Reise: Wien (2015), Teil 2

Am nächsten Tag (Mi) zu Fuß zum Haus der Musik, das sich auch als Klangmuseum bezeichnet, teurer Eintritt, wieder einmal wird klar wie schwer es ist Klangerlebnisse zu musealisieren, am besten gelingt das noch mit der Klangtonleitertreppe zum ersten Stockwerk, danach sieht man viele Fotos, Texttafeln, Taktstöcke, Partiturfaksimiles. Dazu Bildschirme mit Touchfunktionen und Kopfhörern („Sonosphäre“), mein Sohn ist schon nach 15-20 Min. ungeduldig von einem Fuß auf den anderen getreten, mir wurden die Beine schwer. Am besten noch die klassische Ausstellung der Wiener Klassiker Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Strauss, Mahler („Die großen Meister“), danach noch ein paar sehr knappe Tafeln zu Schönberg, Berg, Webern. Ziemlich nervig dagegen die virtuellen Anteile („Virtostage“), man dirigiert die Projektion eines abgefilmten Orchesters, ist etwas öde und wahnsinnig weit entfernt von aktuellen Musikwirklichkeiten, letzten Endes auch nicht interaktiv, sondern folgt einem strengen, vorgegebenen Ablauf. Mein Sohn fand den nachfolgenden Museumsshop interessanter.IMG_3670Kleiner Snack auf der Sonnenterasse am Palmenhaus (teuer, aber leider lecker), danach weiter zum Naturhistorischen Museum, dort folge ich meinem Sohn schnurstracks zu den Dinos, dann Stein-, Eisen- und Bronzezeit, digitales Planetarium und viele ausgestopfte Tiere. Wirklich beeindruckend und überhaupt nicht langweilig, habe viel über Meteorenimpakte und Aussterbezyklen der Erdgeschichte gelernt, die Welt wie wir sie kennen ist im stetigen Wandel, hält alles nicht ewig, macht euch also keine Sorgen!IMG_3685Abends ins Mari zum Pizzaessen, danach noch einen Abstecher ins nahegelegene Zwe. Eine Groove-Session war angekündigt, studentische Jazzinstrumentalisten spielten angestaubte Hardbopstandards in der spießigen Abfolge Thema –Saxsolo – Gitarrensolo – Pianosolo – Basssolo – Fourths – Thema. Gleich zu Beginn drei ähnliche Nummern im nahezu selben Tempo und alle im Swingrhythmus. Ging’s bei Jazz nicht mal um gute Ideen, Kollektivimprovisation, Brechen der etablierten Regeln? Und wann fängt es bei dieser Groove Session endlich mal an zu grooven? (Anmerkung: Swing kann meiner Meinung nach swingen, aber nicht grooven). Hier wurden in akademischer Emotionslosigkeit antrainierte Improvisationsautomatismen durchdekliniert. Ja, ja, ja doch, wir wissen jetzt, dass ihr schnell spielen könnt. Einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich in der Pause zwischen zwei Nummern mal irgendeine provokante Unverschämtheit in die selbstzufriedene Stille rufen sollte, habe mich dann aber dagegen entschieden, nicht aus Feigheit (wirklich nicht), sondern weil mir bereits die Vorstellung es zu tun zu anstrengend erschien. Man sollte da rumstänkern, wo wenigstens eine kleine Chance besteht, dass es irgendetwas bewirkt, also jemand betroffen ist und vielleicht mal seine Routinen in Frage stellt. Hatte hier nicht den Anschein, also Jacke an der Garderobe geholt und ab nach Hause. Stattdessen noch zwei blutrünstige Folgen „The Walking Dead“ auf der Wohnzimmercouch geschaut, während die alle anderen bereits schliefen. Hatte auf jeden Fall mehr Biss als die Session. 😉IMG_3692Am letzten Tag (Do) dann noch der obligatorische Besuch auf dem Prater. Ich könnte jetzt behaupten, die Kinder wollten unbedingt hin, aber ich hatte eigentlich auch nichts dagegen. Die meisten Fahrgeschäfte waren allerdings noch geschlossen, weil wir so früh dran waren. Die Sonnen beschienenen, Menschen verlassenen Fronten inspirierten mich spontan zu einer Fotoserie, die ich noch sichten muss und evtl. in einem eigenen Blogartikel präsentiere. Danach wieder auf einem anderen Weg zurück. Weil noch Zeit war, führte uns unsere Gastgeberin in ein nahegelegenes, neues Cafe. Wie sich herausstellte handelte es sich um das „Supersense. Kaffee – Store – Studio – Workshop – Palace“, der Heimstätte analoger Delikatessen.IMG_3740Ein wienerischeres Third Man, absoluter Volltreffer. Die Location vereinigt in sich ein Cafe, Druckerei, Fotostudio, Recordingstudio, Tonträgergestaltung und -verpackung. Alles analog, nichts digital. Parkettboden, hohe Wände, Stuckdecke, älteste Polaroid der Welt, Flipperautomat, Record Elevator, Hand Cut Vinyl, Möglichkeit zur analogen Recordingsession auf Stereoband (Studer), Vintage Instrumente, Jukebox, all-in-one. Noch mal eine ordentliche Ecke cooler als Third Man, das muss man einfach mal so sagen, Hut ab. Für mich persönlich allerdings schon zu analog, will heißen puristisch, das ist mir des Guten zu viel. Ich stehe einfach zu sehr auf die Möglichkeiten nachträglicher Manipulation möglichst vieler Parameter auf Digitaler Ebene, das aber nur mal nebenbei. Das Ladenkonzept ist allemal einen Besuch wert. Vielleicht sollte ich bei einem nächsten Besuch in Wien eine spontane Session riskieren, vielleicht einfach nur um mich mal wieder selbst zu überraschen. Aber wer würde eine Vinylschallplatte von mir kaufen? Ich kenne einfach keinen.IMG_3750IMG_3751Danach Gepäck holen, mit der Straßenbahn zum Prückel, dort einen Marillen-Topfen-Strudel mit Prückel Creme zum Abschied und von da aus weiter zum HBF. Auf dem eiligen Weg zum Bahnsteig fragte ich mich noch warum die einen Schach- und Mühlespielabend ausgerechnet im HBF veranstalten, aber es waren ehrenamtliche Helfer und Flüchtlinge, die sich dort die Wartezeit vertrieben. Rein in den ICE bis Passau, dort dann Passkontrolle nach der Einreise in die BRD, das ist schon komisch, einige arabisch anmutende Mitfahrer mussten den Zug verlassen, spät abends waren wir wieder daheim. Würzburg hat uns wieder. War sehr schön, gerne mal wieder.

Neben den vielen, nützlichen Tipps unserer Gastgeber kamen zu Einsatz: „101 Wien – Geheimstipps und Top-Ziele“ von Iwanowski’s, „Wien“ von Marco Polo und „Wien“ von Dumont. Alle sehr empfehlenswert.

Reise: Wien (2015), Teil 1

Ab Montag habe ich einige wunderschöne, sonnige Tage in Wien verbracht. Hinfahrt direkt ab Würzburg mit dem ICE und übernachtet wurde bei einer befreundeten Familie (Danke!). Nach der Ankunft am HBF sind wir nach einem kleinen Umweg in die U-Bahn in den zweiten Bezirk gefahren und haben uns dort zur „Schönen Perle“ durchgefragt, einer ziemlich wienerischen Gastwirtschaft, Wiedersehen mit einer weiteren Urlaubsbekanntschaft, bodenständiges Essen, danach ein paar Straßen weiter zur Unterkunft. Dort waren wir aber nur kurz, denn für den Abend waren bereits Karten im berühmten Musikverein am Karlsplatz gebucht, romantisches Soloklavier mit Leif Ove Andsnes.
IMG_3589IMG_3591IMG_3597Bürgerliche Konzertkultur des späten 19. Jahrhunderts in präservierter Reinstform. Internationales und wienerisches Publikum, bestuhlt bis auf die Bühne, ganz hinten die günstigen Stehplätze bei denen einige Säulen den Blick versperren. Schon alles beeindruckend, aber gleichzeitig auch atemberaubend rückwärts gewand, fast so, als hätte das 20. Jahrhundert nie stattgefunden. Hier werden etablierte Weltbilder bestätigt, Innovation, Wagnis, Fortschritt, Risiko oder Revolution erwartet wohl kaum jemand. So gesehen wiederum sehr typisch für die österreichische Hauptstadt, besonders in diesen Tagen. Zurück wieder mir der U-Bahn, es geht alles ganz flott, Wien ist in der Innenstadt kleiner als man denkt.
Am zweiten Tag (Di) zu Fuß in den ersten Bezirk. Richtung Donaukanal begegnet man im zweiten Bezirk immer wieder orthodoxen Juden, in schwarz gekleidet, mit Bart, Schläfenlocken und großem Hut. Ich fühle mich jedes Mal sehr unwohl und senke den Blick. Woran liegt das? Daran dass ich Deutscher bin? Nein, stelle ich fest, es hat damit zu tun, dass ich mich ungern in der Nähe von religiösen Fundamentalisten aufhalte, wäre bei Islamisten oder christlichen Fanatikern genauso, nur ist deren Extremismus nicht immer gleich zu erkennen.IMG_3605Rotenturmstraße, Stephansdom, Graben, Stippvisite zu Doblinger (Notenfachgeschäft), Kohlmarkt, Demel, Michaelerplatz, Spanische Hofreitschule, Hofburg, Naturhistorisches Museum und weiter bis zum Museumsquartier, leider war Dienstag, da sind alle Museen geschlossen.
IMG_3608IMG_3615Mittagssnack im MQDaily (günstig & gut), Burggarten, Palmenhaus, Kärntnerstraße und wieder zurück in den Zweiten, da war der Tag fast rum bzw. die Sonne untergegangen.
IMG_3630Abends bin ich noch mit der U-Bahn zu Matthew E. White in die „Grelle Forelle“ an der Spittelauer Lände. White kam mit einem zweiten Gitarristen, aber ohne Band, auf die Bühne. Bis auf die Randy Newman-Interpretationen kannte ich keinen einzigen Song, klang gut, aber alles ziemlich ähnlich, er singt einnehmend, aber monoton und unvariabel, nicht gut oder schön, bin trotzdem froh, dass ich da war. Habe am selben Tag Calexico verpasst, das merkte ich aber erst viel später.IMG_3653

Literatur: Neben den vielen, nützlichen Tipps unserer Gastgeber kamen zu Einsatz: „101 Wien – Geheimstipps und Top-Ziele“ von Iwanowski’s, „Wien“ von Marco Polo und „Wien“ von Dumont. Alle sehr empfehlenswert.

Video: „Allemand“ von Johann Pachelbel für Ukulele & Gitarre

Mit einem Tag Verzögerung wurde heute das Video zur „Allemand“ von Johann Pachelbel in einer Transkription für Ukulele und Gitarre eingestellt. Der Würzburger Ukulelespieler Roland Völker hat eine fünfsätzige Suite für Cembalo des fränkischen Barockkomponisten ausgewählt und in einem zeitaufwändigen Prozess für eine Duoversion in Noten und Tabulatur umgeschrieben. Das Einstudieren der einzelnen Sätze hat dann nahezu ein dreiviertel Jahr in Anspruch genommen. Nach vielen wöchentlichen Treffen war die Erarbeitung dann soweit gediehen, dass im vergangenen Juli eine Film- und Recordingsession im Tiepolo Keller, Würzburg angesetzt werden konnte und auch erfolgreich vonstatten ging. Sichtung, Schnitt und Abmischung haben dann noch mal etwas Zeit in Anspruch genommen und so hat uns diese Komposition summa summarum fast ein komplettes Jahr lang beschäftigt. Da fällt es dann am Schluss fast etwas schwer loszulassen und sich neuen Zielen zuzuwenden, vielleicht ist das eine Erklärung für die Verzögerung. Die vier weiteren Suitensätze werden im Lauf des Novembers gemäß der Satzfolge jeweils immer zum Wochenende eingestellt. Viel Spaß damit, wir freuen uns über Feedback! Ach ja: Neue Inhalte sind bereits in Arbeit.

Jack White: Drumming, Technique, Design, Discussion

Jack White ist Sänger, Songschreiber, Gitarrist, Produzent, Labeleigner und nicht zuletzt auch Schlagzeuger in der Band The Dead Weather. Anlässlich des soeben erschienen Albums „Dodge and Burn“ wurden vier Videos veröffentlicht in denen jeweils jedes Bandmitglied einzeln sein Instrumentarium, Spielweise und generellen Ansatz auf kunstvolle Weise darlegt.

Ganz groß natürlich schon wie Jack White in seinem Video gleich zu Beginn die Wichtigkeit der Bassdrum überbetont (aber er hat ja Recht), in seinem Fall eine 26“ Trommel, quasi die Mutter aller Basstrommeln mit Draculas Bräuten als Verzierung auf dem vorderen Fell. Dann sein sehr eigener Setup des Kits: 2×16“ Snare Drum (einmal mit einmal ohne Drähte) plus einmal hoch gestimmte Marching Drum auf der linken Seite und drei Floor Toms auf der rechten Seite, dazu ein Splash-Becken, 16“ Crash und ein 26“ (ja, 26“!) Ride. Und aus diesem 3x3x3 Setup destilliert White seinen inzwischen unverkennbar originellen Drumsound, erstmals zu hören und zu sehen auf „Another Way to Die“ (James Bond Soundtrack mit Alicia Keys). Es macht große Freude das neue Album mit diesem Wissen durchzuhören. Man kann White quasi vor dem inneren Auge trommeln sehen. Aber seht und hört selbst, here you go:

Buch: „Trauer ist eine lange Reise“ von Georg Koeniger

Trauer(Buch)Georg Koeniger ist Schauspieler und Kabarettist und hat in den vergangenen Jahren zwei Bücher über seine Outdooraktivitäten als Kletterer und Radler veröffentlicht. Im September 2012 erkrankte seine Frau – sportlich, kerngesund und Nichtraucherin – unheilbar an Lungenkrebs. Die folgenden Monate sind geprägt vom gemeinsamen Kampf mit allen Mitteln, beide haben die Hoffnung die Krankheit zu besiegen, aber es gibt auch immer mehr Rückschläge und der Krebs schreitet gnadenlos und unaufhaltsam voran. Koeniger begleitet und pflegt seine sterbende Frau bis zum bitteren Ende. Einige Zeit nach ihrem Tod geht er dann um Abschied zu nehmen auf eine Reisetour, die eigentlich sie sich vorgenommen hatte. Er fährt mit dem Fahrrad von Würzburg in knapp fünf Wochen auf dem Jakobsweg zum Wallfahrtsort Santiago de Compostela in Nordspanien. Weiterlesen

Buch: „Fake“ von Peter Köhler

FakePeter Köhler ist Journalist und Buchautor im Bereich Satire, Kulturgeschichte, Literaturkritik und Schach. Im August erschien sein Buch „Fake“ als Taschenbuch, es geht darin laut Untertitel um „die kuriosesten Fälschungen aus Kunst, Wissenschaft, Literatur und Geschichte“. Nach einem knappen, nicht sehr prägnanten Vorwort erzählt Köhler in mehr als 60 Kurzkapiteln die unzusammenhängende Geschichte von Fälschungen jeglicher Coleur und lässt dabei kein noch so wackeliges Beispiel aus. Geschichtsfälschung, Urkundenfälschung, Hitlertagebücher, Erschleichung akademischer Titel, Ideenklau in Musik und Malerei, Betrug im Sport, Heiratsschwindler, Trickbetrüger, sogar die „Würzburger Lügensteine“ haben ihren Platz. Weiterlesen

Musikstudenten: „I’m Yours“

Bereits Anfang April 2015 erschien die Musikstudenten-EP „Pop Studies“. Es wurden zu dieser Veröffentlichung wieder mehrere Musikvideos abgedreht und anschließend in fast monatlichem Turnus ins Netz gestellt. Zwei Songs der EP blieben allerdings unverfilmt, einer davon ist „I’m Your’s“ im Original von Jason Mraz. Hier nun die Gelegenheit via Soundcloud mal reinzuhören. Wir haben die Nummer mit Klarinette, Kontrabass und kleinem Drumset instrumentiert, zum Ende hin erklingt ein sechs-stimmiger Dennis-Schütze-Chor. „Open up your mind and see like me!“

Buch: „Alles ist gut“ von Helmut Krausser

AlleIstGutHelmut Krausser ist ein vielseitiger und fleißiger deutscher Schriftsteller, Dichter und Komponist. Seit 1989 verfasste er allein 13 Romane, mehrere Erzählungen, diverse Gedichtsammlungen, schrieb Bühnenwerke, Opernlibretti, Hörspiele, Tagebücher und Liedtexte. Darüber hinaus betätigt er sich als Komponist zeitgenössischer Kunstmusik und ambitionierter Schach- und Backgammonspieler. Für einige seiner literarischen Arbeiten wurde er mit renommierten Preisen ausgezeichnet. Im August 2015 erschien nun im Berlin Verlag sein neuester Roman „Alles wird gut“, der als Fortsetzung seines großen Erfolgs „Melodien“ (1993) angekündigt worden war, dessen Kenntnis aber keine Voraussetzung für die Lektüre der Neuerscheinung ist. Für diesen zweiten und abschließenden Teil hat sich Krausser mehr als 20 Jahre Zeit genommen, man kann aber wirklich nicht behaupten, dass er in der Zwischenzeit untätig gewesen wäre. Mit „Alles ist gut“ legt er einen äußerst originellen, eigenwilligen und phantasievollen Künstler-, Beziehungs- und Gesellschaftsroman vor.

Die Geschichte beschreibt einen entscheidenden Moment im Leben des verkannten Komponisten Marius Brandt. Ihm werden auf geheimnisvollen Wegen Notenblätter mit Melodiefragmenten zugespielt, die sein Interesse erwecken und die er in seine eigenen Kompositionen einarbeitet. Bei darauf folgenden Aufführungen werden damit im Konzertsaal unerwartet extreme Reaktionen auslöst, einige Hörer und auch andere Personen kommen dabei ums Leben. Neben dieser mysteriösen, äußerst spannenden Hauptgeschichte geht es nebenbei auch noch um das Verhältnis zu seiner amerikanischen Freundin June, seine ohnmächtige Position innerhalb des deutschen Musikkulturbetriebs, seine kulturpolitischen Ansichten (Zwölftonmusik, Adorno, Donaueschingen) und kompositionstechnische Arbeitsweisen der Hauptfigur Brandt. In einer Parallelhandlung wird über mehrere Jahrhunderte hinweg in der Erzählweise eines historischen Romans die voltenreiche Überlieferungsgeschichte der erwähnten Melodienaufzeichnungen erzählt. Die verschiedenen Handlungsstränge münden am Schluss in ein spektakuläres, surreales Finale. „Alles ist gut“ ist im besten Sinne ein inspirierter und inspirierender post-moderner Roman, der neben der hochamüsanten und fesselnden Geschichte einige sehr intelligente und meinungsstarke Exkurse abhandelt. Krausser zieht alle Register seines schreiberischen Könnens und brilliert mit überwältigendem Sprachwitz, geistreichem Storytelling, wohl platzierter Musikbetriebskritik und darüber hinaus mit einem tadellosen, sehr einnehmenden Stil. Kleine Leseprobe:

„Wenn man fleißig ist, kann man an einem Tag eine Minute Musik für kleines Orchester schreiben. Na, seien wir ehrlich. Wenn man richtig fleißig ist, also unter dem Einfluss von Drogen und Folterknechten steht, kann man auch zehn Minuten schaffen. Im Falle von Minimal Music wären es noch einige mehr, weil man vieles mit einem einzigen Mausklick kopieren kann. (…)“ (S. 27)

Fazit: Der Roman ist selbstbewusst, treffsicher, eigenständig, kurios, frech, mutig, verwirrend, psychologisch, narzisstisch, temporeich, drastisch, brutal, energisch und genau deswegen sehr empfehlenswert, für Kenner, Komponisten und Musiker Neuer Musik vermutlich besonders mitreißend bzw. amüsant.

„Alles ist gut“ erscheint im Berlin Verlag, hat 240 Seiten und kostet gebunden 20 €.