Noten: „Classic Hits für zwei Klarinetten“ von Douglas Woodfull-Harris (Hg.)

ClassicHitsBereits 1996 erschien bei Bärenreiter die Zusammenstellung „Classic Hits“ für zwei Klarinetten“ (BA 8157). Nun, fast 20 Jahre später, erscheint unter demselben Titel, aber immerhin mit einem neu gestaltetem Cover, eine ansonsten unüberarbeitete Neuauflage in der Reihe „Ready to Play“. Auch wenn der Anglizismus im Titel („Classic Hits“) und die englischsprachige Bezeichnung der Reihe („Ready to Play“) etwas anderes suggerieren, so handelt es ich bei dieser Veröffentlichung um zwar soliden, aber aus musikstilistischer Sicht erzkonservativen Stoff, man kann es leider nicht anders sagen. Weiterlesen

Wie im Fieber: Country, Blues, Jazz, whatever

Am letzten Donnerstag war ein Konzert der Dennis Schütze Combo bei Vischers Blues Jam in Nürnberg angesetzt. So weit, so gut, schöne Aussichten könnte man meinen, hätte mich nicht zwei Tage vorher ein fieses, fränkisches Fieber niedergestreckt. Im Laufe des Dienstags dachte ich noch, komisch, geht alles ganz schön schwer heute, Kopf dröhnt, Hals schmerzt, liegt sicher am Klimawandel, am Feinstaub, am Ozon oder irgendwas. Abends brach dann das Fieber aus und es war klar, dass das jetzt in Sachen Rekonvaleszenz ziemlich knapp werden würde (48h). Von Di auf Mi plagten mich schlimmste Fieberschübe inkl. gruseliger, sich mit kleinsten Varianten immer wiederholende Albträume, aus denen ich schweißgebadet erwachte, um kurz danach wieder in einen komatösen Schlaf zu sinken. Mittwoch verbrachte ich fast komplett im Bett, in der Nacht auf Do das gleiche nochmal, 12h unruhiger Schlaf, langsam taten die Knochen weh. Leicht dehydriert und von Appetitlosigkeit geschwächt erwachte ich am Do, es ging mir längst noch nicht besser. Ich stand kurz davor den ersten Auftritt meines Lebens wegen Krankheit abzusagen, fiel dann aber – mit 39 °C Köpertemperatur – wieder zurück in einen bleiernen Tiefschlaf von dem ich erst am frühen Nachmittag erwachte. Telefonisch zögerte ich die Abfahrt zeitlich noch etwas hinaus und teilte meinen Mitmusikern mit, dass ich während der Hinfahrt vermutlich nicht ansprechbar sei. Ich duschte, packte meine Sachen und wurde am frühen Abend von meinem treuen Bassisten abgeholt. Im Regen/Schneematsch-Sturm kämpften wir uns über die Autobahn bis nach Nürnberg zum Vischers. Hatte vor der Abfahrt noch ein Ibuprofen eingeschmissen, irgendwie fühlte ich mich bei der Ankunft schon besser, vielleicht war es aber auch der sehr nette Empfang der Crew vor Ort inklusive Vischers Fritz und seinen wackeren Matrosen. Bühne und Technik war schon aufgebaut, ich packte die Gitarre aus, stöpselte ein, kurze Verschaufspause, das Publikum traf ein, nahm Platz, ich schmiss zur Sicherheit noch eine Pille ein und es ging los. Hatte mir vorgenommen im ersten Set sehr defensiv zu singen, bei den ersten beiden Songs klappte das auch noch, dann spürte ich wie ich einen Energieschub bekam, Zurückhaltung konnte ich nun getrost ablegen. Die Band, das Publikum, die Drogen, keine Ahnung was es genau war, aber auf einmal hörte ich jeden Ton wie in 3D, Atmung war frei, Stimme lief wie geölt und mit jedem Song besser. Jochen hatte einen geilen Sound, Camilo spielte lächelnd den Kontrabass und machte dazu seine typischen Tanzschrittchen auf kleinstem Raum. Zur Pause war ich total durchgeschwitzt, 15 Minuten ausruhen, ein frisches Getränk (und T-Shirt) und weiter ging’s.

Vischers2016Foto: Axel Scherm

Wir spielten mit enormer stilistischer Breite von Folk, Country, Blues, Westcoast- & Southern Rock bis zu Psycho- & Paranoiabilly. Große dynamische Spannbreite, Luft zum Atmen, ungefähr gleiche Anteile von vorbereiteten Arrangements und ausgedehnten, zum Teil sehr freien Improvisationen, poetische Klangtexturen, donnernde Verzerrungsorgien, you name it. Wir berauschten uns am eigenen Spiel, das Publikum war auf unserer Seite, so muss es sich anfühlen, wenn Musiker und Zuhörer zu einer Einheit verschmelzen. Vielleicht war es aber auch nur das mit chemischen Mitteln runter gedrückte Fieber und die Drogen, die zusammen genommen eine solch ungewohnte euphorische Ekstase in mir auslösten (Alkohol war nicht im Spiel).
Was auch immer wirklich geschehen sein mag an diesem Abend, nach dem Ende des zweiten Sets und einer Zugabe, gingen wir hochzufrieden und als gefeierte Gladiatoren von der Bühne des Clubs. Wir waren als Country Combo angekündigt gewesen und hatten in Vischers Blues Jam gespielt. Danach kam ein Vertreter eines renommierten Nürnberger Jazzclubs und fragte, ob wir 2017 bei ihnen spielen wollen, es hätte ihm so gut gefallen. Country, Blues, Jazz, whatever. Danke Nürnberg, wir stehen bereit.

PS: Heute geht’s mir schon wieder besser.

Phantom: Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)

IMG_3664Anfang November letzten Jahres war ich für einige Tage zu einem Städtebesuch in Wien und habe dort u.a. das „Haus der Musik“ besucht. In der Ausstellung gibt es viel Wiener Philharmoniker und natürlich Wiener Klassik zu besichtigen. Ein kompletter Raum ist dem österreichischen Originalgenie Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet. Ziemlich interessant war ein Phantombild Mozarts, das anscheinend von einem deutschen BKA auf Basis von Gemälden, Beschreibungen, etc. erstellt wurde. Ich habe dieses Phantombild lange betrachtet und auch ein Foto davon gemacht. Habe immer noch das Gefühl, dass das Portrait mich an irgendjemanden erinnert, aber an wen bloß? Habt ihr eine Idee?

Noten: „Mozart for Guitar“ von Martin Hegel (Hg.)

MozartForGuitarWolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) ist zweifelsohne der bedeutendste und einflussreichste Komponist der Wiener Klassik. Bedauerlicherweise sind in seinem umfangreichen Schaffen keine Werke für Laute oder Gitarre überliefert. Es finden sich allerdings deutliche Einflüsse seines musikalischen Stils in den Werken prominenter nachfolgender Komponisten für Gitarre. Carulli, Diabelli, Giuliani, Mertz und Sor erhoben Mozarts hochentwickelte Klangsprache noch Jahrzehnte nach dessen Ableben ganz offenkundig zu einem erstrebenswerten Ideal und würdigten ihn in unzähligen Transkriptionen, Themenvariationen und Stilkopien. Weiterlesen

Kochbuch: „Das Lexikon der Aromen- und Geschmackskombinationen“ von Karen Page & Andrew Dornenburg

AromenKaren Page und ihr Ehemann Andrew Dornenburg sind ein preisgekröntes Kochbuchautorenteam aus den USA. Sie treten im amerikanischen Radio und Fernsehen auf und sind offensichtlich auch erfolgreiche Selbstvermarkter. „The Flavor Bible“ erschien erstmals 2008 im englischen Original. 2012 erschien es in deutscher Übersetzung, 2014 erschien nun die zweite, unveränderte Auflage im Verlag.  Weiterlesen

Musikgeschichte: Ludwig van Schütze

IMG_3132Letztens saß ich mit einem meiner jüngeren Ukuleleschüler beim Unterricht in einem Zimmer meiner Privatwohnung. Wir hatten zu Beginn der Stunde ein paar ältere Stückchen wiederholt, er hatte brav die Melodien gespielt und ich zur Begleitung ein paar Akkorde darunter gelegt. Während ich ihm im Anschluss die neue Hausaufgabe anspielte, sah ich im Augenwinkel wie sein Blick abschweifte, zuerst von dem Ukulelenheft auf dem Notenpult rüber zum Tisch, von da aus über die Tastatur des Klaviers zu einen Stapel kopierter Noten, der ungeordnet darauf lag, schließlich bis zu der gerahmten Portraitzeichnung an der Wand darüber, auf der mein Urgroßvater Ludwig Hermann Schütze abgebildet ist. Hier blieb sein Blick hängen und verharrte. Ich hatte die ganze Zeit weitergespielt, beobachtete derweil seinen etwas müde gewordenen Blick und fragte mich, was ihm wohl gerade durch den Kopf ging. Ich kam zum Ende des kleinen Musikstücks. Nachdem der Schlussakkord verklungen war, betrachtete er immer noch, ganz in Gedanken versunken das Bild meines Urgroßvaters und ich fragte in die entstandenen Stille hinein: „Weißt du, wer das ist?“
Mein Schüler drehte seinen Kopf zu mir, zuckte mit den Schultern und sagte arglos: „Weiß nicht, Ludwig van Beethoven?“

Video: „Eisbär“ von Du & Ich

Im letzten Sommer erschien das Album „NDW – Wiederbesucht“ des Studioprojekts Du & Ich. Produziert und eingespielt wurden die insgesamt neun Tracks von Camilo Goitia und mir, Dennis Schütze. Kurz danach erschien das von Ralf Schuster produzierte Musikvideo „Da Da Da“.

In diesem Monat wurde wöchentlich ein ausgewählter Track des Albums als Fotovideo veröffentlicht und präsentiert, zum Abschluss der Reihe heute unsere Interpretation des arktischen Klassikers „Eisbär“ von Grauzone aus dem Jahr 1981. In der Vorlage ist es eine minimalistisch/post-punkige Songkomposition mit einem gewagten Free Jazz-Solo zum Schluss hin. In unserer Version ein Sopransaxophonsolo von Fritz Wenzel aus Schweinfurt, die One-Note-Gitarrensolos stammen von Produzent und Sänger Dennis Schütze. Zieht euch eine gefütterte Polarjacke über und hört selber rein!

Fotoband: „Masuren“ von Dirk Bleyer & Mia Raben

MasurenDirk Bleyer ist Fotojournalist und Reiseerzähler. Soeben wurde ein prächtiger Fotoband von ihm bei National Geographic veröffentlicht, der sich mit dem polnischen Landstrich Masuren beschäftigt. Die darin enthaltenen Fotos stammen von Bleyer und seiner Frau Anete Szydlak-Bleyer (die allerdings nur Impressum erwähnt wird), die durchaus ansprechenden Texte stammen von der Autorin Mia Raben. Weiterlesen

Video: „Rock Me Amadeus“ von Du & Ich

Im letzten Sommer erschien das Album „NDW – Wiederbesucht“ des Studioprojekts Du & Ich. Produziert und eingespielt wurden die insgesamt neun Tracks von Camilo Goitia und mir, Dennis Schütze. Kurz danach erschien das von Ralf Schuster produzierte Musikvideo „Da Da Da“.

In diesem Monat werden jeden Mittwoch ausgewählte Tracks des Album als Fotovideos veröffentlicht, heute unsere Interpretation des Falco-Klassikers „Rock Me Amadeus“ von 1985. Im selben Jahr erreichte es die Spitzenplatzierung in den US-amerikanischen Billboard Charts und der UK Top 40. „Rock me all the time to the top!“

Buch: „Der Zauberer“ von Lila Azam Zanganeh

NabokovLila Azam Zanganeh wurde in Paris geboren, wuchs als Tochter iranischer Emigranten in Frankreich auf und studierte an der renommierten École Normale Supérieure. Sie schrieb feuilletonistische Artikel für New York Times, Paris Review und Le Monde. 2011 erschien ihr Buch „The Enchanter: Nabokov and Happiness“. 2015 erschien die deutsche Übersetzung „Der Zauberer: Nabokov und das Glück“ in deutscher Übersetzung bei Büchergilde Gutenberg. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist ein sehr eigenständiges, ungewöhnliches Buch. Die Autorin erzählt auf sehr persönliche und poetische Weise von ihrer Begegnung mit den Texten des russisch-amerikanischen Autors Vladimir Nabokov (Autor von z.B. „Lolita“). Sie erforscht die eigene Verzauberung und Faszination durch eine genaue Inaugenscheinnahme seiner Texte, seiner Biographie, seines Privatlebens, interpretiert Fotos, besucht Schauplätze, trifft im Verlauf auf seinen Sohn Dmitri, den sie ausführlich befragt. Heraus kommt dabei eine äußerst individuelle Annäherung an einen ambivalenten Autoren, der in diesem Buch nahezu selbst zur literarischen Figur stilisiert wird.

Zanganeh bleibt dabei durchaus immer respektvoll, der Text ist sicherlich etwas besonderes, allerdings wirkt der Blickwinkel passagenweise etwas arg narzisstisch, wie eine Nabelschau, die Obsession wirkt dann mächtiger als das Objekt der Begierde selbst, das muss man mögen, kann aber, wenn man sich darauf einlässt, durchaus gefallen.

Das Buch erscheint bei Edition Büchergilde, hat 240 Seiten und kostet gebunden 22,95 €.