Markus Lonardoni studierte an der Hochschule für Musik Stuttgart, danach studierte er Filmmusik am renommierten Berklee College of Music in Boston. Nach dem Ende seiner Studienzeit veröffentlichte er in kurzer Folge mehrere musikalische Lehrbücher bei verschiedenen Verlagen, inzwischen hat er sich anscheinend auf die Produktion von TV-Serien-Soundtracks verlegt. Das Buch „Popularmusiklehre“ erschien bereits im Jahr 1996 bei Reclam als eines von diesen typischen, kleinen, gelben Heftchen. Heute wird das Heft zusammen mit einer CD im Pappschuber, aber ansonsten unverändert ausgeliefert. Der Untertitel lautet „Pop, Rock, Jazz“ und wird ergänzt mit den Schlagworten „Harmonielehre, Komposition, Arrangement“. Das sind eine ganze Menge Themen, die sich der junge Lonardoni damals, Mitte der 1990er Jahre, vorgenommen hat und ist 20 Jahre später allemal eine Retrospektive wert.
Das Buch beginnt mit einem sehr knappen Vorwort des Autors. Der Inhalt des 352 Seiten starken Büchleins ist in die übergeordneten Kapitel ‚Epochen und Stile der Popularmusik’, ‚Musiklehre’, ‚Komposition’, ‚Arrangieren und Orchestrieren’ aufgeteilt. Jedes dieser Kapitel ist dann jeweils noch einmal in sehr viele Unterkapitel unterteilt. Gleich im ersten Kapitel wird klar, was der Autor unter dem Begriff Popularmusik versteht. Es sind die Spielarten des US-amerikanischen Jazz von Ragtime bis Fusionrock und Pop/Rock ab Mitte der 1950er Jahre von Rock’n’Roll bis Heavy Metal und Funk. Popmusikalische Genres ab Anfang der 1990er Jahre, insbesondere samplerbasierte Stile wie Hip Hop oder Techno werden nicht mehr berücksichtigt.
Lonardonis Aufarbeitung von Epochen und Stile, aber auch die darauf folgende Musiklehre sind straff und korrekt, wirken jedoch sehr theoretisch, reduziert und lexikalisch. Seitenweise werden Listen mit trockenen Fakten gelistet, hin und wieder wird kurz mal auf Musiker oder Bands verwiesen, auf echte musikalische Verweise oder gar Notenbeispiele aus der popmusikalischen Praxis wurde bedauerlicherweise gänzlich verzichtet. Der „praktische“ Teil beschränkt sich auf einige Aufgabenstellungen („Bilden sie die dorische Skala über As!“). Eine gewisse Hilfe hätte die beiliegende CD mit Hörbeispielen darstellen können, aber auch hier hat Lonardoni nicht auf den reichhaltigen Fundus der Popularmusik zurückgegriffen, sondern eigene Kompositionen und Einspielung ‚im Stile von’ zusammengebastelt, die noch dazu alle instrumental und mit einem aus heutiger Sicht schrecklichen 80er Jahre Hall aufgenommen wurden. Durch diese laborhaften Bedingungen fehlen den Einspielungen genau die wesentlichen Grundcharakteristika um die es im Pop eigentlich geht, das wird einem beim Abhören dieser Beispiele sofort klar. Lebendige Popmusik ist einfach nicht auf theoretische Parameter reduzierbar. Jeder Popmusikhörer wäre beim Hören dieser Beispiele entsetzt und würde sich befremdet abwenden.
Stark ist Lonardoni dagegen im Schlusskapitel ‚Arrangieren und Orchestrieren“, hier kommt ihm wohl sein amerikanisches Zweitstudium zugute. Besonders gelungen ist hier der Teil ‚Arrangieren für Bläser’, wo er es schafft auf knapp 40 Seiten dieses komplexe Thema treffend zu umreißen. Behandelt werden auf verständliche und plausible Weise: Arrangieren für zwei, vier, drei und fünf Bläser (in dieser Reihenfolge), Drop Voicings (2, 3, 2&4) und Spread Voicings. Hier spielt dem Autor auch in die Karten, dass mehrstimmige Arrangements ein relativ modenunabhängiger und stilübergreifender Inhalt ist. Man kann aber auch deutlich spüren, dass ihm selbst etwas an diesem Thema liegt und er mit spürbar mehr Verve dabei ist.
Fazit: Eine komprimierte Popularmusiklehre zu klassischen Musikstilen des 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkt auf Theorie. Etwas ungünstiges Buchformat zum ernsthaften Selbststudium.
Taschenbuch & Audio-CD im Kartonschuber erscheinen bei Reclam und kosten zusammen 19,90 Euro.
..ein kleines Lektorätchen „Einsielungen“ könnte Sylt wohl gerade brauchen 🙂
@Bernhard: Ist verbessert, danke für den Hinweis, da hat wohl mein Lektor wieder mal gepennt. Häuft sich zur Zeit, ich muss ihn mal drauf ansprechen. 😉
Stell Deinem Lektor halt nicht immer ein Bier hin! 🙂