Edmund Wächter: Der freiberufliche Musikpädagoge

Der Flötist und Musikpädagoge Edmund Wächter hielt kürzlich ein Referat zur Bedeutung des freiberuflichen Musikpädagogen in Vergangenheit und Gegenwart. Es wurde in gekürzter Form in der aktuellen Ausgabe der „neuen musikzeitung“ (nmz 6/14) abgedruckt und ist ein sehr lesenswerter Text geworden. In seiner Gesamtlänge kann er bei der Geschäftsstelle des Deutschen Tonkünstlerverbands bezogen werden (ISBN 978-3-926906-21-2).

Edmund Wächter beschreibt den Wandel des Berufsbildes über die Zeit und konstatiert für die Gegenwart: „Zur ursprünglichen Aufgabe des Musikpädagogen „Erziehung zur Musik“ kommt [heute] die „Erziehung mit Musik“. Wir [Musikpädagogen] sind nun nicht mehr nur Inhaltsvermittler, sondern übernehmen zusätzlich allgemein erzieherische Aufgaben. Außerdem müssen wir mehr und mehr als Animateure unsere Schüler bei der Stange halten, da das übrige Freizeitangebot und die hohe Reizschwelle einer medial gesteuerten Jugendkultur-Industrie Kindern und Jugendlichen kaum mehr ermöglichen, sich intrinsisch zu motivieren. Aus einer ergebnisorientierten Methodik wird zunehmend eine verlaufsorientierte.“

Er moniert auch die zum großen Teil außerordentlich prekären Arbeitsbedingungen für angestellte Musikpädagogen. „Festanstellungen gibt es da selten, dagegen teilweise Arbeitsverhältnisse in gesetzlich äußerst bedenklichen Grauzonen.“ Dazu zählt Wächter auch „die künstlerischen Lehraufträge an Hochschulen und Universitäten“.

Er formuliert zehn pädagogische Herausforderungen und Probleme der Instrumentalpädagogik und liefert im Anschluss eine Typologie des freiberuflichen Musikpädagogen. Diese gliedert sich in drei Typen: Nummer eins ist der gescheiterte Virtuose, der es nicht als Solist oder ins Orchester geschafft hat und stattdessen unterrichten muss. Nummer zwei ist der Hochschul-, Schul- oder Kirchenmusiker, der „freiberuflich als Zubrot, Gefälligkeit oder Begabtenförderung“ unterrichtet. Der dritte und letzte Typus ist der für den das Unterrichten der Wunschberuf ist. „Diese beginnen meist schon vor oder während der Ausbildung zu unterrichten. Sie schätzen die pädagogischen Freiräume, die beispielsweise an einer Musikschule so nicht möglich wären. Sie bilden sich in der Regel fort, öffnen sich neuen Herausforderungen, bleiben nah am Kunden…“

Ich gehöre zum Typus drei.

5 Gedanken zu „Edmund Wächter: Der freiberufliche Musikpädagoge

  1. Hört sich interessant an. Ähnliche Typisierungen trifft man auch in anderen Lehrbereichen an, so sind besonders an Gymnasien die gescheiterten Fachwissenschaftler als besonders schadhaft für die Kindes- und somit Volksgesundheit zu betrachten, aber auch die im Gegensatz dazu vorkommende Spezies der sicherheitsorientierten, deren Hauptmotiv das Beamtentumsanstreben ist, sind nicht minder virulent. Leider oder soll man in diesem besonderen Fall sagen „zum Glück“ führt aber auch hier der Weg immer öfter in prekäre Verhältnisse durch Zeitverträge ohne Ferienbezahlung, Stellensplitting usw. Und das scheint nun wirklich leider eine sehr umfassende Tendenz zu sein. Die zunehmende Privatisierung des ehemals staatlichen Aufgabenbereichs der Bildung auf fast allen Gebieten. Die zunehmend sinkende finanzielle Honorierung führt auch hier zu einer steigenden Amerikanisierung der Verhältnisse, so dass am Ende nur die dritte Kategorie bleibt, was man wiederum als Glück für die zu erziehenden und die Selektion der Erzieher bezeichnen kann, aber eben nicht das richtige und gerechte Selektionsinstrument. Somit kommen damit die Festangestellten dort an wo sich die Gruppe der freien Nachhilfelehrer, die den Schritt in dieses System nicht geschafft haben, schon lange angekommen sind, nur dass sie nicht einmal mehr den höheren Freiheitsgrad derer genießen können.

    • @Bernhard: Danke für deinen qualifizierten Kommentar.

      Ich kann die von dir genannte Privatisierung sowohl im Umfeld meiner eigenen Kinder, als auch innerhalb meiner eigenen Schülerschaft wieder erkennen. Kulturinteressierte und finanziell gut situierte Eltern bieten ihren Kindern Kunstkurse, Musikunterricht, Zugang zu Literatur oder zu qualifizierten Sportaktivitäten. Kinder aus bildungsfernen Schichten oder finanziell schlecht situierten Haushalten bleiben außen vor. Ich habe bereits seit vielen Jahren so gut wie überhaupt keine Schüler aus der Mittel- (früher Haupt-)schule oder der Realschule in meinen Unterrichtsstunden sitzen.
      Leider wirken die öffentlichen Schulen diesem von der Pisastudie seit Jahren monierten sozialen Ungleichgewicht überhaupt nicht entgegen. Krippen, Kindergärten, Nachmitttagsbetreuung, Hortangebote, Nachhilfe und alle weiteren privaten Unterrichtsangebote kosten die Eltern viel Geld, aber das kann z.B. eine alleinerziehende Frau mit zwei Kindern nicht stemmen.

      Und ein Wort noch zur Amerikanisierung des deutschen Bildungssystems: In den USA wird nicht nach der vierten Klasse selektiert, es gibt flächendeckend Ganztagsangebote mit Hausaufgabenbetreuung und in den Schulen sehr umfangreiche und zum Teil sogar professionelle Sport-, Kultur-, Musik- und Special Interestangebote (Journalismus, Radio, TV, Internet etc.). Die Bildung ist erst nach dem Highschoolabschluss deutlich privatisiert, bei uns beginnt das schon im Kleinkindalter, aber viel unterschwelliger und intransparenter als bei den Amis. Ich bin sicher kein Verfechter amerikanischer Verhältnisse, aber wenn man mal näher hinschaut, muss man evtl. zugeben, dass nicht alles im Ausland so schlecht ist wie wir Deutsche immer gerne glauben.

      • …dass die Spitze mit der Amerikanisierung auf gespitzte Ohren und Feder trifft, war doch auch erhofft 🙂 touchee
        die Amis sind eben nicht nur, weil kommerzieller auch per se schlechter – wohl wahr und das mit unserem gegliederten, hochgelobten Schulsystem ist eben nicht gleich besser für alle – und aus eigener professioneller Sicht weiß ich auch über die ungleiche Chancenverteilung im Bildungssystem zu berichten, das eben zu wenige Chancen für Benachteiligte bietet und Strukturen mehr zementiert wie sie sind, alle behüten eben ihre Pfründe so gut es geht.

        • Und während wir diese strukturellen Probleme in Deutschland Jahr um Jahr immer wieder in aufwändigen Studien bewiesen kriegen, wird lieber über G8/G9 diskutiert. Als ob das irgendeinen Unterschied machen würde.

          Die Vorschläge und Bedenken renommierter Bildungsforscher werden konsequent ignoriert und die Kultus- und Bildungsministerien von fachfremden (Stichwort: Hohlmeier) oder doch zumindest praxisfremden Karrieristen (Stichwort: Schavan) geleitet.

          Ich bin um jedes Jahr froh, das meine Kinder nicht in diesem System verbringen müssen, deswegen gerne G8, von mir auch G7. Kulturelle Bildung findet mittlerweile sowieso komplett außerhalb der Schulen statt und oft genug auch außerhalb der Hochschulen und Unis.

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