Buch: „Die 70er. Der Sound eines Jahrzehnts“ von Ernst Hofacker

Nichts weniger als ein ganzes Jahrzehnt Popmusikgeschichte will der deutsche Musikjournalist Ernst Hofacker in einem Buch mit zwölf Kapiteln abhandeln. Die Kapitel sind chronologisch nach Jahreszahlen angeordnet (1970-1979) und werden jeweils mit dem Datum eines kulturhistorischen Events eröffnet. Ausgehend davon entwickelt der Autor ausführlich die popmusikhistorischen Vorkommnisse, so wie sie sich aus seiner Sicht ereignet haben. Und das ist mindestens informativ, oft auch erhellend und nicht zuletzt unterhaltsam.

Behandelt werden die Stile: Singer-Songwriter & Softrock, Blues, Prog & Heavy Metal, Glamrock, Krautrock & Elektropop, Reggae, Soul & Funk, Disco, Beats & Breaks, New Wave, also alle wesentlichen Genres des westlich 70er-Jahre-Pop.

Die Herangehensweise an die Genres über ein stilbildendes Ereignis ist ungewöhnlich, aber im Großen und Ganzen oftmals aufschlussreich. Man kann davon ausgehen, dass nicht allen deutschen Lesern die Wirkungsmacht von Ereignissen wie den studentischen Unruhen in Kent, Ohio, ein einzelner Auftritt einer deutschen Band in einer TV-Show oder die Eröffnung eines Clubs bewusst sein dürfte. Aber eben solche, manchmal nebensächlich entstehenden Geschichte haben manchmal große, unvorhergesehene musikgeschichtliche Folgen.

Hofackers Text ist dicht bepackt und streift alle wesentlichen Entwicklungen, teilweise vielleicht etwas überinformiert oder zu detailreich. Aber jemand, der derartige Bücher liest., erwartet vermutlich genau das. Man muss auch nicht alle Kapitel lesen um den Überblick zu behalten. Chapterhopping oder -dropping ist wohl ausdrücklich erlaubt. Etwas schade nur, dass der Autor dem Untertitel („Der Sound eines Jahrzehnts“) gar nicht gerecht wird. Es gibt weder Hörbeispiele in Form von Audio-CD oder Playlist, auch keine Beschreibung von Instrumentarium, Technik oder Produktionsweisen. Der Sound der 70er bleibt im Rahmen des Buches leider ungehört, da muss man sich als Leser irgendwie selbst versorgen. Auch klar (leider!), dass die Betrachtung auf westliche Musik (Nordamerika, Europa) beschränkt ist. Popmusik aus Südamerika, Afrika, Asien oder Australien wird geflissentlich übergangen.

Trotz dieser kleinen Einschränkungen ist „Die 70er“ ein ansprechendes und anregendes Elaborat. Man würde sich wünschen, dass der Autor so etwas ähnliches demnächst auch für weitere Jahrzehnte vorlegen würde, vielleicht im Anschluss die 80er und dann die 90er? Da gäbe es bestimmt auch etliche Ereignisse, die man mit der Pophistorie koppeln könnte.

Das gebundene Buch hat 350 Seiten, erscheint bei Reclam und kostet 24€.

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