Nashville & Austin: Jedd Hughes & Waylon Payne

Nach einem einjährigen USA-Aufenthalt als Jugendlicher reiste ich im Frühjahr 2004 erstmals als Erwachsener (volljährig, mit Kreditkarte & Führerschein) nach Amerika. War es beim ersten Mal noch reiner Zufall gewesen, wo ich letztendlich gelandet war (Ohio & Oklahoma), so suchte ich mir dieses Mal meine Reiseziele mit Bedacht aus, es sollten derer zwei sein. Zuerst die Music City USA, Nashville, Tennessee und danach im Direktflug nach Austin, Texas, wo während meines Aufenthalts die Musik- und Medienkonferenz SXSW stattfinden sollte.

Nashville war für mich ein musikalischer Rausch. Überall wohin man schaute und hörte Musik, Musiker, Musikläden, Musikbegeisterte. Egal ob im damals angesagten East Nashville oder dem abgeschmackten Broadway, in Diners oder Museen, in Coffeeshops, Kneipen oder Einkauhscentern, überall drehte es sich immer nur um das eine: Musik. Schon mittags lockte Live-Musik die Besucher von den Straßen in die Bars und an die Theken. Im 45-Min-Takt spielten und wechselten hier namenlose Bands bis zum Abend und tief in die Nacht. Zuhörer brüllten Songwünsche nach vorn, die gegen ein kleines Trinkgeld selbstverständlich von der Countrycombo erfüllt wurden. Einige Zuhörer hatten sich bereits Mut angetrunken, gingen selbst vor zur Bühne, stellten sich ans Mikro und sangen eine Nummer, während die Band sie dezent begleitete. Die Lieder kannten die Musiker anscheinend alle und falls doch nicht, gab man sich hintenherum Zeichen oder rief sich, während der Song bereits lief, kleine Hinweise zu.

Ich wechselte abends von den ruppigen Kneipen in die Konzertsäle. An einem Abend im Exit In traten wieder einmal mehrere Newcomer Bands hintereinander auf, deren Namen ich allesamt nicht kannte. Einer davon war der australische Countrygitarrist und Sänger Jedd Hughes, der bereits einige Jahre zuerst in Texas, dann in Nashville lebte und es jetzt unter eigenem Namen versuchte. Sein passend betiteltes Debutalbum „Transcontinental“ war soeben erschienen und er spielte – wie in einer solchen Karrierephase üblich – jeden Gig, den er kriegen konnte, um sein Werk zu promoten. Seine erste Single (ja, so nannte man das früher) war „High Lonesome“. Er war sympathisch, charismatisch und ein außerordentliches Talent, spielte Gitarre wie ein junger Gott. Seine Show dauerte 45 Min, dann musste er die Bühne räumen und eine andere Band gab ihr bestes. Mir hatte seine Show gut gefallen und ich merkte mir den Namen.

Einige Tage später nahm ich einen Flieger nach Austin, Texas. Ich übernachtete im German House einer chaotischen Studentenverbindung, deren lose Mitglieder eine große, alte Villa bewohnen durften. Morgens vertrieb ich mir die Zeit mit irgendwas, nachmittags ging’s los zu den Konzerten, erst die unbekannten Warm-Up-Bands, zu späterer Stunde die namhaften Musiker mit ihren Bands. Im Fox & Hound war Jedd Hughes angekündigt, was für ein Zufall, klar, dass ich da nochmal hinging, die Show war auch beim zweiten Mal hervorragend. Nach ihm kam Waylon Payne, auch er hatte gerade sein Debut „The Drifter“ veröffentlicht und war auf Promotiontour. Payne ist der Sohn des Gitarristen Jodi Payne und der Countrysängerin Sammi Smith, kommt quasi aus einer Countrydynasty, denn der Vater spielte Gitarre für Willie Nelson, seine Mutter sang für Waylon Jennings (sein Pate, daher der Vorname). Payne sieht aus wie James Dean, hat eine bewegte Drogenvergangenheit und hat es als Homosexueller innerhalb der USA-Countryszene vermutlich nicht immer leicht gehabt. Vielleicht sind seine Songs und seine Musik genau deswegen so tiefgründig und bewegend.

Als ich wieder nach Hause flog, hatte ich die Alben der beiden Singer/Songwriter beide im Gepäck und hörte die danach viele Monate in heavy rotation, damals noch vorzugsweise beim Autofahren. Als ich mich sattgehört hatte, fragte ich mich, wann wohl jeweils das Nachfolgealbum erscheinen würde, doch da kam nie was, weder vom einen, noch vom anderen. Payne hatte noch zwei gute, aber obskure Auftritte als Schauspieler, als Jerry Lee Lewis in „Walk the Line“ (2005) und als Hank Garland in „Crazy“ (2007), danach jahrelang buchstäblich nichts mehr. Fünfzehn Jahre später haben die beiden fast gleichzeitig, aber vollkommen unabhängig voneinander ihr jeweils zweites Album unter eigenem Namen veröffentlicht. Jedd Hughes: „West“ (2019) und Waylon Payne: „Blues Eyes, the Harlot, the Queer, the Pusher & Me”. Hughes konnte schon einen kleinen Erfolg mit seiner ersten Single „Back to You“ verbuchen, die mich aber leider nicht so anspricht, wie sein früheres Material.

Waylon Payne veröffentlicht sein zweites Album in vier Akten (I-IV) im Monatsrhythmus, drei sind bereits erschienen, eines steht noch aus. Er schlägt in dieselbe musikalische Kerbe wie früher und fsetzt stilistisch nahtlos an, als wenn nur 1-2 Jahre seit seinem Debut vergangen wären.

Keep on keeping on, Cowboys, und lasst mich bis zum nächsten Album nicht wieder 15 Jahre warten!

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