Buch: „All that Jazz“ von Michael Jacobs

AllThatJazz„All that Jazz. Die Geschichte einer Musik“ erschien erstmals 1996 bei Reclam. 2007 erschien eine 3., erweiterte und aktualisierte Ausgabe mit einem zusätzlichen Schlusskapitel von Robert Fischer. Neben „Das Jazzbuch“ (1953) von Joachim-Ernst Berendt und „Sozialgeschichte des Jazz“ (1991) von Ekkehard Jost gehört „All that Jazz“ zu den herausragenden, weil eigenständigen, jazzhistorischen Publikationen in deutscher Sprache und ist allemal eine Retrospektive wert. Über den Autor ist wenig bekannt. Er lebt als freier Publizist, Herausgeber und Übersetzer bei München, weitere Publikationen sind – zumindest im Internet – nicht auffindbar. Der Text ist in 15 Kapitel untergliedert, startet ohne Vorwort oder Einleitung und schreitet chronologisch voran. Es beginnt mit den Wurzeln des Jazz, es folgen New-Orleans-Jazz, Chicago, weiße Musiker der 20er Jahre, schwarzer Big-Band-Jazz, Count Basie, Benny Goodman, Amerikanische Jazzmusiker in Europa, Jazz während WWII, New Orleans Revival & Bebop, Cool Jazz, Hard Bop, Free Jazz & Fusion, Avantgarde & Traditionalisten. Das Buch schließt in der aktuellen Auflage mit dem Kapitel „Aufbruch ins 21. Jahrhundert“ von Robert Fischer (wurde 2007 hinzugefügt).

Jacobs nimmt sich für traditionelle Formen des Jazz (bis ca. 1940) auffällig viel Platz, fast zwei Drittel des Buches werden davon ausgefüllt. Die Ausprägungsformen des Bop werden deutlich knapper abgehandelt, Third Stream, Modaler Jazz, Bossa Nova überspringt er komplett, Free Jazz, Fusion und zeitgenössischer Jazz (1990-2006) werden nur sehr flüchtig angesprochen. Diese tendenziöse, inhaltliche Ausrichtung wurde Jacobs von Kritikern zum Vorwurf gemacht, so schreibt z.B. „Die Berliner Literaturkritik“: „Michael Jacobs befördert den Irrglauben, dass Jazz eine tote Musik sei, die ihre Hochzeit in New Orleans hatte, dann zum Bigband-Jazz mutierte und in den vergangenen über fünfzig Jahren nur noch die immergleichen Melodien wiederkäut. Das ist natürlich grober Unfug. “

Wie auch immer man zu dieser, letzten Aussage steht, kann man es aber auch anders sehen: Wenn Berendt ein deutscher Pioneer der Jazzgeschichtsschreibung war und Jost die akademisch-soziologische Perspektive betonte, dann steht Jacobs eben für eine etwas konservative, anekdotisch-biografische Sichtweise. Vielleicht genügt das nicht einem streng wissenschaftlichen Anspruch, aber das Buch lässt sich gut durchschmökern, über die meisten, wesentlichen Entwicklungen des Jazz wird man dabei gut informiert, man erfährt einiges über die tatsächlichen Lebensumstände der Protagonisten, es werden viele wichtige Aufnahmesessions, Einspielungen und Albumveröffentlichungen benannt und dann ist das Buch mit 60 s/w-Fotos (meist Portraitaufnahmen von Musikern) ansprechend angereichert. Für schlappe 9,95 bekommt man da also eine ganze Menge, für einen ersten Überblick reicht das allemal. Ergänzen ließe sich das – bei weiterführendem Interesse – durch die beiden bereits erwähnten Bücher, nicht unerwähnt bleiben aber sollen hier auch „The Swing Era“ von Gunter Schuller, „Jazz“ von Arrigo Polillo, „Jazz“ von Lewis Porter & Michael Ullman und natürlich das erst jüngst erschienene Schwergewicht „A new History of Jazz“ von Alyn Shipton.

Das Taschenbuch erscheint im Reclam Verlag, hat 472 Seiten und kostet 9,95 Euro.

Video: „Das Model“ von Du & Ich

Im letzten Sommer erschien das Album „NDW – Wiederbesucht“ von Du & Ich. Produziert und eingespielt wurden die insgesamt neun Tracks von Camilo Goitia und mir, Dennis Schütze. Kurz danach erschien das von Ralf Schuster produzierte Musikvideo „Da Da Da“.

Im Monat Januar werden ab sofort jeden Mittwoch einige weitere Tracks des Album als Fotovideos veröffentlicht. Heute starten wir mit unserer Interpretation des Kraftwerk-Klassikers „Das Model“ (ja, wird tatsächlich nur mit einem „l“ geschrieben). Es war der erste Track, den Camilo und ich gemeinsam für das Album produziert haben und erschien letztlich in zwei Versionen (deutsch & englisch). Wir haben versucht die Vorlage auf ein kleinkalibriges Mini-Acoustic-Arrangement zu reduzieren. Beurteilt selbst in wie weit uns das gelungen ist!

Buch: „Satztechniken im 20. Jahrhundert“ von Christoph Wünsch

SatztechnikenChristoph Wünsch ist Professor für Musiktheorie an der Hochschule für Musik Würzburg und betätigt sich darüber hinaus als Komponist Neuer Musik. „Satztechniken im 20. Jahrhundert“ erschien erstmals 2009 bei Bärenreiter Studienbücher Musik, 2014 erschien die unveränderte, zweite Auflage. Der Autor hat sich für seine Schrift viel vorgenommen: Geliefert werden soll ein Überblick über Satztechniken von Klassikern der Moderne, darunter ganze Musikgenres, einzelne Musikstile und Personalstile. Dafür musste verständlicherweise eine Auswahl getroffen werden. Im Inhaltsverzeichnis finden sich zehn Kapitel des Buches, fünf weitere wurden auf eine beigelegte CD-ROM ausgelagert. Die Kapitelüberschriften lauten: 1. Strukturen im Umfeld der Tonalität, 2. Harmonische Phänomene, 3. Pitch Class Set Theorie, 4. Debussy, 5. Béla Bartók, 6. Strawinsky, 7. Klassizistische Moderne, 8. Freie Atonalität, 9. Arnold Schönberg und die Zwölftontechnik, 10. Jazzharmonik
Auf der CD-ROM befinden sich zusätzlich: 1. Hindemiths „Unterweisung“, 2. Kurt Weill, 3. Oliver Messiaen, 4. Serielle Technik, 5. Minimal Music

Die Satzsysteme werden in dem Taschenbuch mit Text und Notenbeispielen auf jeweils 20-25 Seiten beschrieben. Das ist ganz offensichtlich sehr knapp bemessen und führt dazu, dass der resultierende Text zu einem extrem konzentrierten Destillat gerät, es geht tatsächlich um den reinen Tonsatz, dargestellt meist anhand nur eines einzigen Musikbeispiels im Klavierauszug. Es wird keine musikgeschichtliche Einbettung vorgenommen, die vorgestellten Techniken wirken vollkommen statisch und undynamisch. Selbst so eng damit verbundene Themen wie Instrumentierung, Besetzung, Arrangement, Form, praktische Umsetzung, etc. werden bereits nicht mehr behandelt, es gibt keine Partituren oder Klangbeispiele. Diese krasse Reduktion auf satztechnische Aspekte führt bei einigen der behandelten Stile zu so abstrakten Beschreibungen, dass man, gerade wenn man damit vertraut ist, den beschriebenen Stil kaum wiedererkennt. Insbesondere ist das der Fall bei Musikstilen, die nicht auf der Idee einer prominenten Einzelperson aufbauen, sondern auf einer längeren, kollektiven, prozessualen Entwicklung, wie z.B. Freie Atonalität, Jazzharmonik oder Minimal Music.

Im Kapitel Jazzharmonik werden z.B. Akkorde und Skalen, Voicings, Guide Lines und modale Harmonik erklärt, aber mit keinem Wort erwähnt, dass hier ausschließlich musikalische Konzepte der jazzmusikalischen Epochen von ca. 1945-1965 beschrieben werden und das dann noch mit der akademischen Terminologie der 1980/90er Jahre. Die musikalischen Vorläufer Ragtime, Dixieland, Blues, Swing spielen bei der Betrachtung, so wie auch nachfolgende wie z.B. Free Jazz oder Fusion keine Rolle. Auch die entscheidenden Ideen der kollektiven Improvisation, Riffing, Head Arrangements etc. werden ebenso wenig erwähnt wie die Frage wie denn die vom Autor dargelegten Bausteine nun in Ensembles, Combos, Big Bands und Orchestern praktisch zum Klingen gebracht wurden/werden. Wertvolle Anschauungsmaterialien in Form von Transkriptionen, Aufnahmeskizzen oder Partituren fehlen gänzlich. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen wird am Ende des Kapitels brav auf deutschsprachige Fachliteratur (darunter einmal Wünsch selbst und ein ehemaliger Doktorand) verwiesen, es gibt erstaunlicherweise keinen einzigen Verweis auf amerikanische Literatur und das ausgerechnet bei dieser ur-amerikanischsten aller Musiktraditionen.

Nicht viel anders verhält es sich auch bei Kurt Weill. Hier dient dessen zwar populärste, aber ebenso abgespielteste, Zwei-Akkorde-Songkomposition „Mackie Messer“ als stellvertretendes Analyseobjekt für seinen lebensumfassenden Personalstil. Ja, seine Songkompositionen sind wesentlich und allemal eine nähere Betrachtung wert. Aus satztechnischer Sicht hätte freilich die Übertragung in die für ihn typische, aber grundsätzlich ungewöhnliche Salonorchesterform interessiert. Was steht in der Partitur, warum werden nicht Ausschnitte abgedruckt und exemplarisch analysiert? Instrumentierung, Klangfarbe und Arrangement spielen doch gerade hier eine so wichtige Rolle.

Bezeichnend auch, dass der wohl einflussreichste Musikstil des 20. Jahrhunderts, nämlich Popmusik, mit den epochalen Satztechniken (Sequenzing, Sampling, Filtering, etc.) nicht mit einer Silbe erwähnt wird. Und wenn jetzt von jemandem der Einwand erhoben wird, dass dieser Stil in sich zu divers sei, kann erwidert werden, dass das den Autor ja auch nicht vor anderen fragwürdigen, weil punktuellen Stilanalysen abgehalten hat. Es gibt dafür eine einfache Erklärung: Wünsch ist klassisch ausgebildeter Pianist und Musiktheoretiker. Er denkt in Parametern der klassisch/romantischen Musiktheorie. Er kann Klavierauszüge in traditioneller Notation sehr plausibel erklären und in knappe Theorien fassen. Man gewinnt bei der Lektüre des Buches allerdings den deutlichen Eindruck, dass schwer fassbare musikalische Einflussgrößen wie Sound, Schichtungen, Klangtextur, Groove, Danceability, Improvisation, Dynamik, Energie, Ekstase, Feeling für ihn nicht beschreibbar, ja vielleicht nicht mal erkennbar sind. Die Reduktion der musikalischen Vorlagen auf skalische und akkordische Destillate und deren mathematischen Verhältnisse beschreibt aber nur einen sehr theoretischen Teil des Klangerlebnisses, viele andere und darunter absolute entscheidenden Anteile bleiben leider auf der Strecke. Wünschs abstrakter Ansatz funktioniert sehr gut bei intellektuellen Analyseobjekten wie Pitch Class, Zwölftontechnik, Hindemith, Messiaen oder Serialismus. Bei intuitiven, prozessualen Formen von Musik erkennt man jedoch klar die Grenzen seiner Herangehensweise.

Das Buch wird vom Verlag übrigens als Studienbuch mit Lernprogramm, Aufgaben und Lösungen vermarktet. Man muss musiktheoretisch allerdings schon sehr weit fortgeschritten und dazu ein sehr strebsamer Student sein um von dieser trockenen, schriftlichen Kost profitieren zu können. Es ist vorstellbar, dass andere Lerntypen bzw. eher praktisch veranlagte Interessierte mehr von einem Hören diverser Werkeinspielungen und dem parallelen Lesen der Partituren haben. Es kommt hinzu, dass sich das Buchformat nicht gut zum Studium eignet: Größere Seiten, Ringbindung und der gesamte Inhalt in Druckform hätten hier einen entscheidenden Vorteil gebracht. Dass das die Kosten erheblich in die Höhe getrieben hätte (wie im Vorwort behauptet), ist nicht ganz glaubhaft.

Kleine Anmerkung: Im Impressum ist vermerkt, dass der Buchdruck von der Bertold Hummel Stiftung und der Sparkassenstiftung Mainfranken Würzburg finanziell unterstützt wurde. Warum sich ein gutsituierter Professor mit anständigen Bezügen eine solche Blöße gibt, bleibt unklar, hatte er nicht den Mut eigenes Geld in sein Buch zu investieren? Und sind Stiftungen nicht eigentlich dazu da Bedürftige zu unterstützen? Eine Anfrage des Rezensenten bei der Bertold Hummel Stiftung lieferte leider keine plausible Erklärung.

Das Taschenbuch inkl. CD-ROM erscheint bei Bärenreiter Studienbücher, hat 214 Seiten (weitere 150 Seiten auf CD) und kostet 26,95 Euro.

Reiseführer: „USA Große Seen | Chicago“ von Marita Bromberg und Dirk Kruse-Etzbach

USAGrosseSeenVor kurzem erschien die 6. aktualisierte Auflage des Reiseführers „USA-Große Seen | Chicago“ von Marita Bromberg und Dirk Kruse-Etzbach in Iwanowski’s Reisebuchverlag. Nach einer ca. 120-seitigen Einleitung in Land und Leute inkl. einem Überblick über allgemeine Reisetipps und einer ungefähren Kostenkalkulation werden Rundreisenvorschläge, Zeitpläne und Routenskizzen präsentiert. Vorgestellt werden eine „Rundreise um die Großen Seen“ und „Alternativen für 2- bis 3-wöchige Aufenthalte“. Weiterlesen

Living Room Event: Visualisierte Musik & Texte von/mit Stefan Hetzel

Stefan Hetzel: Spezialisierung, „Originalität“ und Konformismus. Visualisierte Musik und Texte zum digitalen Alltag

Milktape

Am So, den 17. Januar pünktlich um 19.00 startet das erste Living Room Event des neuen Jahres im Wohnzimmer von Dennis Schütze. Zu Gast ist der Eibelstädter Komponist und Publizist Stefan Hetzel. Er zeigt Originalvideos mit eigenen Visualisierungen seiner ePlayer-Kompositionen und liest aus aktuellen Essays zu den Themen „Kunstbetrieb“ und „Abschied vom Tonträger“ mit anschließender Diskussion. Der Eintritt ist wie immer frei, wegen des beschränkten Platzes ist eine Voranmeldung in Form eines Kommentars auf Dennis Schützes Blog erforderlich.

Termin: So, den 17. Januar, 19.00 (bis ca. 21.00)
Veranstaltungsort: Dennis Schütze, Rotkreuzstraße 9, 97080 Würzburg

Buch: „Die Kunst des klugen Fragens“ von Warren Berger

KunstDesKlugenFragensWarren Berger ist amerikanischer Journalist und bezeichnet sich selbst als Innovationsforscher. Er betreibt die Webseite amorebeautifulquestion.com und untersucht wie eine intelligente Fragestellung zu einer innovativen Problemlösung führen kann. Die Ergebnisse seiner langjährigen Recherchen wurden unter dem Titel „A more beautiful question“ in Buchform zusammen-gefasst. Die deutsche Übersetzung erscheint als „Die Kunst des klugen Fragens“ im Berlin Verlag. Nach einer informativen Einleitung zur Entstehung des Textes folgen fünf übergeordnete Kapitel: 1. Die Macht des Fragens, 2. Warum wir aufhören zu fragen, 3. Das Warum, Was-wäre-wenn und Wie des innovativen Fragens, 4. Fragen in der Geschäftswelt, 5. Fragen für das Leben. Alle Unterüberschriften der Kapitel sind als Fragen formuliert.

Im ersten Kapitel geht es ganz prinzipiell darum was Fragen bewirken können und schnell kommt man zu dem Ergebnis, dass prinzipiell eine Frage am Anfang eines kreativen Prozesses steht. Wohin und wie weit der Prozess den Fragenden führen kann, hängt von der Qualität der Frage ab, es ist dabei jederzeit möglich nachzubessern. Der Kern jeder klugen Frage ist „Warum?“.
Das sehr gelungene zweite Kapitel ist eine Bestandsaufnahme des Wertes von Fragen in unserer Gesellschaft an sich, insbesondere in westlichen Bildungssystemen. Dazu liefert Berger einige erstaunliche Fakten: Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren stellen in dieser Zeitspanne rund 40.000 Fragen, mit Fragen erforschen sie die Welt. Diese Fragerei bricht in unserer modernen Gesellschaft ab einem gewissen Zeitpunkt schlagartig ein und zwar ziemlich genau mit Einschulung eines Kindes. Spätestens in der Schule werden nicht mehr intelligente Fragen belohnt, sondern auswendig gelernte Antworten, oftmals zudem Antworten auf Fragen, die sich Kinder noch gar nicht gestellt haben. Fragen und Nachfragen werden stattdessen als Beweis von Nichtwissen bewertet und entsprechend benotet. Lehrer stellen Fragen und liefern die vermeintlich richtigen Antworten gleich selbst. Laut Berger gibt es kaum pädagogische Ansätze, die dem Fragen der Kinder und Schüler dezidiert Platz einräumen und zum schulischen Prinzip erheben. Bekannte Ausnahme sind die Montessori –Schulen. Unter den Absolventen dieser besonderen Schulform befinden sich denn auch prompt einige der begabtesten und erfolgreichsten Fragesteller überhaupt, u.a. Jimmy Wales (Gründer von Wikipedia), Jeff Bezos (Amazon) und Sergey Brin und Larry Page (Gründer von Google). Die für den Leser beruhigende Information ist, dass das Stellen von intelligenten Fragen auch als Erwachsener (wieder-) erlernt werden kann.
Grundprinzip einer klugen Frage ist die Abfolge von drei Frageebenen. Alles beginnt mit der Frage „Warum?“, oftmals eine sehr prinzipielle Frage, darauf folgt die Frage „Was wäre wenn..“, hier geht es um originelle Alternativen, letzte Frage ist „Wie?“, hier geht es zuletzt um die praktische Umsetzung einer Idee. All diese Fragen müssen bewusst oder unbewusst gestellt werden. Irrwege sind nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, werden jedoch nicht als Versagen gewertet, sondern als ein Weg, der nicht zur Lösung des Problems geführt hat. Innovatoren zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie jahre- in manchen Fällen jahrzehntelang an der Lösung eines Problems arbeiten und dabei immer wieder neue Fragen stellen. Kluge Fragen zu stellen und Varianten von möglichen Antworten durchzuspielen ist hier ein dynamischer Prozess, immer wieder kommt es zu dem Punkt, dass der Suchende nicht weiter weiß und neue, unbeschrittene Wege gefunden werden müssen. Dabei kann ein gewisser Schuss Naivität, Fachfremdheit oder Querdenkertum durchaus nützlich sein. Von Experten schreibt Berger, sie würden oft keine Fragen mehr stellen, denn von ihnen würde erwartet, dass sie auf alle Fragen die Antworten bereits kennen.
Im vierten Kapitel erklärt Berger welche Rolle der vorgestellte Fragezyklus heute bereits in der Geschäftwelt spielt. Insbesondere in Kalifornien im Silikon Valley bei den großen IT-Playern Google, Apple, Amazon etc. wird sehr offensiv mit den Themen Fragen stellen, alternative Blickwinkel, Ideen sammeln, Innovation, Originalität, Musestunden, Experimenten etc. umgegangen, es haben sich flache Hierarchien herausgebildet, kluge Fragen werden belohnt, Zusammenarbeiten gefördert, es werden keine schnellen, sondern innovative und nachhaltige Lösungen angestrebt. Dabei steht in erster Linie eben gerade nicht die kommerzielle Verwertbarkeit im Zentrum der Erwägung. Es geht darum Kosten/Nutzen auszublenden um keinen möglichen Weg bereits im Entstehungsstadium im Keim zu ersticken.
Das letzte Kapitel versucht die gewonnen Erkenntnisse auf Prozesse und Entscheidungen im eigenen Leben anzuwenden, der Autor macht viele Vorschläge wie man mit schwierigen Situationen umgehen könnte, mit welchen klugen Fragen ihnen begegnen kann.

Alle theoretischen Ideen werden auf anschauliche Art und Weise mit zahlreichen, teilweise kapitelübergreifenden Beispielen aus den Biographien erfolgreicher Innovatoren aus verschiedener Disziplinen und Epochen unterlegt, darunter Wissenschaftler, Techniker, Unternehmer, Künstler etc. Berger hat viele Innovatoren persönlich interviewt und sich intensiv mit diversen Innovationstechniken auseinandergesetzt. Sämtliche Zitate sind gekennzeichnet und im Anhang ausführlich belegt. Die Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch stammt von Helmut Dierlamm und ist angesichts der Herausforderung (anspruchsvolle Terminologie) bemerkenswert gut gelungen.

Fazit: Sehr intelligentes Buch für kluge Frager und die, die es werden wollen. Dieses Buch kann die Sicht auf Dinge verändern. Dicke Empfehlung!

Das gebundene Buch erscheint im Berlin Verlag, hat 270 Seiten und kostet 19,99 Euro.

Frage: Wo findet eigentlich musikwissenschaftlicher Diskurs statt?

Meine Studienzeit liegt schon eine Weile zurück. Als ich das (Zweit-) Studium der Musikwissenschaft an der bayerischen Universität meiner Heimatstadt antrat, hatte ich gerade das Diplom an einer Hochschule für Musik absolviert. Es war ein praktisch orientiertes Studium gewesen, abgesehen vom Hauptfach, wo man den Lehrer zweimal die Woche in einer Eins-zu-eins Situation gegenüber saß, hatte es kaum Gelegenheiten für einen erweiterten fachlichen Austausch gegeben. Musikpädagogische Erfahrungen sammelte man alleine, es wurde kaum was empfohlen, besprochen oder diskutiert. Aus diesem Grund hatte ich mich auch für ein anschließendes, geisteswissenschaftliches Studienfach entschieden. Für mich gab es mit dem Beginn des Zweitstudiums einiges nachzuholen. Insbesondere in meinen Nebenfächern Amerikanistik und Kulturwissenschaft englischsprachiger Länder gab es bergeweise Texte aus mehr als 500 Jahren zu lesen. Ich richtete mich dabei nach einer Liste von Titeln die im ersten Semester an alle Studenten als kleines, kopiertes Heftchen ausgegeben worden war. Ob man diese Titel gelesen hatte, interessierte im weiteren Verlauf aber dann niemanden mehr. Im Grundstudium wurden in den Einführungskursen und Proseminaren verschiedene Themen an die Kursteilnehmer verteilt, man musste ein Referat darüber halten und am Ende des Semesters eine Seminararbeit abgeben. Lehrbeauftragte waren gestresst und hatten kaum Zeit, Professoren waren so gut wie nicht ansprechbar. So ging es im Hauptstudium weiter: Vorlesung und Seminar besuchen, Referate der Mitstudierenden anhören, Seminararbeit schreiben und abgeben, Schein abholen. Meinungsaustausch oder Diskussionen gab es nicht.
Im Fach Musikwissenschaft wurde mir aufgrund meines Diploms das Grundstudium erlassen. Im Hauptstudium lief es dann allerdings ähnlich ab wie in meinem Nebenfächern: Vorlesungen besuchen und 90 Min. zuhören wie ein Professor schwer verständlich aus seinem Manuskript abliest. Hauptseminare besuchen, Referate der Mitstudierenden anhören, Seminararbeit schreiben, abgeben, Schein abholen, fertig.

Weil ich bereits mein Zweitstudium belegte, war ich schon etwas älter als die meisten meiner Kommilitonen, ich arbeitete damals schon seit mehreren Jahren als Instrumentallehrer und freier Musiker. Das Studium belegte ich nicht in erster Linie um einen Abschluss zu erlangen, sondern aus prinzipiellem Interesse am Fach. Ich hatte damals auch genügend Zeit und mir war oft langweilig. Ich reagierte deswegen oft ungehalten, wenn ich den Weg zur Uni auf mich genommen hatte, vielleicht sogar früh aufgestanden war, und dann von Mitstudenten, Lehrbeauftragten oder Professoren mitunter unengagierte, bräsige Vorträgen anhören musste.

Ich muss für die Seminarteilnehmer und Professoren ein unangenehmer und lästiger Student gewesen sein. Am Ende solcher Vorträge begann ich aus Langeweile und zum Spaß Fragen zu stellen, Ideen zu äußern, unfertige Theorien zu entwickeln, ich wollte mich unterhalten, diskutieren, mit offenen Ausgang streiten. Immer wieder hatte ich gehört, dass der Sinn eines Studiums sei zu einer eigenständigen, kritischen Persönlichkeit heranzureifen. Aber Diskussionen waren nicht erwünscht, sie wurden nicht befördert und sportlich mit Argumenten ausgetragen, nein, ihnen wurde kein Raum gegeben, sie wurden abgewürgt, unkonventionelle Fragen oder provokante Ideen waren nicht erwünscht, es gab keine offenen Foren für (musik-)wissenschaftlichen Austausch, keine inoffiziellen Begegnungsstätten. Stattdessen wurden etablierte, akademische Hierarchien gepflegt, auf Titel und Werdegang wurde genau geachtet. Professoren waren „untouchable“, angeblich immer im Stress, für normale Studierende kaum erreichbar. Ihnen wurde zugearbeitet von Privatdozenten, Doktoranten, Sekretärinnen, HiWis und Tutoren, ein opportunistisches System in dem keiner etwas riskieren wollte/konnte, denn die Stellen sind schwer umkämpft. Kein Platz also für offenen, (musik-)wissenschaftlichen Diskurs.
Von Seiten einiger weniger Lehrbeauftragten und Mitstudenten hatte es ein paar Lichtblicke gegeben, im Großen und Ganzen war ich von den Strukturen jedoch maßlos enttäuscht, von meinen Fächern aber nach wie vor begeistert. Nach dem Ende meines Magisterstudiums brauchte ich deswegen etwas Abstand und stellte für mich fest, dass die konservativen, festgefahrenen Strukturen vielleicht eine Besonderheit meiner Alma Mater gewesen sein könnten. Mittlerweile war mir klarer, wohin sich mein fachliches Interesse ausrichtete, ich begann entsprechende Fachliteratur zu sammeln, mich einzulesen, vereinbarte Termine, führte Gespräche und fand schließlich einen Doktorvater, der bereit war mein Promotionsprojekt zu betreuen.

Während der Promotionszeit war ich Externer, das heißt, ich hatte während der Zeit keinen Job oder Lehrauftrag an der Hochschule. Das ist ungewöhnlich, meist sind eine befristet Anstellung und die Möglichkeit zur Promotion in Deutschland eng miteinander verknüpft. Zumeist ergeben sich daraus ungesunde Abhängigkeiten zwischen Doktorand und Betreuer. Bei mir stand das nicht zur Debatte, weil eine entsprechende Stelle nicht existierte und für mich auch nicht von besonderem Interesse gewesen wäre. Ich verdiente mein Geld zu dem Zeitpunkt auf sehr angenehme Weise als Instrumentalpädagoge und freier Musiker. Mein spezieller Status brachte aber auch organisatorische Nachteile mit sich. Andere Promotionsstudenten, die Mo-Fr im Vor- oder Nebenzimmer ihres Profs verbrachten, waren dauerhaft und topaktuell über neuste Entwicklungen informiert, weil der Informationsfluss der Fakultät mehr oder weniger über ihren Schreibtisch ging bzw. sie beim gemeinsamen Kaffee oder Mittagsessen davon Wind bekamen. Im Gegenzug wurden sie allerdings ständig durch auferlegte Handlangertätigkeiten von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten. Meist hatten (und haben) sie halbe Stellen, verrichten aber die Arbeit ganzer Stellen, ihre wissenschaftlichen Arbeiten kommen nicht vom Fleck, sie müssen an Abenden, Wochenenden und im Urlaub schreiben. Oft ziehen sich ihre Doktorarbeiten über viele Jahre in die Länge, manche werden damit nie fertig.

Ich konnte mir dagegen meine Zeit frei einteilen, bekam aber viele Dinge zu spät oder gar nicht mit. Ich versuchte meinen Betreuer wenigstens 1-2 im laufenden Semester zu sehen, eine Arbeitsprobe zuzumailen und bei einem gemeinsamen Mittagessen zu besprechen. Obwohl ich Doktorand war, war es für mich aber fast immer schwer einen Termin zu bekommen. Oft lagen zwischen dem Versenden der Arbeitsprobe und einer konkreten inhaltlichen Fragestellung 2-3 Wochen. In der Zeit hatte ich längst eine eigene Antwort gefunden, eine Lösung improvisiert und weitergeschrieben, bei den Treffs hatte ich längst neue Themen zu besprechen, aber eine neuere Arbeitsprobe hatte der Betreuer nicht mehr bekommen, nicht ausgedruckt, nicht gelesen.
Noch mehr als im Grund- und Hauptstudium fehlte mir ein verlässlicher Ansprechpartner, ein erfahrenes Gegenüber, ich verlor unheimlich viel Zeit, weil ich Umwege machte, im Nebel rumstocherte, an Lappalien kleben blieb, vermeidbare Fehler machte. Ich fuhr deswegen zu Tagungen und Kongressen, hielt Vorträge, hörte mir andere Vorträge an. Die Hierarchien zwischen etablierten Professoren, Privatdozenten, Doktoranten und einfachen Studenten war dort dieselbe wie an Uni und Hochschule meiner Heimatstadt. Professoren blieben unter sich, vollkommene Ellbogenmentalität, Buckeln nach oben, Treten nach unten. Es gab hier punktuellen wissenschaftlichen Austausch, aber die Themen waren extrem speziell, die Zeit extrem knapp (15-20 Min. Vortrag, 5-10 Min Diskussion). Die wohl wichtigste Erfahrung war, dass sich andere zum Teil in viel prekäreren Situationen befanden als ich (Geldnot, Zeitnot, schlechte Stimmung, Isolation, etc.).

Im Nachschlag werden einige ausgewählte Vorträge solcher Tagungen verschriftlicht und in einem Jahrbuch oder Tagungsband zusammengefasst. Der erscheint dann meist 12-18 Monate später als Buch, ist also alles andere als eine unmittelbare Äußerung, sondern eine komplett ausgearbeitete und abgesicherte These. Es kommt dazu, dass das Schreiben eines Artikels nicht finanziell honoriert wird, das heißt, ein Autor schreibt je nach Aufwand ca. 2-6 Wochen ohne jede Bezahlung an solch einem Text. Das können sich festangestellte Professoren leisten, Doktoranden und einfache Studenten eher nicht, die schreiben ja bereits an ihren Promotionsschriften, Master- und Bachelorarbeiten ohne was dafür zu bekommen.
Ich kann mich erinnern, dass mein Betreuer kurz vor der Abgabe meiner Promotionsschrift ein paar Kollegen aus dem Flur zusammentrommelte um für mich als Zuhörer zur Verfügung zu stehen. Ich referierte eine ca. 30 Min Zusammenfassung meines Themas an dem ich bis dahin ca. 6 Jahre recherchiert und über 400 Seiten geschrieben hatte. Es kamen schließlich drei von vielen Eingeladenen, einer kam später, eine andere musste früher gehen, mein Betreuer war die ganze Zeit da, mit meinem popmusikalischen Thema war keiner im Ansatz vertraut. Vielmehr inhaltlichen Austausch gab es kaum, mit dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses ging es meist um Termine und Formalitäten (Ist eine Veröffentlichung als ebook erlaubt oder eine kostenintensive Printversion erforderlich?). Ähnlich lief es auch während der Prüfung. Alle beteiligten Prüfer hatten sichtlich Angst sich mit einer verfänglichen Frage vor den Kollegen und dem Protokollführer zu blamieren. Ich war inhaltlich auf eine Verteidigung meiner These eingestellt, ein Diskurs oder eine Diskussion, die diesen Namen verdient, entstand an diesem Tag leider nicht. Ich bin von keinem der Beteiligten jemals wieder auf mein Promotionsthema angesprochen worden.

Nach diesen diversen Erfahrungen stelle ich mir heute als promovierter Musikwissenschaftler die Frage: Wo findet eigentlich musikwissenschaftlicher Diskurs statt?
Meine ernüchternde Erfahrung hat mir gezeigt, dass ein Diskurs nicht in den Vorlesungen und Seminaren von Hochschulen und Universitäten stattfindet, jeder arbeitet für sich, es gibt kaum Austausch, kein Interesse aneinander, keine Fragestunde, Sprechstunden sind knapp bemessen, seit Bologna zählen noch mehr als bereits vorher Noten, Punkte, Scheine, Diskussionen gelten als Zeitverschwendung. Unmittelbar findet ein Diskurs meiner Erfahrung nach auch nicht bei Kongressen und Tagungen statt, dazu sind derlei Veranstaltungen schon strukturell viel zu exklusiv (Anreisekosten, Übernachtungskosten, Eintrittsgeld (selbst für Referenten), kaum zirkulierte Ankündigungen, extrem langfristige Planung. Die Professoren bleiben unter sich, für aufstrebende, etablierte Kräfte ist es ein Präsentationsforum, eine Jobmesse, ein Who-is-Who, es geht dabei nicht in erster Linie um Inhalte oder Argumente.
Auffällig ist auch, dass es nahezu keine Kritik musikwissenschaftlicher Literatur gibt. In den Feuilletons von etablierten Zeitungen und Zeitschriften werden solche Inhalte nicht besprochen. In den allermeisten Fällen haben die Autoren keine eigenen Webseiten (stattdessen standardisierte und oft deutlich veraltete Bios auf dem eigenen Uni-Server), von einem Blog mit Kommentarfunktion ganz zu schweigen. Selbst Fachkollegen haben keine Zeit oder kein Interesse derartige Texte zu lesen, allenfalls ein sog. Abstract, eine ca. halbseitige Zusammenfassung. Bestenfalls können die Autoren einen Kollegen überreden wenigstens einen ankündigungsartigen Text zu verfassen. Auf eine Buchveröffentlichung substanziell zu reagieren, eine alternative Sichtweise aufzeigen? Warum sich die Arbeit machen, warum sich Kollegen zu Gegnern machen, warum Gräben aufreißen? Es gibt umfangreiche, aufwändige Sammelbände die Monate und Jahre nach Erscheinen keine einzige Kundenrezension beim führenden Versandbuchhändler Amazon vorweisen können. Startet man eine Google-Suche findet man außer den Verlagsseiten keine weitere Erwähnung. Die Leute arbeiten einsam und isoliert vor sich hin, reagieren nicht auf die Thesen anderen und ärgern sich vermutlich selbst darüber keine Reaktionen hervorgerufen zu haben.

Ich habe bald festgestellt, dass die Veröffentlichung wissenschaftlicher Aufsätze in Printformat nicht meine Sache sind. Es dauert lange bis eine These entwickelt und eine solcher Arbeit wasserdicht formuliert ist, man kann sie dann einreichen, eventuell wird sie abgelehnt, vielleicht nach weiteren Veränderungen angenommen, dann erscheint der Text 12-24 Monate später in Kleinstauflage in einem Sammelband für 30-60 Euro, es gibt keine Werbung, keine Besprechungen, keine Reaktionen. Durchblättern werden das Buch wohl nur die Autoren, die einen Beitrag geleistet haben, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich drin sind, an den Text werden sie sich im Detail kaum noch erinnern können, es ist zu lange her. Als Außenstehender könnte man sich fragen, warum tun sich die Autoren so was dann überhaupt an? Tja, die Antwort ist, sie haben keine andere Wahl, wenn sie eine wissenschaftliche Stelle im deutschen Bildungssystem haben wollen. In der deutschen Geisteswissenschaft ist die Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen die harte Währung in der gezahlt wird, nach der Professuren vergeben werden. Und da kommt es nicht einmal in zweiter Linie auf den Inhalt an und schon gar nicht auf den erfolgten oder folgenden Diskurs an (die Texte liest wie gesagt sowieso kaum einer). Die Anzahl und Orte der Veröffentlichungen werden wie Trophäen gesammelt, es zählt der sogenannte Hirschindex oder Hirschfaktor.

Als Diskursmedium bietet sich das Web 2.0 idealerweise an. Es ist nahezu kostenlos, fast jeder hat freien Zugang, es ist rund um die Uhr geöffnet, arbeitet in Echtzeit, Zitate, Tondokumente, Videos etc. können problemlos verlinkt werden. Außerdem blendet es Hierarchien nahezu aus und durch die schriftliche Form werden Argumente versachlicht. Selbst für sehr spezielle Themen können sich Interessierte zusammenfinden und nicht nur Thesen und Argumente, sondern auch Erfahrungen und Tipps austauschen.
Ich betreibe den „Dennis Schütze Blog“ seit Anfang 2013 und schreibe über Musik, Videos, Filme, Bücher, Notenausgaben, Konzerte, Reisen und Geschichten, die im weitesten Sinne mit Popmusik und Popkultur zu tun haben. Ich kann schreiben was ich will und es sofort veröffentlichen. Es sind Kritiken, Erlebnisberichte, Ankündigungen, Kurzgeschichten, Fotoserien, Meinungen und Kommentare dabei. Auf einige meiner Artikel bekomme ich von Lesern ausführliche und zum Teil sehr fundierte Reaktionen. Seit ich meinen Blog schreibe, lese und kommentiere ich auch Artikel anderer Blogs und profitiere stark davon. Ich habe den Eindruck, dass ich mich endlich in einem fruchtbaren und anregenden, intellektuellen Austausch befinde. Können das Web 2.0 und Blogs die Zukunft des musikwissenschaftlichen Diskurs sein? Ich meine, es ist momentan die viel versprechendste Form der themenspezifischen, weltweit-öffentlichen Kommunikation.

Buch: „Harmonielehre im Selbststudium“ von Thomas Krämer

Harmonielehre(Krämer)Thomas Krämer ist Professor für Musiktheorie an der Hochschule für Musik Saar. „Harmonielehre im Selbststudium“ erschien ursprünglich bereits 1991, eine erweiterte Neuausgabe dann im Jahr 2006 und die aktuelle, verbesserte, 6. Auflage schließlich im Jahr 2013. In diesen mittlerweile 25 Jahren hat sich Krämers Buch zum Standardwerk für Musikschüler, Studenten und interessierte Musiker entwickelt. Es ist ausgerichtet zum Selbststudium und beinhaltet ausführliche und umfassende Erklärungen aller fundamentalen, harmonischen Zusammenhänge. Betrachtet werden diese allerdings aus einer klar umrissenen Perspektive: Alle Fragestellungen orientieren sich am Choral und Volkslied im vierstimmigen Satz und den harmonischen Konventionen der Musik von 1600-1900. Die sehr klar strukturierten 16 Kapitel umfassen die Themen: Weiterlesen

Noten: „Tárrega for Guitar“ von Martin Hegel (Hg.)

TarregaForGuitarDer Gitarrist Francisco Tárrega ist eine einflussreiche und vielseitige Figur für die Entwicklung der modernen, klassischen Gitarre. Der Spanier wirkte als Virtuose, Instrumentalpädagoge und bedeutender Komponist. Darüber hinaus erstellte er gelungene Transkriptionen, etablierte die von Antonio de Torres ersonnene, bis heute gebräuchliche klassische Gitarrenform, verwendete prominent das Apoyando (angelegter Anschlag) u.v.a.m. Mit all diesen Eigenschaften gilt er als Begründer der sog. „Neuen Spanischen Gitarrenschule“ und wirkte durch seine Schüler Emilio Pujol, Miguel Llobet und Daniel Fortea, die ebenfalls als Interpreten, Komponisten und Instrumentallehrer tätig waren, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, genau genommen bis zum heutigen Tag.

Leider liegt bis jetzt keine kommentierte Gesamtausgabe, ja, noch nicht einmal ein komplettes Werkverzeichnis seines Schaffens vor. Als Gitarrist ist man genötigt die Einzelausgaben verschiedener Verlage zusammenzusammeln, wenn man sich einen groben Überblick verschaffen möchte. Im Jahr 2014 erschien in der Edition Schott nun das Heft „Tárrega for Guitar“. Es wurde herausgegeben von dem deutschen Gitarristen Martin Hegel und trägt den Untertitel „40 leichte Originalwerke und Bearbeitungen“. Laut Vorwort bietet die Sammlung einen „Einstieg in Tárregas Oeuvre und beinhaltet die leichtesten seiner Kompositionen, von kleinen Etüden und Präludien bis hin zu kleineren Vortrags- und Konzertstücken“. Ergänzend wurden vereinfachte Arrangements und Auszüge seiner bekanntesten Werke sowie eine Auswahl aus seinen unzähligen didaktischen Übungsstücken hinzugefügt.

Bei der Einrichtung wurde der oftmals hochkomplexe Originalfingersatz vereinfacht und wo möglich in untere Lagen gesetzt. Teilweise wurden Kompositionen ordentlich vereinfacht, in wenigen Fällen wurden Tonarten geändert und Sätze ausgedünnt. Das mag dem musikalischen Puristen missfallen, für den jungen, interessierten Gitarristen ist das in den meisten Fällen aber vermutlich eine willkommene Vereinfachung. Vielleicht hätte nicht einmal Tárrega selbst in seiner Funktion als Gitarrenpädagoge etwas dagegen gehabt. Man muss nämlich einräumen, dass Hegel keinesfalls leichtfertig mit seiner Aufgabe umgegangen ist. Selbst in nur wenige Takte umfassenden Kleinstminiaturen arbeitet er aufmerksam und sorgfältig. Auswahl, Bezeichnung und Satz beweisen hervorragendes Einfühlungsvermögen und instrumentalpädagogisches Verständnis. Notenbild, Seitenformat und Papierqualität sind vollkommen einwandfrei. Lediglich zur Provenienz hätte man sich noch mehr Angaben gewünscht. Woher genau stammen die Vorlagen des Herausgebers? Angaben dazu hätten das Bild perfekt gemacht.

Das Heft umfasst inhaltlich die Werke: 7 kleine Etüden (I-VII), 12 kleine Präludien (I-XII), Adelita, Mazurka, Lágrima, Pavana; 5 leichte Bearbeitungen (Recuerdos de la Alhambra, Adelita, Lágrima, Capricho Arabe, Gran Vals) und zusätzlich 12 weitere Stücke, darunter Endecha, Oremus, Sueno, Isabel, Tango etc.

Fazit: „Tárrega for Guitar“ ist eine gelungene Zusammenstellung für klassische Gitarristen ab ca. dem 2-3 Unterrichtsjahr und wird seinem eigenen Anspruch in vollem Umfang gerecht.

Das Notenheft umfasst 36 Seiten, erscheint bei Edition Schott und kostet 16,00 €.

Ausblick 2016

Video: „Take Five“ (Feb. 15)
Im Februar erscheint das letzte der im Frühjahr 2015 von Jens-Uwe Otte abgedrehten Musikvideos zum Titeltrack des Jazzalbums „Take Five“, gefeatured wird darin das Würzburger Hip Hop Tanzduo ‚Hot Potatoes’. Bring the Beat back!

Album: Produced & Presented by Dennis Schütze (Apr. 15)
Wie bereits im Rückblick erwähnt sind Aufnahmen und bald auch Mix und Master mehrerer Einzelsongproduktionen in der Finalisierungsphase. Wenn alles fertig ist und alle zufrieden sind mit dem Ergebnis, ist ein Kompilationsalbum mit 10-12 Tracks geplant bei dem alle beteiligten Akteure mit jeweils zwei Tracks vertreten sein werden. Das Projekt läuft unter dem Arbeitstitel „Produced & Presented by Dennis Schütze“, könnte aber auch durch den Zusatz „Mixed & Mastered by Jan Hees“ oder „Kontrabass by Camilo Goitia“ ergänzt werden. Veröffentlicht wird das Album voraussichtlich zum Download und Stream und flankiert wird es hoffentlich mit einzelnen Musikvideos (liegt in der Hand der Künstler). Zusammen ergibt das einen variantenreichen Überblick über aktuelle Tendenzen der lokalen und regionalen Singer-/Songschreiberkultur im AAA-Segment (Adult Alternative Artists).

Album: Urban Chic & Country Cool (Juni/Juli 15)
Im Anschluss an NDW habe ich zusammen mit dem Kontrabassisten Camilo Goitia gleich die Arbeit zu einem neuen Recordingprojekt aufgenommen. Geplant ist eine Art Fortsetzung von „Electric Country Soul“ (2014), nur diesmal nicht mit Band, sondern zu zweit und höchstens ein paar Gastmusikern. Konkret werden zehn Tracks aus den stilistischen Bereichen Country, Blues & Rock programmiert und eingespielt, Rhythmtracks stehen schon zum größten Teil, das ganze läuft unter dem Titel „Urban Chic & Country Cool“ und handelt vom Gegensatz zwischen Country und City, entsprechend setzt sich auch die Songauswahl zusammen. Das Album ist eine klassische Selbsttherapie gegen die öde, zermürbende Langeweile, die mich immer wieder mal hinterrücks überfällt, wenn gerade nichts ansteht. VÖ ist für Sommer 2016 geplant.

Weitere Produktionen: Über die genannten Veröffentlichungen hinaus existieren bereits weitere Pläne. Locker geplant sind weiterhin ein Jim-Croce-Tribute-Album, eine Dennis Schütze Early-Works und ein alternatives Xmas-Album. Diese Projekte werden voraussichtlich im Verlauf des Jahres eingespielt und exklusiv als Download und Stream erscheinen. Vorstellbar sind außerdem noch eine weitere Einzelsongproduktionen, Impro-Sessions mit Stefan Hetzel und/oder anderen Musikern, etc. We shall see!

Termine Anfang 2016:
31.01.15 Die Musikstudenten (Quartett), Silvesterball Maritim Hotel, Würzburg
17.01.16 Living Room Event: Texte & Musik von/mit Stefan Hetzel, Würzburg
04.02.16 Dennis Schütze & His Splendid Little Combo, Vischers Blues Jam, Nürnberg
08.04.16 Dennis Schütze & His Splendid Little Combo, Theater Augenblick, Würzburg
15.05.16 Die Musikstudenten, Pfingstweinfest Weinreich, Sommerach

Abschließend möchte ich mich für Eure Unterstützung und Interesse bedanken und ein gesundes, erfolgreiches und gutes Jahr 2016 wünschen.
Mit den allerherzlichsten Grüßen
Dennis Schütze