Buch: „Im Wilden Wedding“ von Heiko Werning

wildweddingHeiko Werning ist Autor zahlreicher Fachbücher zu Reptilien und Verfasser humoristischer Kurzgeschichten. Er tritt regelmäßig bei den Berliner Lesebühnen Brauseboys auf und schreibt als freier Mitarbeiter für jungle world, Titanic und taz. Seit 1991 lebt er im Berliner Stadtteil Wedding. Im März 2014 legte er mit „Im Wilden Wedding“ seine vierte Veröffentlichung im Tiamat Verlag vor. Die Geschichtesammlung trägt den Untertitel „Zwischen Ghetto und Gentrifizierung“ und beschreibt aus der Ich-Perspektive den alltäglichen Wahnsinn in und um das Leben des Autors. Weiterlesen

„Eine dunkle Geschichte“ von Ludwig Hermann Schütze

Eine dunkle Geschichte muss ich noch aus meiner Kindheit erzählen. Ich war wohl noch in der Vorschule, da schenkte mir die gute Mutter 10 Pfennige, um mir auf dem Schulweg einen Apfel zu kaufen. Zu meiner freudigen Überraschung bekam ich von der Äppelfrau 40 Pfg. heraus. Was sollte ich nun mit diesem unverhofften Reichtum anfangen? Auf den Gedanken, ihn einfach der Mutter zurückzugeben, kam ich leider nicht, vielmehr sollte etwas Unerhörtes damit geschehen. Ich kaufte also auf dem Heimweg für volle 40 Pfg. Bonbons und erschrak nicht wenig, wie ich die Riesentüte sah. Was nun damit anfangen? Mit schwante wohl so was, dass juristische und moralische Bedenken bestehen könnten den Raub zu Hause zu präsentieren. Allein essen aber konnte ich ihn bei der größten Kraftanstrengung auch nicht. So blieb mir nichts anderes übrig, als großzügig davon an Kameraden zu verteilen, was eine augenblickliche Steigerung meines Ansehens zur Folge hatte. Diese Freude war indessen nur von kurzer Dauer und sie nahm immer mehr ab, je näher ich dem Vaterhause kam. Die Hoffnung, dass die Mutter von dem Versehen nichts gemerkt hätte, erwies sich leider als trügerisch, ich wurde mit den Worten empfangen: „Ich habe Dir ja 50 Pfg. statt 10 gegeben, wo sind die 40 Pfg.?“ Vergebens stellte ich mich dumm: „50 Pfg.? 40 Pfg.? …?“ Es half nichts und ich war nicht gerissen genug, die Ausrede zu erfinden, dass die Äppelfrau es wohl nicht gemerkt hätte. Es folgten Betrachtungen meiner Mutter über die Schändlichkeit meiner Handlung, begleitet von bedauerlichen Handgreiflichkeiten, wie ich fürchte. Und so nahm mein erstes Auftreten als Wohltäter der Menschheit ein trübes Ende. Auch habe ich von einer nachhaltigen Wirkung meines Edelmuts bei meinen Kameraden nichts gespürt.

Ludwig Hermann Schütze (1869-1943) ist mein Urgroßvater väterlicherseits. Er war Kunsthändler und Kunstkritiker, arbeitete viele Jahre für die Photographische Gesellschaft Berlin (davon elf Jahre in New York) und verfasste im Laufe seines Lebens journalistische, literarische und autobiographische Texte.

Noten: „Acoustic Pop Guitar Songs 3“ von Michael Langer

AcousticPop3Der Gitarrist Michael Langer hat in Wien klassische Gitarre studiert und leitet die Gitarrenklassen an der Anton-Bruckner-Privatuniversität in Linz und am Konservatorium in Wien. Im Laufe seiner Karriere hat er einige CD-Alben eingespielt und viele Notenhefte mit Eigenkompositionen und arrangierten Fremdkompositionen veröffentlicht. In seiner neuesten Publikation „Acoustic Pop Guitar Solos 3“ vom April 2015 zeigt sich Michael Langer ein weiteres Mal von seiner allerbesten Seite. Weiterlesen

Buch: „Soll und Haben“ von Jane Gleeson-White

1347_01_SU_GleesonWhite_SollUndHaben.inddJane Gleeson-White ist eine australische Wirtschafts- und Literaturwissenschaftlerin. Das Buch „Soll und Haben“ erschien als englisches Original im Jahr 2012 unter dem Titel „Double Entry: How the Merchants of Venice created modern Finance“. Die deutsche gebundene Ausgabe erschien im März 2015 und trägt den Untertitel „Die doppelte Buchführung und die Entstehung des modernen Kapitalismus“. Die Autorin hat sich damit einiges vorgenommen, beschreibt die Etablierung und Auswirkungen eines buchhalterischen Systems zuerst in Italien, dann in Westeuropa und schließlich auf globaler Ebene. Sie präsentiert damit eine Kombination aus westlicher Wirtschafts- und Kulturgeschichte aus speziellem Blickwinkel. Weiterlesen

Die Musikstudenten: Valerie

“Valerie” ist ein weiteres Video zum neuen EP-Album “Pop Studies” der Würzburger Tanz- und Cocktailband Musikstudenten (VÖ im April). Der Song erschien ursprünglich auf dem Album “Tired of hanging around” (2006) der britischen Indieband The Zutons. Weltbekannt wurde „Valerie“ dann 2007 durch die Interpretation von Amy Winehouse. Sie veröffentlichte den Song als Bonustrack der Deluxe-Ausgabe von „Back to Black“.

Wir haben unsere Version als Quartett in loungiger Jazzcombo-Besetzung mit klassischer Gitarre und Besenspiel auf einem Minidrumset eingespielt. Die Musik für diesen Track wurde produziert Dennis Schütze, Mix & Master von Jan Hees, Video von Jens-Uwe Otte von Ape Demie Movie. Ab September werden weitere Videos zu Tracks der beiden aktuellen EPs folgen. Look across the water!

Familiengeschichte(n): Ein Überblick, Teil 2

Einer der Söhne meines Ururgroßvaters Ludwig Schütze (Senior) war Ludwig Hermann Schütze (mein Urgroßvater). Er wurde am 12. April 1869 in Düsseldorf geboren, wuchs dort auf, ging zur Schule und absolvierte ab 1886 eine Lehre zum Kunsthändler in der Firma Ed. Schulte, bei der sein Vater als Geschäftsführer angestellt war. Nach seiner Lehrzeit zog er 1889 nach Berlin und trat dort eine Stelle als Korrespondent bei der Photographischen Gesellschaft Berlin an. Von Herbst 1891-92 musste er die Arbeit dort unterbrechen und absolvierte seinen Militärdienst. In seinen Lebenserinnerungen äußert er sich kritisch über die „Willkür der Subalternen“, „die oft recht rohe Behandlung wehrloser Rekruten durch brutale Unteroffiziere“, den „vielfach geistlosen Drill“. Einige kleinere Verletzungen lassen ihn mehrmals Zeit im Lazarett verbringen, er nahm deswegen nicht am Manöver teil und die übliche Beförderung blieb aus. Das scheint ihm aber nichts ausgemacht zuhaben. Amüsiert erzählt er die Anekdote, dass er aufgrund seines Nachnamens von den Militärs vorab maßlos überschätzt wurde und bei den Schießübungen dann kläglich versagte. Nach seiner Rückkehr an seinen Arbeitsplatz in Berlin macht man ihm das Angebot doch für einige Zeit in die Filiale nach New York zu wechseln. Als abenteuerlustiger und noch lediger, junger Mann nahm er diese einmalige Gelegenheit dankend an. Er reiste zuerst nach London und arbeitete eine Zeit lang in der dortigen Filiale um sich mit dem Abläufen vertraut zu machen. Ende Oktober 1892 bestieg er in Southampton den Schnelldampfer „Lahn“, überquerte den Atlantik und betrat in New York erstmals amerikanischen Boden. Zur Jahreswende arbeitete er bereits in der New Yorker Filiale der Photographischen Gesellschaft, übernahm kurz danach die Geschäftsleitung und verbrachte dort seine nächsten elf Lebensjahre. Am 10. Oktober 1896 heiratete er die deutschstämmige Amerikanerin Frida Volkmann, sie galt als kulturell gebildet und spielte Klavier. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, hervor. Die Familie wohnte in Brooklyn und hier wurde im August 1902 in Flatbush mein Großvater Ralph Ernst Schütze geboren. Kurz danach übersiedelte die ganze Familie zurück nach Berlin. Mein Urgroßvater arbeitete noch bis Ende der 1920er Jahre für die Photographische Gesellschaft Berlin, im Jahr 1928 eröffnete er zusammen mit Charlotte Luke die Galerie „Kunststube“ in Berlin. Er schrieb – wie sein Vater – nebenberuflich feuilletonistische Artikel und Kunstkritiken für amerikanische und deutsche Zeitungen und Zeitschriften u.a. für die Deutsche Allgemeine Zeitung (DAZ). Ab Anfang der 1930er Jahre zog er sich aus dem beruflichen Leben zurück und verbrachte mehrere, längere Aufenthalte in einem Sanatorium. Er litt unter einem sog. „schweren Gemüt“, war im Alter vermutlich depressiv. Aus dieser Zeit stammen die umfangreichen Lebenserinnerungen („Aus den Erinnerungen eines alten Kunsthändlers“) und diverse Kurzgeschichten. Für ihn als aufgeschlossenen und weltgewandten Kunst- und Kulturliebhaber müssen die politischen Verhältnisse zum Ende seines Lebens bedrückend gewesen sein. Er äußert sich dazu in seinen Erinnerungen fast gar nicht und wenn, dann nie konkret. Ob das eine Vorsichtsmaßnahme angesichts der totalitären Überwachung gewesen ist oder ob er sich tatsächlich nicht für Tagespolitik interessierte, wird nicht ganz klar. Er stirbt im November 1943 in Berlin eines natürlich Todes, an Kamphandlungen war er Zeit seines Lebens nicht beteiligt.

Ralph Ernst Schütze (mein Großvater) wurde am 18. August 1902 in Flatbush, Brooklyn geboren. Bereits als Kleinkind siedeln die Eltern um, zurück nach Berlin. Zwei Jahre später wird dort im Jahr 1904 sein kleiner Bruder Ludwig Joseph Schütze als jüngstes Kind der Familie geboren. Ralph Ernst geht in Berlin zur Schule, absolviert eine Lehre und macht am 17. Dezember 1924 seinen Führerschein. Automobile, Motoren und Technik sollen zeitlebens seine große Leidenschaft bleiben, er arbeitet bis zum Ende des Krieges für die Bayerischen Motorenwerke in Berlin und heiratet zweimal in seinem Leben. Aus der ersten Ehe gehen drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn hervor. Die zweite Ehe schließt er am 16. Februar 1942 mit der blutjungen Esther Ruth Reger (meiner Großmutter). Ihr erster Sohn Christian Michael Schütze (mein Onkel) wird im März 1942 in Berlin geboren, ihr zweiter Sohn Thomas Ralph Schütze (mein Vater) wird am 13. November 1943 geboren, ebenfalls in Berlin. Kurz danach verlassen Ehefrau, Ex-Ehefrau, die fünf Kinder und weitere Verwandte die Hauptstadt, die zunehmend unter alliierten Bombardements zu leiden hat. Für mehrere Jahre leben große Teile der Familie Schütze in Sicherheit vor den Kriegshandlungen in dem kleinen Bergdorf Gerlos in Tirol in Österreich. Mein Großvater arbeitet derweil immer noch für BMW in Berlin, kann es aber einrichten, dass er regelmäßig in einer Fabrik in der Nähe zu tun hat und kommt alle paar Wochen oder Monate vorbei. Erst 1946 kehrt die Familie nach Berlin zurück, ihre Wohnungen sind nicht zerstört worden und alle haben überlebt. Ralph Schütze gilt als stattlicher und gewitzter Mann, er spielt etwas Gitarre und singt dazu mit kräftiger Stimme. Nach dem Krieg arbeitet er als Autohändler bei dem amerikanischen Hersteller Ford. Zum Ende seines Lebens wird auch er – wie sein Vater – schwermütig kommt in Zeiten des Wirtschaftswunders nicht mehr zurecht. Er stirbt am 27. September 1964, also acht Jahre vor meiner Geburt.

Erwähnen will ich in diesem Zusammenhang noch den kleinen Bruder meines Großvaters. Ludwig Joseph Schütze wurde 1904 in Berlin geboren. Nach seiner Schulzeit und einer Lehre zum Buchhändler studierte er am Berliner Konservatorium Klavier. Danach arbeitete er als privater Musiklehrer und unterrichtete Klavier und Blockflöte. Im Laufe seines Lebens vertonte er Gedichte zu Liedern und komponierte für Klavier und Blockflötenensemble. Etliche seiner Liedkompositionen wurden im Rahmen von Liederabenden öffentlich aufgeführt, nach dem Krieg wurden einige Lieder im Radio gesendet, Tonaufnahmen existieren leider nicht. Seine musikalische Hinterlassenschaft befindet sich mittlerweile in meinem Besitz. Ein „Allegro für Klavier und Klarinette“ in F-Dur habe ich transkribiert. Es liegen nun ein Notensatz und eine ePlayer-Version vor. Sein Stil ist stark von der klassisch-romantischen Tradition geprägt. Klassische Moderne oder gar Folklore, Jazz oder Unterhaltungsmusik spielen keine erkennbare Rolle.

Mein Vater Thomas Ralph Schütze wurde am 13. November 1943 in Berlin geboren. Sein früheste Kindheit verbrachte er in dem kleinen Bergdorf Gerlos in den Tiroler Alpen. Ab ca. 1946 wuchs er in Berlin auf, ging dort zur Schule, absolvierte eine Lehre zum Schlosser, arbeitet dann auf einer Werft in Hamburg und fuhr für etliche Jahre zur See. Auf großen Tankern schipperte er durch alle Weltmeere und studierte anschließend Ingenieurswesen. Ich wurde im Juli 1972 noch in Elmshorn bei Hamburg geboren, kurz danach zog die kleine Familie nach München, wo mein Vater Arbeit als Betriebsingenieur am neu errichteten Klinikum Großhadern gefunden hatte. Aus der Ehe mit Heidelore Marie-Luise Zerbe (meiner Mutter) gingen zwei Kinder hervor. Im Juni 1975 wurde in München meine Schwester Melanie geboren.

Soweit mein erster Überblick, ist doch ein ganzes Stück länger geraten als ich dachte. Einige der Gedichte, Kurzgeschichten, Lebenserinnerungen, Fotos, Zeichnungen und Kompositionen meiner Vorfahren werde ich im Lauf der nächsten Wochen und Monate auf diesem Blog vorstellen. Ich habe zwar schon einiges gesichtet, habe aber auch noch einiges vor mir, teilweise müssen die Dokumente auch vorbereitet und aufgearbeitet werden. Die Familiengeschichte(n) wird mich noch eine Weile beschäftigen.

Quellen:
Ludwig Hermann Schütze: Aus den Erinnerungen eines alten Kunsthändlers. (Privat)
Ludwig Joseph Schütze: Sämtliche Werke. (Privat)
Ulrich Parenth: Wie Goethes „Faust“ auf die Bühne kam. (Gerd J. Holtzmeyer Verlag)
L. von Alvensleben: Biographisches Taschenbuch deutscher Bühnen-Künstler und Künstlerinnen (Leipzig, 1837)
A. Entsch: Deutscher Bühnenalmanach (Berlin, 1869)

Familiengeschichte(n): Ein Überblick, Teil 1

Aus der Hinterlassenschaft eines kürzlich verstorbenen Onkels sind im Frühjahr 2015 einige familiäre Erinnerungsstücke in meine Hände geraten, darunter Fotoalben, Dias, Briefe, Tonbänder und auch ein Bildnis meines Urgroßvaters Ludwig Hermann Schütze (1869-1943). Darüber und die Gefühle, die das in mir auslöste, habe ich vor einigen Wochen in einem Blogartikel berichtet.
Wie es so ist nach einem Todesfall, gab es in der erweiterten Familie Dinge zu besprechen und Angelegenheiten zu regeln, die Familie rückte ein klein wenig näher zusammen, einige Kontakte wurden dadurch aufgefrischt, in meinem speziellen Fall entstand Kontakt zu Verwandten, die ich bis dahin nur vom Hörensagen kannte. Im Mai lernten wir uns dann persönlich kennen, tauschten uns aus und es lag nahe, dass wir schließlich auch über unsere gemeinsamen Vorfahren zu sprechen kamen. Bis dahin kannte ich nur einige, allerdings vielversprechende Anekdoten, hatte jedoch nicht den Eindruck, dass viel mehr in Erfahrung zu bringen sei. Schon die erste, kurze Begegnung mit der Berliner Verwandtschaft belehrte mich da eines besseren, hier wurden ganz nebenbei von Erlebnissen berichtet, Geschichten erzählt und Zusammenhänge erwähnt, die mich ganz neugierig machten. Ich hielt also Kontakt und stellte viele Fragen. Seitdem habe ich von meinem Vater, diversen Großcousins und Menschen deren Verwandtschaftsgrad mit mir gar nicht so leicht herzuleiten ist ganz viel erfahren. Mir wurden Emails und Briefe geschrieben, mir wurden Fotos und Abbildungen geschenkt und man hat mir Stammbücher, Kompositionen und andere Dokumente anvertraut.
Unabhängig davon habe ich mich ganz allgemein mit den Lebensbedingungen meiner Vorfahren vertraut gemacht (Geburtsort und –datum, Beruf, Eheschließung, Wohnorte, Lebensende) und in einem besonderen Fall habe ich auch sehr viele Informationen in Fachbüchern aus dem 19. Jahrhundert gefunden, die heutzutage mit überschaubarem Aufwand über Google Books zu finden und dort auch kostenlos zu beziehen sind.
Im Folgenden möchte ich einen kleinen Überblick bieten über das, was ich in den letzten Wochen zusammengetragen habe. Meine Erkundigungen beziehen sich auf die Familie väterlicherseits. Die meisten Informationen fanden sich über die direkte Linie der männlichen Familiennamensträger (Schütze) auf die ich mich in der Darstellung zunächst beschränken will. Sie ließ sich bis ins späte 18. Jahrhundert, also über fünf Generationen zurückverfolgen.

Von Nicolaus Gottlieb Schütze (meinem Ururururgroßvater) ist nicht viel bekannt, geboren wurde er wohl in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In einer Quelle wird er als verarmter Landwirt, an anderer Stelle als Gutsbesitzer bezeichnet. Er lebte im „Alten Land“ bei Hamburg, wird aber um 1801 auch mit dem Gut Niebeck (bei Uelzen) in Zusammenhang gebracht. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits verheiratet mit Marie Elisabeth Ritter. Zusammen hatten sie mehrere Kinder davon mindestens zwei Söhne: Mein Urururgroßvater Johann Erdmann Nicolaus Schütze (*1799) und Johann Wilhelm Eduard Schütze (*1801). Den Vater Nicolaus Gottlieb Schütze hat irgendwann das Glück verlassen, durch einen Krieg verlor er „Vermögen und Wohlstand“ und verdiente sich danach seinen Lebensunterhalt mit privaten Musikstunden. Aufgrund seiner finanziellen Situation war es ihm nicht möglich seinen Kindern eine höhere Schulbildung zu bieten. Er verstarb während der Belagerung Hamburgs in den Jahren 1813/14 an einer Krankheit.

Über seinen Sohn Johann Erdmann Nicolaus Schütze (meinen Urururgroßvater) ist wesentlich mehr in Erfahrung zu bringen, „schon in dem zehnjährigen Knaben erwachte […] die Liebe zur Schauspielkunst“ und er besuchte regelmäßig die Hamburger Bühne. Im Jahr 1815 mit knapp 17 zog er mit den hanseatischen Truppen in den Krieg gegen Napoleon. Bei ihrer Ankunft war die Schlacht in Waterloo glücklicherweise bereits geschlagen und das Kontingent kampierte wochenlang einige Kilometer vor Paris. Um die Langeweile zu vertreiben probte er zusammen mit einiger Kameraden Theaterstücke ein und brachte sie erfolgreich zur Aufführung. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg schloss er sich einem „Dilettanten-Vereine“ an und widmete sich nun voll und ganz seinem Interesse für Schauspielkunst. Schon nach kurzer Zeit schauspielerte er hauptberuflich und arbeitete sich Stück für Stück nach oben. Seinen bürgerlichen Namen legte er kurz darauf ab und wurde bekannt als (Johann Nikolaus) Eduard Schütz. Es war für Schauspieler bereits damals üblich oft den Wohnort zu wechseln und so arbeitete er an vielen Theatern in verschiedenen Städten. Eine besondere Station wurde sein Engagement am Hoftheater in Braunschweig. Hier spielte er im Januar 1829 die Hauptrolle bei der Uraufführung von Goethes „Faust“. Das Drama war zwar bereits 1808 in Schriftform veröffentlicht worden, galt aber zwei Jahrzehnte lang als unaufführbar. Das Hoftheater Braunschweig unternahm in einer gekürzten Fassung den weltweit ersten Versuch das bedeutende Drama auf die Bühne zu bringen und in der Rolle des Dr. Faust ist mein Urururgroßvater Eduard Schütz in die Theatergeschichte eingegangen. Es gibt über ihn sogar einen eigenen Wikipediaeintrag und er wird mehrfach in der Fachliteratur erwähnt.
Eduard Schütz war viermal verheiratet. Von seiner ersten Frau ließ er sich aus unbekannten Gründen scheiden, im Jahr 1824 heiratete er die Sängerin Betti Schmidt geb. Herz. Nach ihrem Tod im Jahr 1835 heiratete er am 1. Mai 1836 die Schauspielerin Sophie Höffert, aus dieser Ehe gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor. Nach dem Tod seiner dritten Frau im Jahr 1850, heiratete er am 3. Juni 1851 Marie Würth, aus dieser Ehe ging ein Sohn hervor. Nach der Uraufführung des „Faust“ hatte Eduard Schütz weiterhin Engagements und Gastspiele an verschiedenen Theatern u.a. in Leipzig (1829-31), Würzburg, Braunschweig, Wiesbaden (1854-56), bevor er 1856 als Direktor des Hoftheaters nach Braunschweig zurückkehrte und dort bis zu seinem Tod wirkte. Er starb am 2. Mai 1868 an einer Krankheit. Nur wenige Tage zuvor verfasste er dieses letzte Gedicht:

“Doch wollen wir dem Ewigen vertrauen,
Und, naht sich dann der Tage letztes Ende,
Froh sprechen und nach oben schauen:
Herr, ich befehle meinen Geist in deine Hände.”
(Eduard Schütz, 1868)

Eduard Schütz wird beschrieben als „sehr fleißiger Mann mit einer didaktischen Ader, aber auch einem gewissen Hang zur Pedanterie“ (Hartmann). An schriftlichen Arbeiten hinterließ er etliche Prologe, Gedichte, dramatische Abhandlungen und Bühnenwerke. Er war der Onkel des Reiseschriftstellers Friedrich Gerstäcker, der seine Jugendjahre bei ihm verbrachte und ihm in seinem Roman „Im Eckfenster“ mit der Figur des Theaterdirektors Süßmeier ein literarisches Denkmal setzte.

Einer seiner Söhne aus der Ehe mit Sophie Höffert war August Ludwig Heinrich Johann Carl Schütze (mein Ururgroßvater). Er wurde am 28. November 1841 in Braunschweig geboren, wuchs dort auf und absolvierte nach seiner Schulzeit eine Lehre in einer Buchhandlung. Irgendwann zog er nach Düsseldorf und heiratete dort die ortsansässige Friedericke Wilhelmine Bertha Audoyer. Aus der Ehe gingen mehrere Kinder, vermutlich drei Söhne hervor, einer davon war mein Urgroßvater Ludwig Hermann Schütze. Der Vater arbeitete hauptberuflich als geschäftsführender Kunsthändler bei der Firma Ed. Schulte und verfasste nebenbei Artikel für angesehene Zeitungen und Zeitschriften. U.a. war er jahrelang Kunst- und Schauspielreferent des Düsseldorfer Generalanzeigers und war als Kunstkenner und regelmäßiger Theatergänger bekannt. In einem Nachruf heißt es: „Sein für alles Schöne und Edle sich bis in seine letzte Lebenszeit mit jugendlicher Frische erwärmendes Gemüt […] gewann ihm die Herzen all derer mit denen er in Berührung kam.“ Er starb am 22. April 1903 in Düsseldorf.

Teil 2 folgt.