im Gegensatz zu anderen Spielen hat „Guitar Hero“ tatsaechlich einige Menschen zum GItarrespielen gebracht. Ich koennte da einige Beispiele aus meiner eigenen Schuelerschaft benennen. Nach der Gitarren-Tour war ich kurz im Museums-Cafe, dort (und im Giftshop) lief dezent, aber gut hoerbar, intelligent zusammengestellte Musik von potraitierten Kuenstlern der Gitarren-Ausstellung, darunter Bob Wills, Les Paul, Buddy Holly, Clapton, Nirvana usw., das hatte wirklich Klasse.
Ich bin nach einer kleinen Staerkung noch in zwei andere Ausstellungen im Haus namentlich „Art of the American West“ und „Native American Art“, beide sehr schoen anzusehen. Bin ja kein grosser Kunstkenner, musste mich aber nicht durchquaelen (wie oftmals daheim), sondern war sehr angenehm.
Danach zurueck ins Hostel und habe gerade noch die zweite Haelfte des Fussball-Freundschaftsspiels USA : BRD gesehen. Unser B-Nationalteam (ohne Bayern- und Dortmundspieler) hat 4:2 gegen Klinsmanns Truppe verloren, nicht so schlimm, immerhin durften die Jungen mal ran. Heute Abend ist noch ein Comedy-Abend im „Sinking Ship“ um die Ecke angesagt. 9.30, no cover, ich werde dabei sein. Bis dahin packe ich langsam meine Sachen, denn morgen geht’s zuerst mit dem Auto nach Chicago und dann mit dem Flieger nach Hause.
Huntington – Indianapolis
Gestern bin ich um 7.30 aufgestanden, weil ich vor meiner Weiterfahrt noch einiges vor hatte. Mit der Uebernachtung auf der Malabar Farm und der in Huntington hatte ich schon zwei komplette Tage keinen Zugang zum Internet gehabt. Ich musste dringend meine Route checken, Reservierungen machen, Mails lesen und den Blog pflegen. Weil es hier im Days Inn zwar WiFi, aber keinen oeffentlich zugaenglichen Computer gab, wollte ich auf eine Public Library ausweichen. An der Rezeption wurde ich an die Buecherei von Barboursville verwiesen, die lag relativ nah und auf meinem Weg. Ich war um 8.55 da, um 9.00 wurde geoeffnet. Nach knapp 2h war ich fertig und bin dann weiter zur Huntington Mall. Im Jahr 1988 war das immer ein Ereignis, wenn wir alle paar Wochen mal zur Mall gefahren sind. Es ist ein Einkaufszentrum mitten in der Pampa und es gibt dort Laeden fuer alle moeglichen modischen Sachen, vor allem viel Klamotten (Mode, Sport, Schuhe usw.), einen obligatorischen Foodcourt, aber keinen erwaehnenswerten Buch-, Zeitschriften- oder Musikladen. Habe eine paar Kleinigkeiten fuer die Familie eingekauft.
Auf dem Rueckweg habe ich noch bei dem Laden „Route 60 Music“ in Barboursville angehalten von dem mir eine ehemalige Mitschuelerin beim Klassentreffen erzaehlt hatte. Leider nicht allzuviel Vintage, aber brauchbares Sortiment. Habe mir eine Gibson „Robert Johnson“ geschnappt und den „Kind-hearted Woman Blues“ vor mich hingepickt. Da kam ploetzlich ein anderer Mann, nahm eine Dobro von der Wand und spielte wortlos Slide zu meinen Gedengel dazu. Blues in A, tierische Session. Der Mann ist Jeremy Short aus Huntington, lokaler Gitarrenlehrer und Ausnahmegitarrist. Wir haben zusammen noch ein paar andere Nummern gespielt („Hey Joe“), dann hat er mich dem Ladenbesitzer Paul Callicoat vorgestellt. Der war sehr, sehr nett und hat mir seine aktuelle CD „The Wayward Truth“ und ein T-Shirt des Ladens geschenkt. Ich habe mich herzlich bedankt und gesagt, dass es so schoen waere in den USA zu reisen, weil alle so freundlich und offen sind und er meinte: „We love people, we just love people, man, I don’t care if you’re black or white or jewish or muslim.“ Ich kann das besaetigen und werde versuchen etwas von dieser Mentalitaet mit nach hause zu nehmen. Es war jetzt schon spaet geworden und ich wollte ja noch weiter, deswegen bin ich dann los, zurueck nach Huntington und ueber die Bruecke rueber nach Ohio.

Ich fuhr entlang der Nordseite des Ohio Rivers Richtung Cincinatti. Hatte mich wieder fuer die ’scenic route‘ entschieden, es war wunderschoen. Um Cincinatti machte ich einen grossen Bogen und fuhr dann weiter ueber die Interstate 74 nach Indianapolis. So langsam habe ich das amerikanische Beschilderungssystem verstanden, es gab keine Probleme und ich fuhr mit kleinen Pausen durch bis zum „Indy Hostel“ in Indianapolis.
Als ich da ankam, passierte etwas Seltsames: Ich oeffnete die Tuer zum Hostel und stand – wie bei einer Surprise Party – mitten im Augen des Hurricans einer brodelnden Hausparty. Leute standen rum mit Drinks und unterhielten sich, mir wurde Essen und Trinken angeboten und Wohnzimmer spielte eine Folkband in Hawaii-Hemden Songs von Woody Guthrie.

Es stellte sich heraus, dass das Hostel und der Garten an diesem Abend vermietet worden waren und es sich tatsaechlich um eine Surprise-Party handelte, allerdings nicht fuer mich, sondern fuer Joe, der heute seinen 50. Geburtstag hatte. Zur Party eingeladen hatte mich seine Frau und, weil sich viele der Gaeste nicht kannten, war es kein Problem ins Gespraech zu kommen. Eine aeltere Dame erzaehlte mir, dass spaeter noch eine andere, professionellere Folk-Formation im Garten spielen wuerde und sie erzaehlte mir die Story von einem der Songs der Band und dass sie gefuellte Peppers mitgebracht haette und die solle ich doch unbedingt probieren. Ich war ziemlich bedient von 4h Autofahrt und lud mir erstmal eine Portion Jambalaya vom Buffet auf den Pappteller inkl. Peppers (war beides super) und dann begann auch schon das Konzert im Garten. Es spielten Tim Grimm (voc/git) und seine Frau (voc/harp). Sie leben seit vielen Jahren auf einer Farm in Indiana.

Tim schreibt die Songs und sie performen immer zu zweit, sehr schoen. Interessant war die Mikrophonierung. Sie stehen herum um ein einziges, empfindliches Kondensatormikrophon in das sie beide singen und musizieren. Die Gitarre selbst wurde nur minimal mit dem Pickup verstaerkt. Das ist uebrigens seit Jahrzehnten gaengige Praxis bei einigen, puristischen Bluegrass Bands: Da werden teilweise regelrechte Choreographien ausgefuehrt damit immer der Saenger oder Solist vorne dran steht (Prinzip: durch die Mitte kommen, dann seitlich ausweichen). Das Konzert war wunderbar und sehr beruehrend.
Nach dem Konzert habe ich noch mit allen moeglichen Leuten gequatscht, auch mit den beiden Musikern. Sie haben schon in Europa gespielt, wir haben Adressen ausgetauscht und evtl. ergibt sich was, wenn sie das naechste Mal da sind. Habe auch eine CD von ihnen geschenkt bekommen, leider war der Song mit der tollen Story nicht drauf. Das hat die nette Dame mit den Peppers mitbekommen und hat mir die entsprechende CD gekauft und geschenkt, vielen Dank! Unfassbar: An einem und demselben Tag haben mir drei Menschen unabhaengig voneinander CDs mit Musik geschenkt, die ihnen sehr viel bedeutet. Der Song heisst uebrigens „Perfect Getaway“ und ist auf der CD „Heart Land“.
Danach noch ein Absacker auf dem Front Porch mit dem harten Kern der Party (inkl. dem Geburtstagskind Joe). Bin dann um kurz nach 12 ins Bett, alles super, alles gut. Freue mich trotzdem langsam auf zu hause, morgen geht der Flieger.
Malabar Farm – South Point – Huntington
Gestern bin ich (wieder mal) frueh (8.20) losgefahren, diesmal von der Malabar Farm. Habe vorher dem Herbergsvater Mark noch eines seiner Gedichtheftchen abgekauft und mich von dem Pantomimen Geoffrey verabschiedet. Weiter ging’s Richtung Sueden, hatte eine ordentliche Fahrt (3,5h) vor mir und habe mich fuer kleinere Strassen entschieden, sehr ’scenic‘ wie die Amerikaner sagen. Als naechtes Ziel hatte ich den Ort eingeplant an dem ich im Jahr 1988 als Austauschschueler zur High School gegangen bin. Der Ort heisst South Point und wie der Name verraet liegt er am suedlichsten Zipfel von Ohio, direkt am Ohio River. Ich war verabredet mit Mrs. Sher, der Direktorin der Schule. Sie war an diesem Freitag extra fuer mich in die Schule gekommen, ich war etwas spaet dran, aber es war alles okay. Ich hatte schon im Vorfeld herausgefunden, dass bereits letzte Woche Graduation war, es sind hier also bereits Sommerferien, die Schueler sind zu hause und die Schule war ziemlich leer. Dazu kam noch, dass vor einigen Jahren eine neue Schule ausserhalb des Ortes errichtet wurde. Wir trafen uns also dort und Mrs. Sher zeigte mir den Neubau. Im Archiv fanden wir sogar das Yearbook der ‚Class of 1989‘, in dem ich auf einigen Fotos zu erkennen bin. Ich habe grosszuegigerweise ein Exemplar geschenkt bekommen (das Vorletzte). Danach fuhren wir Kolonne zum alten Schulgebaeude, das seit dem Umzug als viel zu grosser Office des ‚Boards of Education‘ dient. Tja, ich muss sagen, dass ich da schon etwas sentimental geworden bin. Bin noch alleine auf dem Gelaende in der prallen Hitze rumgelaufen und habe ich paar Fotos gemacht. Insbesondere vom Field, dem Sportplatz, auf dem ich damals viel Zeit verbacht habe. Bin dann kurz zum ehemaligen Haus meiner Gastfamilie, die dort seit 10 Jahren nicht mehr wohnt (konnte leider keinen Kontakt herstellen) und dann noch zu ‚Ted’s Barber Shop‘, der jetzt ‚Scott’s Barber Shop‘ heisst. Ich hatte mir dort als 16-jaehriger einen Flattop schneiden lassen, diesmal allerdings nur ein leichtes Trimming der Seiten, war nett.
Um 17.30 habe ich mich wieder mit Mrs. Sher getroffen, diesmal in Huntington in West Virginia, einer etwas groesseren Stadt auf der anderen Seite des Flusses. Sie hat mir bei einer Autofahrt (Amis laufen nicht gerne) Huntington gezeigt und danach sind wir in ihr Pravathaus auf der Suedseite der Stadt gefahren, sie hat mich ihrem Ehemann vorgestellt und wir haben uns ueber das amerikanische Bildungssystem unterhalten. Vielen Dank fuer die Gastfreundschaft!
Um 19.00 hatte ich allerdings noch ein Verabredung: Es war eine Art Mini-Klassentreffen der ‚Class of 89‘. Mein ehemaliger Klassenkamerad Todd hatte einige Leute eingeladen und wir haben uns zum Essen im „Max & Erma“ am neugestalteten ‚Pullman Plaza’in Huntington getroffen. Wir haben zusammen das Yearbook durchgeblaettert, uns ueber die 80er-Jahre-Frisuren kaputt gelacht und von der guten und nicht so guten, alten Zeit erzaehlt. War sehr schoen, vielen Dank dafuer.
Um 21.30 sind dann alle nach Hause gefahren. Fuer mich stand um 22.15 noch ein Konzert im V Club in Huntington an. Angesagt war der local hero Rick Huckaby, der zuerst alleine eine knackige Runde eigener Countrysongs von seinem neuen Album „Pistols & Diamonds“ sang und spaeter von einem Saenger/Gitarristen (Tracy…) unterstuetzt wurde bei dem das Publikum total ausrastete, ich kannte ihn nicht, aber war gut. Auch dabei: Ein hervorragender Fiddlespieler (Huck in der Mitte).

Was mich immer wieder umhaut: Wie sehr sich die Amerikaner fuer selbstgeschriebene Songs selbst in Mini-Besetzung begeistern koennen. Da sind im Publikum junge Leute (Twenty-Somethings), die begeistert mitgrooven und die Songs des brandneuen Albums auswendig und lautstark mitsingen. Fuer mich als Songschreiber schon sehr beruehrend. Danach ab ins Hotel, morgen geht’s weiter nach Indiana.
Detroit – Cleveland – Malabar Farm
Am Donnerstag bin ich frueh aufgestanden und habe das Hostel Detroit Richtung Sueden verlassen. Zuerst nach Toledo und dann weiter rum um den Lake Erie nach Cleveland, Ohio. Mein einziges Ziel in dieser Stadt war die ‚Rock and Roll Hall of Fame‘ mitten in der Stadt und direkt am See. War etwas schwierig einen Parkplatz zu finden, aber hat dann gepasst. 22$ Eintritt, ich habe mir ca. 3h Zeit dafuer genommen. Das Gebaeuden wurde extra fuer das Museum errichtet und hat 5 Levels und zur Zeit einige Extra-Austellungen (Chuck Berry, Ricky Nelson und Rolling Stones). Angefangen habe ich nach Plan im Keller mit dem 12 min. Film, danach dann viele Exponate in Glaskaesten, die gut beschildert waren. Das Ganze ist zwar so ungefaehr nach Chronologie und Regionen sortiert, aber insgesamt dann doch relative konfus, es gibt leider keine gefuehrte Tour, dafuer viele Stationen an denen Musik laeuft und die stehen oft viel zu dicht aneinander. Interessant sind die vielen Instrumente und einige der thematischen Exkurse (Alan Freed, Sun Records, Geschichte der Wiedergabegeraete von Musik seit 1890). Die eigentliche Hall of Fame geht so, ist einer Ruhmeshalle aus der alten Welt nachempfunden mit Unterschriften auf Plexiglas von alle Inductees an den Waenden und wirkt als Ehrung fuer R&R und Popkuenstler sehr konservativ. Wegen dem staendigen Gedudel und den Monitoren mit Filmchen habe ich bald Kopfweh bekommen und nach fast 3h war’s dann auch gut. Rein in die Karre und weiter Richtung Sueden.
Ich hatte von Detroit aus per Internet eine Reservierung in einem Hostel auf der Malabar Farm gebucht. Ich wusste nicht genau worum es sich dabei handelt, es war fuer mich ein guenstig gelegener Aussenposten der Hostelkette HI. Es stellte sich heraus, dass das kleine, schnuckelige Hostel mitten im Ohio State Park Malabar Farm liegt. Ich wurde empfangen von Mark, der nicht nur Herbergsvater, sondern auch Musikkritiker und Poet ist. Weil es noch relativ frueh war, wanderte ich auf seinen Tipp hin ueber eine ‚Dirt Road‘ zu dem feinen Restaurant ‚Malabar Farm Inn‘. Dort traf ich Geoffrey, den ich schon kurz im Hostel gesehen hatte und wir nahmen das Abendessen gemeinsam auf der sonnigen Terasse ein. Geoffrey ist Pantomime und Psychologe und wir hatten eine sehr unterhaltsames Gespraech. Kurz vor Sonnenuntergang wanderte ich dann zurueck zum Hostel. Dabei entsand dieses Bild.

Mark, Geoffrey und ich haben dann noch auf dem ‚Front Porch‘ des Hostels ueber Gott und die Welt weitergequatscht, ich habe mich ca. 23.00 verabschiedet und bin ins Bett, weil ich am naechsten Tag frueh los wollte. Hier ein Foto vom Hostel am naechsten Morgen, leider gerade keine Gans und kein Eichhoernchen zu sehen.

Urban Farming, Sgt. Pepperoni & Underground Resistance
Gestern wurde ich um kurz vor zehn von John am Hostel fuer einen Cruise durch Detroit abgeholt. Ich hatte ihn am Sa bei einem Konzert in „The Ark“ in Ann Arbor kennengelernt und wir haben uns dann per Mail verabredet. Wir sind als erstes zu seiner Tochter Emily gefahren und haben dort ihre Urban Farm „Singing Trees“ besichtigt. Die Farm ist wie ein sehr grosser Schrebergarten und gepflanzt wird da vor allem Gemuese und Kraeuter, aber auch Erdbeeren und einige Obstbaeume sind dabei. Sieht nach viel Arbeit aus. Hier ein Bild von John und Emily (das Knaeuel zu ihren Fuessen ist einer ihrer Hunde):

Die Nachbarschaft um das Idyll der Farm herum ist leider alles andere als friedlich oder beschaulich. Von Prostitution, ueber Drogenhandel, Raub, Vergewaltigung, Brandstiftung bis Mord und Totschlag ist alles dabei was man sich nicht wuenscht, aber Emily kommt zurecht und wirkte auf mich sehr zufrieden und zuversichtlich. Alles Gute fuer die Geburt des ersten Kinds im Juli.
John und ich sind dann weiter und haben uns noch andere Stadtteile angesehen darunter auch Mexican Town, wo Jack White herstammt. Zum Lunch sind wir wieder zu „Sgt. Pepperoni’s Pizzeria & Deli“ beim Majestic (Woodward). Wir haben was gegessen und dazu Dr. Pepper getrunken und irgendwann kam dann noch Papa Joe, hat sich zu uns gesetzt und von der guten (& schlechten), alten Zeit erzaehlt. Danach musste John wieder heim nach Ann Arbor und hat mich am Hostel abgesetzt, vielen Dank fuer diese persoenliche Tour und alles Gute.
Ich bin weiter zu den Headquarters von Submerge und des Technolabels Underground Resistance (East Grand Ave 3000). Im Shop im Keller habe ich ca. 45 Min. Technomusik auf mich einhaemmern lassen, danach gab’s dann noch eine persoenliche Einfuehrung in die Geschichte des Labels seit Anfang der 1990er Jahre von einem Mitarbeiter. Waren alles Schwarze, ich alter Ignorant dachte immer Techno stamme von Weissen, weil es so ungroovig/unsoulig ist und die Fans immer wieder auf Kraftwerk als Blue Print dieses Stils verweisen, naja, man lernt nie aus. Ist irdendwie trotzdem nicht meine Mucke, klingt alles so verdammt gleich (sorry!), deswegen bin dann ziemlich bald weiter und zwar ins Ausland.
Ja, richtig gelesen, ich bin mal auf einenen kleinen Abstecher rueber ueber die Ambassador Bridge nach Kanada, aber ich muss leider sagen: Da sieht’s haargenauso aus wie auf der US-amerikabnischen Seite. Nach ein paar Video-Shoots von der Uferseite rueber nach Detroit bin ich dann ziemlich schnell wieder zurueck. Kleines Paeuschen im Hostel und dann abends nochmal los zu dem alten Jazzclub Cliff Bell’s (2030 Park Ave), auf dem Programm stand das „Glenn Tucker Organ Trio“.
Toller Club und die Band war auch sehr gut (nur eigene Nummern), vielleicht etwas zu laut, aber das kann daran gelegen haben, dass an diesem Mittwochabend einfach zu wenig los war. Ich bin noch etwas im naechtlichen Downtown rumgestoplert und habe Fotos gemacht, danach zurueck ins Hostel. Morgen geht’s weiter nach Cleveland zur Rock and Roll Hall of Fame.
Motown: Hitsville U.S.A
Gestern bin ich nach einem kleinen Fruehstueck zum Motown Museum (West Grand Ave) gefahren. 10$ Eintritt, waren jede Menge Leute da und die Tour ging auch gleich los. Zur Einstimmung gab es einen ca. 25 min. Film ueber Barry Gordy und Motown. Danach ging’s in den ersten Stock und die Entstehungsgeschichte wurde sehr unterhaltsam dargebracht. Eine junge Schwarze erzaehlte und sang dabei immer wieder Lieder an und zeigte uns Signature-Tanzmooves der Four Tops und Temptations. Es gab einen kleinen Handclap- und Fingersschnipp-Soundcheck in der selbstgebauten Echokammer auf dem Dachboden und wir wurden durch Office, Aufenthaltsraum und Archiv des Hauses gefuehrt.

Herzstueck war dann der Kontrollraum und das Studio A im Keller in dem die allermeisten der vielen beruehmten Aufnahmen entstanden sind. Hier haben Smokey Robinson, Diana Ross, The Four Tops, Stevie Wonder und die Jackson Five aufgenommen. Die ganze Tourgruppe durfte dann unter flotter Anleitung „My Girl“ anstimmen und danach endete die Tout mit „Shop Around“ im Giftshop (T-Shirt und Motown Mug fuer mich). Bei der Tour war zufaellig auch eine junge Frau aus dem Hostel dabei gewesen, wir unterhielten uns und sind zusammen zum Lunch in die Pizzabude beim Majestic Theater (Woodard) gefahren.

Da haben wir dann den Chef „Papa Joe“ kennengelernt. Er ist ca. 80 Jahre, hat sich zu uns gesetzt und uns jede Menge alter Geschichten ueber die Strasse und das Viertel erzaehlt. Danach war ich noch beim Heidelberg Projekt, einem Strassenkunstprojekt bei dem viele unbewohnte Haeuser der Heidelberg Street phantasievoll umgestaltet und bemalt worden und kostenlos zu besichtigen sind. Bin dann alleine weiter ueber den Easter Market, der am Di-Nachmittag leider total verlassen war, deswegen zurueck ins Hostel. Wollte abends zwar nochmal weg, hab’s dann aber ruhig angehen lassen und den Abend mit einigen anderen Gaesten buchstaeblich verquatscht. Auch schoen. See ya‘.
Detroit City: Beauty in the badness
Am fruehen Nachmittag ging’s gestern los nach Detroit. Wegen des Feiertags „Memorial Day“ war alles auffallend ruhig, sogar der Roomservice im Lampost Inn hatte frei, weswegen ich den Check out etwas rausgezoegert und noch etwas an dem frei zugaenglichen Rechner geschrieben habe. Dann aber ab ins Auto und auf die Interstate 94 Richtung Osten.
Die Fahrt ging dann schneller als ich dachte, vorbei an Ypsilanti und schon passierte ich die Detroit City Limits. Hatte mir wieder vorher die Karte angeschaut und bin dann nach Gefuehl abgefahren. Kurz vorher waere ich aber fast falsch abgebogen auf die grosse Bruecke nach Kanada. Lag uebrigens daran, dass 75 Richtung Norden angeschrieben ist und die Strasse erstmal nach Osten fuehrt, aber egal, hat ja funktioniert.
Nach etwas Rumfahrerei habe ich dann bei einer Urban Farm angehalten wo zwei junge Leute gerade die Beete harkten und die haben mir den weiteren Weg gewiesen, ich war schon sehr nah dran. Das Hostel (2700 Vermont) habe ich anhand der Fotos im Internet gleich erkannt. Rein kommt man da nur mit einem Zahlencode, sowas wie eine Rezeption gibt es nicht. Innen wurde ich dann gleich freundlich von Ryan empfangen, der hier ein festes Zimmer hat und irgendwie zum Inventar gehoert. Cooler Typ, hat mir gleich eine Karte geschenkt, mir ein paar Tipps gegeben und meine wichtigsten Fragen beantwortet. Das Zimmer hat diesmal zwei Stockbetten, es ist alles einfach, aber vollkommen okay.
Es hat dann angefangen zu regnen. Ich wollte noch abwarten bis es vielleicht schoener wird bevor ich losgehe und habe angefangen eine Buch zu lesen, dass auf dem Couchtisch lag. Bin dann fast gar nicht mehr hochgekommen, weil es so interessant war. Das Buch ist von Richard Florida heisst „The Rise of the Creative Class“, eine sozio-kulturelle Betrachtung der westlichen (Arbeits-)Welt. Hat mich total angesprochen, spaeter vielleicht mal mehr.
Weil der Regen einfach nicht aufhoerte, bin ich dann einfach los die naehere Nachbarschaft in Corktown abfahren. Es sieht da zum Teil schon schlimm aus, bin mir aber gar nicht sicher, ob man nicht in den meisten amerikanischen Staedten aehnliche Viertel finden kann. Ich bin dann in einen Supermarkt um mich mit dem Noetigsten fuer die kommenden Tage im Hostel auszustatten, habe zwei Sorten Cerealien, Milch und OJ (Orange Juice) gekauft. Danach in CVS/pharmacy gegenueber, dort konnte ich mich dann nicht entscheiden ob ich von der nachgemachten Aspirin die 1000er oder 500er Bottle nehme. Habe dann kurz nachgerechnet und mich fuer das 300er Flaeschchen entschieden, dazu noch zwei Riesenglaeser Peanut Butter fuer die Kinder daheim (okay, auch fuer mich). An der Kasse wurde ich dann auf Spanisch angesprochen. Anscheinend hatte mich die junge Kassiererin fuer einen Latino aus der Nachbarschaft gehalten. Ich erklaerte ihr, dass ich aus Europa komme und nur zu Besuch sei in Detroit. Da meinte sie: „What do you think of Detroit? It’s bad, isn’t it?“ Ich war etwas verlegen, denn sie hatte ja recht und ich sagte: „I came here to find the beauty in the badness.“
Auf dem Rueckweg fuhr ich dann von hinten heran an die Michigan Central Station. Das Gebaeude wurde 1912/13 erbaut und war lange Zeit der hoechste Bahnhof der Welt. 1988 fuhr dort der letzte Amtrak, seitdem wird das Gebaeude nicht mehr genutzt und ist dem langsamen Verfall ueberlassen.
Wenn man davor steht, ist das ein ziemlich trauriger Anblick, weil man die ehemalige Pracht noch erkennen kann. Erinnert mich auch fatal an „Asterix und Obelix und die Trabantenstadt“, oder ist das jetzt albern?
Danach jedenfalls zurueck ins Hostel, ein paar Plaene gemacht und weiter in dem erwaehnten Buch gelesen. Wegen des Feiertages und des laufenden Techno-Festivals „movement“ (letzter Tag) gab es am heutigen Montag keine Konzerte in der Stadt. Ich bin deswegen nach Downtown ins Kino („Hangover 3“) gefahren und habe noch vier Leute aus dem Hostel mitgenommen, weil ich hier einer der wenigen bin, der ueber einen eigenen Wagen verfuegt. Danach heim ins Hostel und ab ins Bett. „Last night I went to sleep in Detroit City…“ Naja, so traurig wie in dem Song ist’s hier fuer mich nicht.
Day Off in Ann Arbor
Der gestrige Sonntag war mein Day Off und den verbrachte ich in der beschaulichen Universitaetsstadt Ann Arbor, die kurz vor Detroit liegt. Hatte nach dem heftigen Samstag (siehe letzten beiden Eintraege) etwas Ruhe bitter noetig. Bis zum fruehen Nachmittag habe ich mich etwas sortiert und dann die beiden Beitraege geschrieben. Nachmittags ein Spaziergang mit kleinem Snack um die Ecke, danach war ich kurz in einer Filiale des Buchladens Barnes & Noble, die im Bereich „Musik“ tatsaechlich ein komplettes Regal in der Unterkategorie „Rock & Roll“ stehen hatten. Im Buchladen drin gibt’s noch eine Filiale von Starbucks und man kann die Buecher beim Kaffeetrinken durchschmoeckern, sehr kundenfreundlich.
Danach bin ich nach Downtown gefahren. Weil Sonntag war, konnte ich kostenlos am Strassenrand parken und bin dann durch die Strassen flaniert. Trotz Sonntag waren die meisten Geschaefte und natuerlich die Restaurants und Cafes geoeffnet. Eine kleine Kuriositaet war auch dabei, naemlich ein Fachgeschaeft fuer Roboterbedarf. Habe nicht ganz verstanden wie ernst das gemeint ist, aber es waren jede Menge Roboter und sogar einige Androiden durch das Schaufenster zu sehen.

Bin dann auch den zentralen Bereich der Uni abgelaufen, der mitten in der Stadt liegt. Wegen Sonntag war erwartungsgemaess nicht viel los und auf dem Rueckweg hatten viele der Laeden bereits wieder geschlossen. Weil im „Ark“ an diesem Tag kein Konzert angesetzt war, bin ich stattdessen ins Kino gegangen und zwar ins „Michigan Theater“ (Liberty St.) in den Film „The Great Gatsby“ und das passte sehr gut zusammen. Das Kinotheater ist naemlich ein Kleinod, es wurde 1928, also noch in der Stummfilmzeit, erbaut und dann 1956 modernisiert und 2003 von einer Buergerinitiative fuer $9 Millionen restauriert. Als ich in den Saal ging, spielte vorne links ein Organist an der fest installierten dreimanualigen Kinoorgel amerikanische Unterhaltungstunes der 1920/30er Jahre (Fats Waller etc.). Der Sound war schwuelstig und fuer heutige Ohren ziemlich kitschig, aber natuerlich vollkommen authentisch und absolut passend zum Ambiente (rote Vorhaenge, goldene Applikationen, praechtige Logen). Ich hatte von dieser Art der Live-Improvisation zu Stummfilmen schon gehoert, aber eine vorinstallierte Orgel in einem Kino noch nie selbst gesehen, auffallend waren die drei Manuale plus Fusspedale und die unzaehligen Register. Mit Aufkommen des Tonfilms (ab Anfang der 1930er Jahre) war eine nachtraegliche Verklanglichung im Kino freilich nicht mehr noetig, meist wurden die Saeaele aber nicht nur fuer Filme, sondern auch fuer Theatervorfuehrungen, Konzerte, Tanzveranstaltungen und Vortraege genutzt und da kamen die Orgeln auch weiterhin zum Einsatz. Hier ein Bild der Orgel im „Michigan Theater“, die nach dem Ende des Vorspiels wieder mechanisch im Boden versenkt wurde.

Es war natuerlich reiner Zufall, dass das Ambiente des Kinos und das Orgelintro perfekt zum nachfolgenden Film passten. „The Great Gatsby“ mit Leonardo DiCaprio und Tobey Maguire ist die Neuverfilmung des gleichnamigen, klassischen und uramerikanischen Romans von F. Scott Fitzgerald aus dem Jahr 1925 und spielt im New York der „Roaring Twenties“. Im Film wird die historische Inszenierung uebrigens musikalisch komplett konterkariert mit modernsten Hip-Hop und R&B-Klaengen. Fuer mich ein gelungener Kontrast, der auch schon bei „Django Unchained“ sehr gut funktioniert hat. Es lohnt sich uebrigens den Film in 3D anzusehen, es gibt jede Menge spektakulaere, visuelle Effekte und ja, das altehrwuerdige Kino in Ann Arbor hat auch 3D-Technik.
Heute ist hier in den USA uebrigens einer der wenigen offiziellen Feiertage, genau genommen „Memorial Day“, an dem den Veteranen und Gefallenen der diversen Kriege mit US-amerikanischer Beteiligung gedacht wird. Das geschieht in Form von Paraden und Kranzniederlegungen, Veteranen bekommen ueberall einen Klapps auf die Schulter und, wenn sie Glueck haben, noch einen Becher Kaffee und freien Eintritt zu irgendwelchen Veranstaltungen. Fuer mich geht’s mittags weiter nach Detroit, bin schon sehr gespannt was mich da erwartet.
On the road: Chicago – Ann Arbor (part2)
Die weitere Fahrt von Michigan City nach Ann Arbor hat sich ganz schoen gezogen. Ich hatte in der Nacht davor zu wenig geschlafen und war totmuede, wollte aber unbedingt weiter. Zum Teil echt schwierig auf der Interstate die Orientierung zu behalten, weil fast nie die Entfernungen angegeben sind und die Strassen immer nur nach Nummern und Himmelsrichtungen beschildert sind. Weiter jedenfalls ueber Kalamazoo und Jackson Richtung Osten. Bin dann in Ann Arbor nach Gefuehl abgefahren und landete passenderweise auf der Sate Street Richtung Stadtmitte, kurzer Halt an der Tanke, Orientierungs-Talk mit dem Kassierer und weiter. Die Frage war, ob ich erst im Hotel einchecke oder mal kurz zur „Ark“ vorbeischaue. „The Ark“ ist die interessanteste Buehne am Platze und ich war nicht sicher wann das abendliche Konzert beginnt. Also das lieber zuerst klaeren, lag auch auf dem Weg. Ich also zur Ark (liegt mitten in der Stadt), kein Parkplatz vor der Tuer, also zweite Reihe parken, schnell rein und den Konzertbeginn checken, es war auf meiner Uhr 18.50. Ich frage die Kassiererin wann geht das Konzert los und sie: „At eight o’clock, that’s in 10 Minutes.“ Haeh? Was ich nicht wusste: Ich hatte auf meinem Weg von Michigan City nach Ann Arbor eine fucking Time Zone durchfahren und es war hier ein Stunde frueher als ich dachte. Waehrend ich das gerade zu kapieren begann und mein Wagen immer noch in zweiter Reihe vor der Tuer stand, wedelt ein Mann mit einer Karte in der Hand und fragt mich: „Need a ticket?“ Ich schau auf’s Ticket, ist fuer jetzt gleich, offizieller Preis darauf 15$ und ich antworte: „I give you ten.“ Und er: „Deal!“. Ich gebe ihm das Geld, er mir das Ticket und dann beschreibt er noch kurz den Weg in naechste Parkhaus, raus zur Karre, alles klar, ab ins Parkhaus, 5 Min. spaeter sitze ich im Konzertsaal von „The Ark“, ready to go.
„The Ark“ ist eine ehrenamtlich betriebene Kleinkunstbuehne mit aussergewoehnlichem Programm. Fuer gestern waren die Bands Cabinet und Gangstergrass angekuendigt, ich hatte kein Ahnung was mich erwartet, sondern war in vollstem Vertrauen zur Qualitaet des Hauses gekommen und wurde nicht enttauescht. Die erste Formation Cabinet ist eine relativ junge Bluegrass Band aus Pennsylvania, traditionell, aber nicht puristisch. Klassische Besetzung, allerdings ergaenzt durch Schlagzeug und Gitarre und Bass wechseln bei manchen Nummern auf elektrisch. Traditionals, eigene Nummern und Reggaeanteile. Wirklich sehr beeindruckend und mit dabei wahrscheinlich der beste Banjospieler, den ich jemals in meinem Leben live gesehen/gehoert habe.

Danach ein kurze Umbaupause, ich hatte mich im Dunkeln zufaellig neben den Mann gesetzt, der mir das Ticket verkauft hatte und er stellte mich seinen Freunden vor, die dabei waren. Zusammen drei nette Herren und wie in den USA ueblich kamen wir schnell ins Plaudern, als ich von meinem Plan erzahlte weiter nach Detroit zu fahren, erzaehlte mir einer der Freunde seine Tochter wuerde da Urban Farming betreiben. Wir tauschten Mails aus, mal sehen vielleicht entsteht ein Kontakt, ist immer gut Leute vor Ort zu kennen. Nach der Pause kamen dann Gangstergrass, eine ungewoehnlich Mischung aus Bluegrass und Hip-Hop mit schwarzen Rappern (Gangster) und weisser Bluegrass Band (Grass). Fette Beats kamen von der pedalbetriebenen Loop-Maschine, die Instrumentalisten waren nicht so hervorragend wie bei Cabinet, aber die musikalische Idee, die intelligenten Raps und unterhaltsame Praesentation wogen das locker auf. Vielleicht sogar hilfreich, wenn bei der Ausrichtung nicht alles so perfekt ausgecheckt und virtuos rueberkommt. War natuerlich auch sehr interessant wie schwarze und weisse Musiktraditionen hier absichtlich zusammengezwungen werden. Die weissen Musiker mit traditionellem Satzgesang, wohl choreographierten Ablaeufen und ausgecheckten Songstrukturen. Und mitten drin die Rapper, ohne Instrumente, nur Mikrophone, witzige Raps, immer wieder laessige Tanzeinlagen, viel Interaktion und Kontakt zum Publikum, insgesamt sehr ueberzeugend.

War ein toller Abend, danach wollten mich die Jungs noch mitnehmen zu sich nachhause um ein mit dem Konzert zeitgleich gelaufenes Eishockeyspiel zwischen Detroit und Chicago (aufgenommen auf Festplatte) anzuschauen, aber es war spaet, ich musste ins Hotel einchecken und ich sagte „Good night“. Zurueck ins Parkhouse und von da ins Lamp Post Inn (E. Stadium), wo ich bereits online reserviert hatte. Ich bin um 23.20 angekommen, sehr authentisches, kleines Motel/Hotel mit archetypischen US-Interior. Mann war das ein Tag, werde ich nicht so schnell vergessen, Leute. Heute am Sonntag gehe ich‘ s mal ruhig an, nachmitttags ein Spaziergang, abends evtl. Kino.
On the road: Chicago – Ann Arbor (part1)
Gestern war ein Tag, den ich nicht so schnell vergessen werde. Bin frueh aufgestanden (7.00) und habe nach dem Fruehstueck noch Mails gecheckt und den letzten Beitrag geschrieben. Musste aber schnell gehen, weil ich fuer den Leihwagen keinen optimalen Parkplatz uebernacht gefunden hatte. Mit Rucksack und Gitarrenkoffer stand ich dann im Aufzug und da fragte mich die junge, asiatische Frau neben mir: „What’s in that case?“. Ich war ganz ueberrascht, weil sich der Inhalt von der Form des Koffers ja recht plausibel ableiten laesst und antwortete: „My guitar“ und sie darauf: „So, who’s your favourite rock star?“. Ich war so ueberwaeltigt von der Einfachheit der Frage, dass mir nichts einfiel und ziemlich belaemmert da stand. Ich lachte verlegen und stammelte: „I don’t know, if I had to tell you right now, I really wouldn’t know.“ Sie lachte (wir waren im Erdgeschoss angekommen), verliess den Aufzug und war dann weg und ich stand alleine in der Lobby des Hostels mit dieser fast schon philosophischen Frage.
Check out, ab zum Auto und los ueber den Lake Shore Drive Richtung Sueden. Eine Weile ging die Strasse entlang des Sees, auf der anderen Spur (stadteinwaerts) wurde an diesem Sa-Morgen gerade ein Stadtlauf (Richtung stadtauswaerts) abgehalten von dem ich nichts wusste. Anscheinend lag der Start schon ein Weile zurueck, denn ich sah auf meiner Hoehe in vor allem uebergewichtige Frauen und Maenner in meist viel zu eng anliegenden Sportklamotten mit zum Teil riesigen Guerteln daran Plastikwasserflaschen und Verpflegung als ob sie aufgebrochen waren den kompletten Lake Michigan zu umrunden, dabei war sogar mir klar, dass es sich um einen kleinen Stadtlauf handelte. Je weiter ich entlang der joggenden Menschenmasse fuhr und je weiter ich ran kam an die Spitze des Feldes, desto schlanker wurden die Laeufer. Hatten sie die Kilos auf dem zurueckliegenden Weg verloren? Oder waren die Schlanken einfach schneller? Waren sie schneller, weil sie sich der schweren Wasserflaschen an ihren Guerteln entledigt hatten? Wo waren die Flaschen geblieben? Waren die Dicken nur die Wassertraeger der Schlanken? Aber was nuetzt ein Wassertraeger, wenn er beim Rennen meilenweit hinter einem laeuft? Ich konnte die Antworten auf diese Fragen nicht auf die Schnelle finden und fuhr einfach weiter.
Mein Weg wurde dann ziemlich bald unschoen, fuehrte durch verlassene (Stahl?) Industriekomplexe und der See war nah, aber nicht mehr in Sicht. Ueber die nahe Staatsgrenze fuhr ich nach Indiana, vorbei an Gary und weiter um den See. Ca. eine gute Stunde nach meiner Abfahrt erreichte ich wie geplant den Nationalpark Indiana Dunes, bekam im Visitors Center eine Karte und paar Tipps und fuhr in den Park. Ich parkte am Remil Road Access Point und lief mit Camcorder und Fotoapparat ueber die Duenen zum Strand. Obwohl es kuehl war lief ich barfuss, so frueh war fast noch niemand unterwegs und ich nahm mir Zeit und machte ca. 1h lang einige Fotos und viele Video/Impressionen. Entlang des Strandes konnte man die Fabriken und rauchenden Schlotte von Gary sehen, die von hier aus – anders als bei meiner Durchfahrt – einen eigenen aesthetischen Charme hatten. Auf der anderen Seite des Sees zeichnete sich diffus die Skyline von Chicago ab. Teile der Filme werden evtl. in Videos zu Songs vom kommenden Album „Unsung Songs“ verwendet.
Nach dieser besinnlichen Stunde am Strand fuhr ich weiter im Nationalpark entlang des Lakefront Drive, als ploetzlich eine Auto hinter mir die Sirene anliess, weil weit und breit niemand ausser mir zu sehen war, fuhr ich rechts ran und wartete vorschriftsgemaess mit den Haenden am Lenkrad. Es war tatsaechlich ein Polizist und er wollte meine Papiere sehen, kein Problem bitte schoen, alles griffbereit. Dann teilte er mir mit, dass ich zwei Stoppschilder ueberfahren haette ohne komplett gestoppt zu haben, ob mir das klar waere. Ich muss an dieser Stelle einfuegen, dass wir zu dem Zeitpunkt an einem einsamen Sa-Morgen „in the middle of nowhere“ auf einer Strasse ohne weitere Verkehrsteilnehmer standen, evtl. habe ich an der Kreuzung tatsaechlich nicht auf 0 M/h runtergebremst und ich sagte das tut mir leid. Dann fragte mich der Polizist, ob wir in Deutschland kein Stopp-Schilder haetten und ich sagte ganz ernst: “ We have no speedlimit on the autobahn and no stopsigns on the roads, Sir.“ Da lachte er und meinte: „Well, I heard about the autobahn.“ Dann nahm der rechtschaffende Mann meine Personalien auf („How do you spell this? How do you spell that?“) und stellte mir ein Warning Ticket (kein Strafzettel) aus.

Der naechste Stopp an der Superduene Mount Baldy war nicht so interessant, deswegen weiter Richtung Michigan City. Ich glaube, ich habe noch nicht erzaehlt, dass mir am zweiten Tag meines Aufenthalts in Chicago buchstaeblich der Schuh geplatzt ist. Nein, ich habe ihn nicht aufgeblasen, haha, meine guten, alten, geliebten Adidas Samba sind an der Innenseite (links) einfach ca. 4 cm aufgegangen („Walk a mile in my shoes“). In der Not bin ich runter in die Lobby und habe nach Klebeband gefragt und ein freundlicher Herr hat mir Athletic Tape (duennes Gewebeband) gegeben und ich habe den Sneaker provisorisch geflickt („Schuster bleib deinen Leisten, haha“). Zurueck zur Story: Als ich in Michigan City reinfuhr sah ich ein Schild von einem Adidas Outlet und bin gleich abgebogen. Total viel los, gaaanz schlechter Parkplatz (zweite Reihe) ich gleich in den Laden und deutete auf meine geflickten Schuhe und eine freundliche, junge Frau sagte steno-maessig: „Samba, Samba!“ und fuehrte mich zum entsprechenden Regal. Ich checkte am Label die richtige Groesse (11.5), „Danke“ und ab zur Kasse. Schnellster Schuhkauf meines Lebens in ca. 1 Min, Anprobe nicht erforderlich. An der Kasse habe ich dann noch nach dem Weg zu einer Sportbar gefragt, denn: Heute war Champions Legue Finale (Dortmund-Bayern) im Wembley Stadion in London. Nach meiner Zeitrechnung muesste das um 13.45 angepfiffen werden und es war gerade 13.25. Der Adidas Mitarbeiter an der Kasse erklaerte mir den Weg und 15 Min. spaeter war ich im Buffalo Wings von Michigan City. Als ich da war, fragte ich nach der Soccer-Uebertragung, kurzer Blick ins Programmheft und um 13.40 sah ich auf dem Riesenbildschirm an der Bar zusammen mit zwei angetrunkenen, alten, desinteressierten Saecken die deutschen Mannschaften einlaufen. Feines Spiel, ich haette Dortmund zumindest die Verlaengerung gegoennt, aber ich denke es koennen alle zufrieden sein.
Nach dem Spiel fragte ich noch wie lange man nach Ann Arbor braucht. Die Bedienung hatte keine Ahnung wovon ich sprach, kannte die Stadt nicht (Hauptsitz der Universitaet von Michigan), aber ein Handwerker meinte „Ann Arbor, that’s a 3-hour drive, son, you wanna be there by tonight you better get goin‘, boy.“ Ich also los, head out on the highway.