Album: „Cross my Palm with Silver“ von Avishai Cohen

Avishai Cohen wurde in Tel Aviv geboren und wuchs dort in einem musikalischen, familiären Umfeld auf. Seine größeren Geschwister Anat Cohen und Yuval Cohen sind etablierte Saxophonisten. Als Teenager tourte er mit dem Israeli Philharmonic Orchestra, später studierte er am Berklee College of Music in Boston, seitdem lebt er in New York.
Sein Debut nannte er „The Trumpet Player“ (2003) um nicht mit dem namensgleichen Kontrabassisten (ebenfalls aus Israel) verwechselt zu werden. Seither hat er fast jedes Jahr unter eigenem Namen und mit verschiedenen Formationen Alben veröffentlicht und international Konzerttouren absolviert. 2016 erschien „Into the Silence“ bei dem renommierten, deutschen Label ECM. Nun wurde, nur ein Jahr später, ebendort der Nachfolger „Cross my Palm with Silver“ (2017) veröffentlicht. Weiterlesen

Buch: „Hitlerjunge Schall“ von André Postert

André Postert ist promovierter Historiker und arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Hannah-Arendt-Institut in Dresden. Aktuell beschäftigt er sich mit Jugend und Hitlerjugend im Nationalsozialismus und hat dazu die umfangreiche Schrift „Hitlerjunge Schall“ bei dtv veröffentlicht. Es geht darin um die Tagebücher des bekennenden Nationalsozialisten Franz Albrecht Schall, einem thüringerischen jungen Mann aus gutbürgerlichem Hause, der zusammen mit seinen zwei Brüdern und gegen den erklärten Willen seiner Eltern starke Sympathien für die nationalsozialistische Bewegung entwickelt. 1925 wurde Schall Pfadfinder, 1930 trat er in die Hitlerjugend ein und 1932 wurde er Mitglied der NSDAP. Das Besondere an diesem Fall: Von 1928 bis 1935 führt der junge Abiturient, Lehrling und spätere Student akribisch Tagebuch über seine Erlebnisse und dokumentiert damit insbesondere seine persönliche, aber auch die gesellschafts-ideologische Entwicklung in Deutschland in der ersten Hälfte der 1930er Jahre. Nahezu täglich berichtet er von Ausflügen, HJ-Treffen, Kameradschaftsabenden, Kundgebungen, Parteitreffen und was diese Erlebnisse in ihm auslösten. So gewähren die Aufzeichnungen einen einzigartigen Blick in die ideologische Verblendung einer gebildeten und an sich liberal und tolerant erzogenen Einzelperson aus besserem Hause. Weiterlesen

Buch: „Die grosse Aufstiegslüge“ von Suat Yilmaz

Suat Yilmaz ist türkischstämmiger Deutscher der zweiten Generation. Er wurde 1978 in der Türkei geboren, nach der Auswanderung seiner Familie nach Deutschland wuchs er im Ruhrgebiet auf, machte Abitur und studierte, nach einem kleinen akademischen Umweg, Sozialwissenschaft. Heute arbeitet er als Talentscout für die Westfälische Hochschule und unterstützt benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene in Schule und Studium. Durch seine persönliche Herkunft und berufliche Tätigkeit hat Yilmaz einen besonderen Einblick in viele Einzelschicksale. Die Erfahrungen seines eigenen Lebenslaufs und viele seiner Beobachtungen hat er nun in dem Buch „Die grosse Aufstiegslüge“ zusammengefasst. Weiterlesen

Königlich: “Max Giesinger und die deutsche Industriemusik”

Passend zur Echoverleihung entlarvt Jan Böhmermann in einem Beitrag von Neo Magazin Royal die deutsche Popschlagerszene als das, was sie ist: Ein Haufen geldgieriger, von Konzernbossen gesteuerter Marionetten, die noch dazu die Frechheit besitzen sich zu Unrecht mit den Insignien ehrenwerter Songpoeten zu schmücken. Q.E.D.

Über CUT/COPY/PASTE

„Die relativ junge Idee des geistigen Eigentums und Copyrights sieht sich faktisch wieder aufgelöst, wird de jure aber mit allmöglichen juristischen Klimmzügen (noch) aufrechterhalten; es wird den neuen Medienverhältnissen wieder anzupassen versucht. Der Künstler oder Musiker vergangener Zeiten, z.B. des Barock, für den es eine Auszeichnung war, kopiert zu werden und der selbst kopierte, hätte in der Copyright-Kultur der jüngeren Vergangenheit seine rechte Not mit dem Gesetz gehabt. Im digitalen Zeitalter fände er sich wieder problemlos zurecht, denn was heute CUT/COPY/PASTE heißt, hieß früher bspw. „Parodieverfahren“ oder „Pastiche“. Im „Mashup“ der Gegenwart erfüllt sich die Anerkennung fremden Wirkens. Jenseits der unterschiedlichen Namen sind die Verfahrensweisen damals/heute im Umgang mit Kunst einander sehr ähnlich.“

Norbert Schläbitz in: „Als Musik und Kunst dem Bildungstraum(a) erlagen“ (V&R 2016, S. 48)

Buch: „Hinter den Türen warten die Gespenster“ von Florian Huber

Florian Huber hat Geschichte und Volkswirtschaft studiert und ist Autor und Regisseur von Doku-Dramen, Dokumentarfilmen und Reportagen für ARD, ZDF, Arte und andere Sender. 2015 legte er mit „Kind, versprich mir, dass du dich erschießt “ ein erschütterndes Buch über den Untergang der kleinen Leute 1945 vor, das in Form von Einzelschicksalen von der Selbstmordwelle erzählt , die ab den letzten Kriegsmonaten von Osten aus durch Deutschland brandete und tausende Frauen, Männer und Kinder mit sich riss. Aber Geschichte bleibt nicht stehen, sie macht nicht Halt, sondern geht unerbitterlich weiter. Weiterlesen

Buch: „How Music got free“ von Stephen Witt

Stephen Witt ist amerikanischer Journalist und hat im Sommer 2015 mit “How Music got free“ sein erstes umfangreiches Sachbuch veröffentlicht. Kurz darauf erschien das Buch mit gleichnamigem Titel in deutscher Übersetzung, ein darauf Jahr nun die englischsprachige Taschenbuchausgabe. Das Buch trägt den Untertitel „A Story of Obsession and Invention“ und Witt beschreibt darin detailliert und sachkundig den revolutionären Wandel den Digitalisierung, MP3-Format und die Möglichkeiten des Internets auf die globale Musikindustrie und letztlich die ganze Gesellschaft hatten.

Witt erklärt bereits in der Einleitung, dass er diese aufregenden Zeiten des medialen Wandels als junger Student und aktiver Filesharer selbst miterlebt hat. Jahre später hat er sich dann für die Protagonisten und deren Motivation interessiert und ist dem in intensiver und nicht immer einfacher Recherche nachgegangen. Er hat die spannende Erzählung auf verschiedene Blickwinkel verteilt um die Geschehnisse greifbarer zu machen. Zentrale Handlungsstränge sind die Geschichten der Figuren Karlheinz Brandenburg (Forscher am Erlanger Fraunhofer Institut und Entwickler des MP3-Formats), Bennie Lydell Glover (Mitarbeiter eines amerikanischen CD-Presswerks, aktiver Leaker und Filesharer) und Doug Morris (CEO diverser globaler Medienkonglomerate), dazu kommen passagenweise weitere Akteure wie Shawn Fanning (Napster), Alan Ellis (Oink) u.a. Weiterlesen

Buch: „Ich hasse dieses Internet“ von Jarett Kobek

Jarett Kobek ist türkisch-stämmiger US-Amerikaner und lebt im Bundesstaat Kalifornien. Nach der hoch gelobten Novelle „ATTA“ veröffentlicht er im Frühjahr 2016 seinen ersten, mit Spannung erwarteten Roman „I hate the Internet“. Unter dem Titel „Ich hasse dieses Internet“ erschien er im Herbst 2016 bei S. Fischer in deutscher Übersetzung (einwandfrei: Eva Kemper). Kobek beschreibt in seinem polemischen, über weite Passagen bitter-sarkastischen Roman die problematischen Folgen der digitalen Medien. Weiterlesen

Erfahrungsbericht: Wo findet eigentlich (pop)musikwissenschaftlicher Diskurs statt?

Meine Studienzeit liegt schon eine Weile zurück. Als ich das (Zweit-)Studium der Musikwissenschaft an der bayerischen Universität meiner Heimatstadt antrat, hatte ich gerade das Diplom an einer Hochschule für Musik absolviert. Es war ein praktisch orientiertes Studium gewesen, abgesehen vom Hauptfach, wo man den Lehrer zweimal die Woche in einer Eins-zu-eins Situation gegenüber saß, hatte es kaum Gelegenheiten für einen erweiterten fachlichen Austausch gegeben. Musikpädagogische Erfahrungen sammelte man alleine, es wurde kaum etwas empfohlen, besprochen oder diskutiert. Aus diesem Grund hatte ich mich auch für ein anschließendes, geisteswissenschaftliches Studienfach entschieden. Für mich gab es mit dem Beginn des Zweitstudiums einiges nachzuholen. Insbesondere in meinen Nebenfächern Amerikanistik und Kulturwissenschaft englischsprachiger Länder gab es bergeweise Texte aus mehr als 500 Jahren zu lesen. Ich richtete mich dabei nach einer Liste von Titeln die im ersten Semester an alle Studierenden als kleines, kopiertes Heftchen ausgegeben worden war. Ob man diese Titel gelesen hatte, interessierte im weiteren Verlauf aber dann niemanden mehr. Im Grundstudium wurden in den Einführungskursen und Proseminaren verschiedene Themen an die Kursteilnehmer verteilt, man musste ein Referat darüber halten und am Ende des Semesters eine Seminararbeit abgeben. Lehrbeauftragte waren gestresst und hatten kaum Zeit, Professoren waren so gut wie nicht ansprechbar. So ging es im Hauptstudium weiter: Vorlesung und Seminar besuchen, Referate der Mitstudierenden anhören, Seminararbeit schreiben und abgeben, Schein abholen. Meinungsaustausch oder Diskussionen gab es nicht. Weiterlesen